See unter Mars-Polkappe
Radardaten weisen auf einen See aus flüssigem Wasser unter dem kilometerdickem Eis der südlichen Polkappe hin.
Tief unter der Antarktis liegen hunderte großer und kleiner Seen, von denen manche von Mikroorganismen bevölkert sind, in einem der exotischsten Habitate der Erde. Jetzt berichten italienische Planetologen, erstmals einen solchen subglazialen See auf dem Mars entdeckt zu haben: Das Team um Roberto Orosei vom Nationalinstitut für Astrophysik in Bologna beschreibt ein gut zwanzig Kilometer breites und einen Meter tiefes Gewässer. Das flüssige Wasser liegt unter einer 1,5 Kilometer dicken Eisschicht der südlichen Polkappe verborgen. Dass darin Leben bestehen könnte, ist allerdings recht unwahrscheinlich.
Abb.: Von der südlichen Polkappe des Mars ist nur ein kleiner Teil als Vorkommen aus Wasser- und Kohlendioxid-
Schon lange vermuten Planetologen, dass unter den Polkappen des Mars flüssiges Wasser existieren könnte. Das auch nachzuweisen, war allerdings nicht ganz einfach: Die italienischen Forscher verwendeten dafür das Radarinstrument Marsis (Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionosphere Sounding) an Bord der europäischen Raumsonde Mars Express, die immerhin schon fast 15 Jahren lang um den Planeten kreist. Damit fanden die Forscher an der südlichen Polkappe schon bald auffällige Radarechos, die aber immer wieder verschwanden. Erst als sie vor einigen Jahren die Datenverarbeitung an Bord der Sonde verbesserten, verschwanden die Signale nicht mehr. „Danach mussten wir nur noch zeigen, dass das Echo wirklich durch Wasser entsteht“, sagt Roberto Orosei.
Mittlerweile ist sich das Forscherteam sicher, nicht etwa nur auf besonders gut reflektierendes Kohlendioxid-
Abb.: Radaraufnahmen der Polkappe (Bild: THEMIS background: NASA / JPL-Caltech / Arizona State U.; MARSIS data: ESA / NASA / JPL / ASI / U. Rome / R. Orosei et al., AAAS)
Die Wissenschaftler schlagen eine auf dem Mars omnipräsente Chemikalie vor, die als potentes Frostschutzmittel wirken dürfte: Perchlorate konnten bislang alle gelandeten Raumsonden nachweisen, die Instrumente zur chemischen Analyse mit an Bord hatten. Der 2008 in kalten nördlichen Breiten gelandete Phoenix der NASA fotografierte sogar einige Wassertröpfchen an seinen Landebeinen, die vermutlich dank in den Tropfen gelösten Perchlorats nicht sofort verdampften. Auch unter der südlichen Polkappe dürften Perchlorate vorkommen. Bis hinunter zu einer Temperatur von -75 Grad Celsius könnte der subglaziale See damit flüssig gehalten werden – eine plausible Minimaltemperatur für die Unterseite des Gletschers und den Rand des Gewässers.
Die notwendigerweise hohe Konzentration von Perchloraten macht die Existenz möglicher Organismen unter dem Eis aber nicht sonderlich wahrscheinlich. Roberto Orosei verweist zwar auf bekannte Organismen auf der Erde, die in stark salzhaltigem Wasser überleben und die Perchlorate sogar für ihren Stoffwechsel verwenden können. Jennifer Wadsworth ist dagegen skeptisch: Die Forscherin am Institut für kondensierte Materie und komplexe Systeme an der Universität Edinburgh untersuchte im vergangenen Jahr, wie hoch konzentrierte Perchlorate gemeinsam mit UV-Strahlung auf irdische salztolerante Mikroorganismen wirken. Dabei stellte die Forscherin fest, dass die Strahlung die Perchlorate offenbar in noch reaktivere Bestandteile zersetzt, die ihrerseits innerhalb kurzer Zeit jede biologische Zelle zerstören.
Das Gemisch aus Perchloraten auf dem Mars ist also ein sehr wirksames Desinfektionsmittel, das laut Wadsworth auch tief unter einem Gletscher erhalten bliebe: „Dort herrscht eine sehr ungastliche Umwelt“, sagt sie. Zudem wäre das Gewässer bei -75 Grad Celsius viel zu kalt für irdische Mikroorganismen, die spätestens bei -20 Grad Celsius den Kältetot sterben.
Roberto Orosei will sein Ergebnis nun erst einmal mit anderen Instrumenten bestätigen. Das zweite derzeit im Marsorbit arbeitende Radargerät namens Sharad auf dem Mars Reconnaissance Orbiter der NASA hat nämlich bislang gar keine Hinweise auf diesen See entdeckt. Erst wenn ein zweiter Nachweis des Sees gelingen sollte, wäre vermutlich die Zeit gekommen, die Suche nach Leben auf dem Mars stärker auf die Polkappen zu fokussieren.
Karl Urban
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