02.03.2007

Schwingende Nanoschichten im Röntgenstroboskop

Atomare Bewegungen in Nanostrukturen lassen sich mit ultrakurzen Röntgenimpulsen, die von Hochleistungslasern erzeugt wurden, stroboskopisch abbilden.



Eine Arbeitsgruppe am Max-Born-Institut (MBI) in Berlin verwendet mit Hochleistungslasern erzeugte ultrakurze Röntgenimpulse, um atomare Bewegungen in Nanostrukturen stroboskopisch abzubilden. Die Methode ermöglicht simultan eine Zeitauflösung von 100 Femtosekunden und eine Ortsauflösung von 100 Femtometern.

In Physik, Chemie und Biologie ist die Röntgenbeugung eine grundlegende Methode zur Bestimmung der mikroskopischen Struktur von Festkörpern und (makro-) molekularen Systemen. Während bisher die Aufklärung stationärer Gleichgewichtsstrukturen im Vordergrund stand, wird seit einigen Jahren intensiv daran gearbeitet, Strukturänderungen auf atomaren Längen- und Zeitskalen durch Röntgenbeugung direkt zu erfassen. Dazu verwendet man ein stroboskopisches Verfahren. Darin löst ein ultrakurzer Laserimpuls atomare Bewegungen aus, und ein um das Zeitintervall Δt verzögerter Röntgenimpuls macht durch Beugung an der angeregten Probe den Bewegungsablauf zu diesem Zeitpunkt sichtbar. Messungen für verschiedene Zeitintervalle Δt erzeugen eine Sequenz von Schnappschüssen, aus denen sich Charakter und Dynamik der Strukturänderung direkt bestimmen lassen. Entscheidend ist, dass die Zeitauflösung durch die Dauer von Anregungs- und Abtastimpuls (etwa 100 fs = 10 -13 s) bestimmt ist, ohne die strukturelle Auflösung (100 fm = 10 -13 m) der Röntgenbeugung einzubüßen.

Ultrakurze Röntgenimpulse lassen sich mit Synchrotrons, Freie-Elektronen-Lasern oder Laser-getriebenen Plasmaquellen erzeugen. Die Grundlage der Experimente am MBI bildet eine kompakte, von einem Femtosekundenlaser getriebene Plasmaquelle für Cu-Kα-Impulse (Wellenlänge 0,15 nm) von 100 fs Dauer. Diese sind mit einer Genauigkeit von deutlich besser als 100 fs zum Anregungsimpuls synchronisiert, bei einer Wiederholrate von 1 kHz enthält ein Puls zehn Millionen Röntgenphotonen [1].

Ultraschnelle Bewegungen des Kristallgitters verschiedener Nanostrukturen lassen sich mit Hilfe von Femtosekunden-Röntgenbeugung direkt sichtbar machen [2]. Die optische Anregung ändert die Konfiguration der Elektronen im Kristall und erzeugt dadurch neue interatomare Kräfte. Die Atome werden in Bewegung versetzt, was durch die Beugung des Röntgenimpulses am veränderten Kristallgitter direkt nachgewiesen wird.

Erste Ergebnisse gab es bei der Untersuchung einer technologisch relevanten, ferroelektrischen Nanostruktur, die am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik Halle hergestellt wurde. Es besteht aus einer Abfolge von 6 nm dicken, metallischen Strontium-Ruthenat-Schichten (SRO) mit dazwischenliegenden 4 nm dicken Lagen aus ferroelektrischem Blei-Zirkonat-Tianat (PZT). Letztere besitzen auf Grund der räumlichen Verschiebung zwischen positiv und negativ geladenen Ionen des Kristallgitters eine permanente ferroelektrische Polarisation.

Die optische Anregung der SRO-Schichten lässt diese dicker werden, während gleichzeitig die PZT-Schichten komprimiert werden. Es entsteht eine periodische Variation der jeweiligen Schichtdicken, also eine stehende Welle mit einer Wellenlänge von 10 nm. Diese lässt sich über die Änderung der gebeugten Röntgenintensität ΔI/I 0 sichtbar machen. Die Oszillationsperiode ist durch die Schallgeschwindigkeit und die Dicke D einer Doppelschicht (SRO/PZT) bestimmt. Das Experiment liefert genaue Informationen über die Änderung Δd/d 0 des Gitterebenenabstandes. Durch gleichzeitige Beobachtung unterschiedlicher Röntgenreflexionen (Bragg-Peaks) wurde die Verschiebung der positiv und negativ geladenen Ionen in der Einheitszelle nachgewiesen. Bei einer geeignet gewählten Anregungsintensität lässt sich die ferroelektrische Polarisation innerhalb von circa 2 ps vollständig ausschalten, was auf der Zeitskala gewöhnlicher Schaltvorgänge (1 ns) in Ferroelektrika extrem schnell ist und hier erstmals strukturell nachgewiesen wurde.

Das große Potenzial der Femtosekunden-Röntgenbeugung liegt in ihrer prinzipiell universellen Einsetzbarkeit für die Untersuchung ultraschneller Veränderungen in Festkörpern, Nanostrukturen, Molekülkristallen. Zukünftig sollen mit Hilfe eines Freie-Elektronen-Lasers sogar Änderungen einzelner Makromoleküle beobachtbar werden.

Matias Bargheer, Clemens v. Korff Schmising, Michael Wörner, Thomas Elsässer
Max-Born-Institut, Berlin


Quelle: Physik in unserer Zeit, 2/2007, S. 60.
http://dx.doi.org/10.1002/piuz.200790009

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