Die Notwendigkeit, klimaneutrale Energiequellen möglichst rasch zu erschließen, lassen die meisten auch jenseits eines Faibles für Forschung besonders aufmerksam auf eine vor drei Tagen in Washington abgehaltene Pressekonferenz blicken. Dort gaben das US-Energieministerium (DOE) und die Nationale Behörde für nukleare Sicherheit (NNSA) des DOE nämlich das erstmalige Zünden einer Fusionsreaktion mit Überschreitung des energetischen Break-Even-Points am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) bekannt. US-Energieministerin Jennifer M. Granholm verkündetet diesen „Meilenstein für die Forscher und Mitarbeiter der National Ignition Facility, die ihre Laufbahn der Verwirklichung der Fusionszündung gewidmet haben“, und erwartet, dass der Erfolg weitere Entdeckungen nach sich ziehen wird. Entsprechende Förderprogramme für die Inertial Confinement Fusion (ICF) im Wert von 624 Millionen Dollar sind bereits bewilligt, und manch einer sieht sich durch diesen „erstaunlichen wissenschaftliche Fortschritt an den Rand einer Zukunft gebracht, die nicht mehr auf fossile Brennstoffe angewiesen ist, sondern durch neue, saubere Fusionsenergie angetrieben wird“, wie es der Mehrheitsführer im US-Senat, Charles Schumer, ausdrückte.
Am 5. Dezember führte ein Team an der National Ignition Facility (NIF) des LLNL ein Experiment zur Trägheitsfusion durch, mit dem – laut eigenen Aussagen – erstmals mehr Energie aus der Fusion gewonnen als Laserenergie hineingesteckt wurde: Mit der Abgabe von 2,05 Megajoule Energie an das Target wurde die Fusionsschwelle überschritten und eine Fusionsenergie von 3,15 Megajoule freigesetzt.
Seit den 1960er Jahren setzt das LLNL auf Laser, um leichte Atomkerne unter Energieabgabe zum Verschmelzen zu bringen und die aus der Sonne bekannten Fusionsprozesse auch in einer Laborumgebung ablaufen zu lassen. Zur Verfolgung des als Trägheitsfusion bekannt gewordenen Konzepts baute das LLNL eine Reihe von immer leistungsfähigeren Lasersystemen, die schließlich zum NIF führten, dem größten und energiereichsten Lasersystem der Welt. Die im LLNL in Livermore, Kalifornien, gelegene Einrichtung hat die Größe eines Sportstadions und nutzt leistungsstarke Laserstrahlen, um in einer evakuierten Targetkammer Temperaturen und Drücke zu erzeugen, wie sie im Innern von Sternen herrschen.
Dazu wird durch Wechselwirkung von eingestrahltem ultraviolettem Laserlicht und den aus Gold bestehenden Innenwänden eines etwa einen Zentimeter großen Zylinders Röntgenstrahlung erzeugt. Diese breitet sich gleichförmig im Hohlraum aus und erhitzt die darin freischwebende kugelförmige Brennstoffkapsel (Pellet) bis sie implodiert und durch extreme Verdichtung und Temperaturerhöhung der Fusionsprozess der in ihr enthaltenen Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium in Gang gesetzt wird. Die dabei entstehenden Heliumkerne geben Energie an das Plasma ab und erhalten so den Fusionsvorgang aufrecht, bis dieser nach wenigen Bruchteilen einer Sekunde durch die temperaturbedingte Ausdehnung des Plasmas zum Erlöschen kommt.
Nachdem die prinzipielle Machbarkeit der Trägheitsfusion bereits früher gezeigt wurde, hat das jüngste Experiment der NIF nun einen Energieüberschuss erzielt, sodass eine Nutzbarkeit der Technologie nicht undenkbar erscheint.
Bei aller Freude über das Ergebnis gibt die NIF an, dass noch viele weitergehende wissenschaftliche und technologische Entwicklungen erforderlich seien, um eine einfache, erschwingliche Energie aus Trägheitsfusion für die Stromversorgung von Haushalten und Unternehmen zu erreichen.
Diese skeptische Zuversicht teilen Wissenschaftler anderer Einrichtungen, wie beispielsweise Prof. Dr. Sybille Günter, die wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching, die das Ergebnis mit einem Hinweis auf die Nicht-Einbeziehung der Lasereffizienz in die Energiebilanz etwas relativiert und auf die Frage, wie nah die Fusion nun als nutzbare Energiequelle sei, antwortete: „Bei der Laserfusion geht es zunächst mal um die ‚Zündung‘ eines Pellets. Das ist schwierig, weil die Situation, dass Laser auf eine schwere Schale schießen, in der sich leichterer Wasserstoff befindet, instabil ist. Daher muss man das Pellet möglichst homogen bestrahlen, was bei direkter Bestrahlung mit Lasern schwierig ist. Deshalb verwendet man bei NIF einen sogenannten Hohlraum, in dem die Laser erst auf eine Wand schießen und dort Röntgenstrahlung erzeugen, die sehr homogen ist. Für ein Kraftwerk ist das vermutlich zu ineffizient, dort muss man direkt bestrahlen. Außerdem müsste man in einem Kraftwerk so ein Pellet mindestens zehnmal pro Sekunde zünden. Diese und viele andere technologische Fragestellungen müssen noch geklärt werden, bevor man an den Bau eines Kraftwerks denken kann.“
Dennoch freut sich Sybille Günter über das gelungene Experiment: „Das sind tolle Ergebnisse, zu denen wir den Kollegen des Labors der National Ignition Facilitiy gern gratulieren“, so Günter. „In solchen Experimenten kann man insbesondere studieren, wie sich ein Pellet verhält, wenn es nicht nur mit Lasern geheizt wird, sondern auch mit bei der Fusion freigesetzten Helium-Kernen (alpha-Teilchen). Das ist ganz spannende Plasmaphysik.“
LLNL / LK