26.07.2018

See unter Mars-Polkappe

Radardaten weisen auf einen See aus flüssigem Wasser unter dem kilometerdickem Eis der südlichen Polkappe hin.

Tief unter der Antarktis liegen hunderte großer und kleiner Seen, von denen manche von Mikro­organismen bevölkert sind, in einem der exotischsten Habitate der Erde. Jetzt berichten italienische Planetologen, erstmals einen solchen sub­glazialen See auf dem Mars entdeckt zu haben: Das Team um Roberto Orosei vom National­institut für Astro­physik in Bologna beschreibt ein gut zwanzig Kilo­meter breites und einen Meter tiefes Gewässer. Das flüssige Wasser liegt unter einer 1,5 Kilometer dicken Eis­schicht der südlichen Pol­kappe verborgen. Dass darin Leben bestehen könnte, ist allerdings recht unwahr­scheinlich.

Abb.: Von der südlichen Polkappe des Mars ist nur ein kleiner Teil als Vorkommen aus Wasser- und Kohlen­dioxid-Eis erkennbar. Ein Groß­teil liegt unter einer Staub­schicht vergraben. Auch der nun gefundene See liegt unter staub­bedeckten Eis­schichten verborgen. (Bild: CC BY-SA 3.0 IGO ESA / DLR / FU Berlin)

Schon lange vermuten Planetologen, dass unter den Pol­kappen des Mars flüssiges Wasser existieren könnte. Das auch nachzuweisen, war allerdings nicht ganz einfach: Die italienischen Forscher verwendeten dafür das Radar­instrument Marsis (Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionosphere Sounding) an Bord der europäischen Raum­sonde Mars Express, die immerhin schon fast 15 Jahren lang um den Planeten kreist. Damit fanden die Forscher an der südlichen Pol­kappe schon bald auf­fällige Radar­echos, die aber immer wieder verschwanden. Erst als sie vor einigen Jahren die Daten­verarbeitung an Bord der Sonde verbesserten, verschwanden die Signale nicht mehr. „Danach mussten wir nur noch zeigen, dass das Echo wirklich durch Wasser entsteht“, sagt Roberto Orosei.

Mittlerweile ist sich das Forscher­team sicher, nicht etwa nur auf besonders gut reflektierendes Kohlendioxid-Eis zu blicken, sondern auf flüssiges Wasser. Ob es ein richtiger See ist, eine Art Schlamm oder wasser­gesättigtes Sediment, können die Wissen­schaftler allerdings nicht sagen. Auch warum das Wasser hier flüssig bleibt, während es überall sonst auf dem Mars wahl­weise verdunsten oder zu Eis erstarren würde, können die Planetologen nur vermuten. Denn während auf der Erde alleine der mächtige Druck einiger Kilo­meter mächtiger Gletscher ausreicht, Wasser flüssig zu halten, sind die Gletscher auf dem Mars dafür zu dünn.

Abb.: Radaraufnahmen der Polkappe (Bild: THEMIS background: NASA / JPL-Caltech / Arizona State U.; MARSIS data: ESA / NASA / JPL / ASI / U. Rome / R. Orosei et al., AAAS)

Die Wissenschaftler schlagen eine auf dem Mars omni­präsente Chemikalie vor, die als potentes Frost­schutz­mittel wirken dürfte: Perchlorate konnten bislang alle gelandeten Raum­sonden nachweisen, die Instrumente zur chemischen Analyse mit an Bord hatten. Der 2008 in kalten nördlichen Breiten gelandete Phoenix der NASA foto­grafierte sogar einige Wasser­tröpfchen an seinen Lande­beinen, die vermutlich dank in den Tropfen gelösten Perchlorats nicht sofort verdampften. Auch unter der südlichen Pol­kappe dürften Perchlorate vorkommen. Bis hinunter zu einer Temperatur von -75 Grad Celsius könnte der sub­glaziale See damit flüssig gehalten werden – eine plausible Minimal­temperatur für die Unter­seite des Gletschers und den Rand des Gewässers.

Die notwendigerweise hohe Konzentration von Perchloraten macht die Existenz möglicher Organismen unter dem Eis aber nicht sonderlich wahr­scheinlich. Roberto Orosei verweist zwar auf bekannte Organismen auf der Erde, die in stark salz­haltigem Wasser über­leben und die Perchlorate sogar für ihren Stoff­wechsel verwenden können. Jennifer Wadsworth ist dagegen skeptisch: Die Forscherin am Institut für kondensierte Materie und komplexe Systeme an der Universität Edinburgh unter­suchte im vergangenen Jahr, wie hoch konzentrierte Perchlorate gemeinsam mit UV-Strahlung auf irdische salz­tolerante Mikro­organismen wirken. Dabei stellte die Forscherin fest, dass die Strahlung die Perchlorate offenbar in noch reaktivere Bestandteile zersetzt, die ihrerseits innerhalb kurzer Zeit jede biologische Zelle zerstören.

Das Gemisch aus Perchloraten auf dem Mars ist also ein sehr wirksames Desinfektions­mittel, das laut Wadsworth auch tief unter einem Gletscher erhalten bliebe: „Dort herrscht eine sehr ungastliche Umwelt“, sagt sie. Zudem wäre das Gewässer bei -75 Grad Celsius viel zu kalt für irdische Mikro­organismen, die spätestens bei -20 Grad Celsius den Kälte­tot sterben.

Roberto Orosei will sein Ergebnis nun erst einmal mit anderen Instrumenten bestätigen. Das zweite derzeit im Mars­orbit arbeitende Radar­gerät namens Sharad auf dem Mars Reconnaissance Orbiter der NASA hat nämlich bislang gar keine Hinweise auf diesen See entdeckt. Erst wenn ein zweiter Nachweis des Sees gelingen sollte, wäre vermutlich die Zeit gekommen, die Suche nach Leben auf dem Mars stärker auf die Pol­kappen zu fokussieren.

Karl Urban

DE

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