30.06.2011

Seebeck-Effekt mit tunnelnden Spins

Durch einen Tunnelkontakt zwischen einem Ferromagneten und einem Halbleiter mit unterschiedlicher Temperatur fließt ein spinpolarisierter Tunnelstrom.

Durch einen Tunnelkontakt zwischen einem Ferromagneten und einem Halbleiter mit unterschiedlicher Temperatur fließt ein spinpolarisierter Tunnelstrom.

Forscher in Japan haben einen neuen Weg gefunden, mit Temperaturunterschieden spinpolarisierte Ströme zu erzeugen. Den von ihnen entdeckten Seebeck-Spintunneleffekt könnte man für die Spintronik nutzen, die im Gegensatz zur Elektronik mit Elektronenspins statt mit elektrischen Ladungen arbeitet.

Abb.: Aus dem heißen Ferromagneten tunneln bevorzugt Minoritätsspins (blau) in den kalten Halbleiter, aus dem kalten Ferromagneten tunneln hingegen zumeist Majoritätsspins (gelb). (Bild: M. W. Johnson et al., Nature)

Thermoelektrische Erscheinungen wie der Seebeck- und der Peltier-Effekt sind faszinierend und nützlich zugleich. Sie ermöglichen es, Wärme in Elektrizität umzuwandeln bzw. mit elektrischem Strom zu kühlen. In einem elektrischen Leiter mit Temperaturgefälle bewegen sich mehr Elektronen vom heißen zum kalten Ende als umgekehrt, sodass zwischen ihnen eine elektrische Spannung entsteht. Andererseits transportieren beim elektrischen Stromfluss bewegte Ladungen Wärmeenergie, sodass es zu einer Abkühlung kommt. An den Kontaktstellen zweier unterschiedlicher Leiter sind diese beiden Effekte besonders ausgeprägt.

Vor drei Jahren hatten japanische Forscher den Spin-Seebeck-Effekt entdeckt. Herrscht in einem ferromagnetischen Metall ein Temperaturgefälle, so bewegen sich die Elektronen wieder bevorzugt zum kälteren Ende. Sie tun dies jedoch je nach ihrer Spinrichtung in unterschiedlichem Maße, da in einem Ferromagneten die beiden Spinrichtungen nicht gleichhäufig sind und sich deshalb unterschiedlich verhalten. Neben einer elektrischen Spannung tritt deshalb auch eine „Spinspannung“ auf, die gleich der Differenz der chemischen Potentiale der beiden Spinrichtungen ist. Mit den beim Spin-Seebeck-Effekt auftretenden Spinspannungen kann man Spinströme erzeugen, die Spins aber keine Ladungen transportieren. Inzwischen hat man den Spin-Seebeck-Effekt auch in Halbleitern und sogar in Nichtleitern gefunden.

Nun berichten Ron Jansen vom AIST Spintronics Research Center in Tsukuba, Japan, und seine Kollegen über eine neue Form des Spin-Seebeck-Effekts, bei dem polarisierte Spins von einem heißen oder kalten Ferromagneten durch eine Isolatorschicht in einen kalten bzw. heißen Halbleiter tunneln und dadurch eine Spinspannung aufbauen. Auf eine Siliziumunterlage trugen die Forscher eine 1,5 nm dicke Tunnelbarriere aus Silizium- und Aluminiumoxid auf, die von einer ferromagnetischen Nickeleisenelektrode bedeckt wurde. Die Halbleiterunterlage und die magnetische Elektrode waren unabhängig voneinander elektrisch beheizbar, sodass sie auf unterschiedliche Temperaturen gebracht werden konnten.

Hatten das Silizium und der Ferromagnet unterschiedliche Temperatur, so trat zwischen ihnen eine elektrische Spannung auf, die im Wesentlichen zwei Bestandteile hatte: die normale Thermospannung aufgrund des Seebeck-Effekts und eine zusätzliche Spannung von etwa 0,1 mV, die sich keinem bekannten physikalischen Effekt zurechnen ließ. Diese „Seebeck-Spintunnelspannung“ kam dadurch zustande, dass Elektronspins vom Ferromagneten je nach ihrer Spinrichtung unterschiedlich häufig durch die Barriere in den Halbleiter tunnelten.

War das Silizium heißer als der Ferromagnet, so tunnelten aus dem Halbleiter energiereiche (d. h. von Zuständen oberhalb der Fermi-Energie kommende) Elektronen beider Spinrichtungen gleich häufig in den Magneten. Aus diesem hingegen konnten energiearme (d. h. von unterhalb der Fermi-Energie kommende) Elektronen in unbesetzte Elektronenzustände oder Löcher im Silizium tunneln. Da im Ferromagneten aber eine Spinrichtung bei weitem überwog, tunnelten Elektronen mit dieser Majoritätsspinrichtung bevorzugt, sodass ein spinpolarisierter Tunnelstrom floss. Dadurch wurde das Silizium ebenfalls spinpolarisiert. Da der Schaltkreis nicht kurzgeschlossen war, baute sich neben einer elektrischen Spannung auch eine Spinspannung auf. Wurde der Temperaturunterschied umgekehrt, war also der Ferromagnet heißer als das Silizium, so kehrte sich die Spinspannung um.

Die Forscher glauben, dass man den Seebeck-Spintunneleffekt wesentlich verstärken kann, indem man in den benutzten Magneten die Besetzung der beiden Spinrichtungen nahe Fermi-Energie optimiert. Den für den Effekt benötigten Temperaturunterschied könnte man auch durch Bestrahlung mit Laserlicht hervorrufen. Auf diese Weise ließe sich in Halbleitern auch mit unpolarisiertem Licht eine Spinpolarisation erzielen. Doch vor allem lassen sich sehr energieeffizient durch Wärme Spinströme erzeugen, wie man sie in der Spintronik benötigt.

Rainer Scharf

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