23.03.2017

Schwingungen im Nanokristall sichtbar gemacht

Oberflächenmoden mit atomarer Genauigkeit vermessen.

Forscher aus den USA und aus Österreich haben erstmals mechanische Schwingungs­moden von nanometer­großen Kristallen mit atomarer Auflösung untersucht und dabei einige Besonderheiten beobachtet. Nano­kristalle unterscheiden sich in ihren physikalischen Eigenschaften bisweilen deutlich von makro­skopischen Festkörpern, die aus demselben Material bestehen. Diese Unterschiede kann man zum Beispiel in der Nano­optik oder bei der Kontrolle von Wärme­strömungen in Nano­strukturen nutzen.

Abb.: Mit der orts- und energieauflösenden Elektronenstreuung (STEM EELS) wurden oberflächennahe Schwingungszustände eines 100 Nanometer großen Kristallwürfels sichtbar gemacht. Die gestrichelte Linie kennzeichnet jeweils den Rand des Kristalls. (Bild: M. J. Lagos et al.)

In metallischen Nanostrukturen können die Plasma­schwingungen der oberflächen­nahen Leitungs­elektronen mit den Lichtquanten, die sich parallel zur Metall­oberfläche bewegen. Dabei entstehen Oberflächen-Plasmon-Polaritonen, die der Plasmonik und neuen Anwendungen in der Nanooptik zugrunde liegen.

Oberflächennahe Ladungsschwingungen, die an elektro­magnetische Wellen koppeln, gibt es auch in Ionen­kristallen. Ihre Quanten, die Phononen, schließen sich mit den Photonen zu Oberflächen-Phonon-Polaritonen zusammen, die ebenfalls für die Nano­optik interessant sind. Allerdings sind diese phononischen Polaritonen in Nano­kristallen noch längst nicht so gut erforscht wie die entsprechenden plasmonischen Polaritonen.

Doch eine elektronenmikroskopische Untersuchungs­methode, die Maureen Lagos von der Rutgers University und ihre Kollegen weiter­entwickelt haben, könnte das ändern. Man bezeichnet sie als STEM EELS (Scanning Transmission Electron Microscope Electron Energy Loss Spectroscopy). Die Forscher haben dazu einzelne kristalline Würfel aus Magnesium­oxid, die eine Kantenlänge von 30 bis 500 Nanometern hatten, mit einem extrem scharf gebündelten mono­energetischen Elektronen­strahl abgerastert, wobei sie eine Ortsauflösung von 0,2 Nanometern erreichten.

Die Elektronen, die durch den Nanokristall flogen oder ihn in geringem Abstand passierten, wechselwirkten mit den Gitter­schwingungen im Kristall­innern bzw. in der Kristall­oberfläche. Dabei wurden sie inelastisch gestreut und verloren so viel Energie, wie zur Anregung eines entsprechenden Phonons nötig war. Aus der Analyse der Energie­verteilung der gestreuten Elektronen ließ sich entnehmen, wie stark Phononen einer bestimmten Energie angeregt worden waren. Die dabei erreichte Energieauflösung betrug 10 meV.

Auf diese Weise ergab sich ortsaufgelöst für das Kristallinnere bzw. für die Kristall­oberfläche das Spektrum der Gitter­schwingungen. Es zeigte sich, dass im Innern des Nanokristalls verschiedene Phononen mit Energien von 40 meV bis 88 meV angeregt wurden, und zwar unabhängig davon, wo die Elektronen den Kristall durchquert hatten.

Sobald sich der Elektronenstrahl jedoch dem Rand des Kristalls näherte, änderte sich das Bild. Jetzt wurden kaum noch Phononen im Kristall­innern angeregt. Stattdessen kamen nun solche Phononen zum Zuge, die in der Kristalloberfläche lokalisiert waren. Diese Oberflächen­phononen wurden gezielt angeregt, wenn der Elektronen­strahl am Kristall in einem geringen Abstand von fünf Nanometern parallel zur Kristall­oberfläche vorbei lief.

Bei einer Energie von 69 meV wurden solche Phononen angeregt, deren Schwingungs­moden nahe der Kristallecken lokalisiert waren, während bei 77 meV Phononen auftraten, deren Moden jeweils im Zentrum einer Kristallfläche saßen (s. Abb.). Diese Moden drangen nur etwa 15 Nanometer tief in den Kristall ein. Dank der hohen Orts­auflösung des Verfahrend ließ sich das deutlich erkennen. Computer­simulationen bestätigten diese Ergebnisse.

Die streifend am Kristall vorbeifliegenden Elektronen regten zudem Oberflächen-Phonon-Polaritonen an, bei denen sich eine elektro­magnetische Welle gemeinsam mit einer optischen Gitterschwingung längs der Kristalloberfläche bewegte, sodass die Phononen mit den Photonen einen gekoppelten Zustand bildeten. Diese Polaritonen traten bei etwa 78 meV auf.

Indem die Forscher mehrere Nanokristalle unterschiedlicher Größe mit ihrem Verfahren untersuchten, konnten sie zeigen, dass bei kleineren Würfeln mit weniger als 50 Nanometer Kantenlänge deutlich weniger Oberflächenmoden angeregt wurden. Zudem war die räumliche Intensitäts­verteilung der Oberflächen- und der Eckenmoden viel gleichförmiger als bei den größeren Nanokristallen.

Mit ihrem Verfahren können die Forscher detailliert untersuchen, wie Phononen mit anderen Phononen, mit Plasmonen oder mit Photonen sowohl innerhalb als auch außerhalb einer Nano­struktur wechselwirken. Dadurch könnte man zum Beispiel den Energietransport auf der Nanometer­skala untersuchen und vielleicht auch steuern. Außerdem eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Photonik.

Rainer Scharf

DE

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