27.05.2020

Selbstgemachter Ultrafeinstaub

Langzeitstudie zur Feinstaubexposition in Wohnungen weist auf hohen selbst erzeugten Anteil hin.

Einwohner deutscher Großstädte haben es vor allem selbst in der Hand, wie hoch die Konzentrationen ultrafeiner Aerosol­partikel in ihren Wohnungen sind. Die Belastung in der Wohnung hängt nur teilweise von der Luftqualität außen ab. Sie ist stark von den Aktivitäten in der Wohnung wie Kochaktivitäten oder Heizen ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Leibniz-Instituts für Troposphären­forschung (Tropos) im Auftrag des Umwelt­bundesamtes (UBA). Dazu wurden das feine und ultrafeine Aerosol je rund zwei Wochen lang in und außerhalb von vierzig Wohnungen in Leipzig und Berlin in verschiedenen Jahres­zeiten gemessen. Die Studie ist die erste Langzeitstudie zu Feinstaub von zehn Nanometer bis zehn Mikrometern Größe, die in vielen Wohnungen in Deutschland über einen langen Zeitraum so detailliert durch­geführt wurde.
 

Abb.: Zwischen 2016 und 2019 wurden Wohnungen in Leipzig und Berlin auf Fein-...
Abb.: Zwischen 2016 und 2019 wurden Wohnungen in Leipzig und Berlin auf Fein- und Ultra­feinstaub untersucht – sowohl in den Wohnungen als auch auf deren Balkons. (Bild: J. Zhao, Tropos)

Feine und ultrafeine Aerosol­partikel sind wegen der Zusammenhänge mit Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen von Bedeutung für die öffentliche Gesundheit. Wieviel davon in den Körper über die Lunge gelangen kann, hängt unter anderem von der Größe der Partikel ab. Zu den wichtigsten Quellen für die ultrafeinen Partikel, die kleiner als 100 Nanometer sind und deshalb tief in den Körper vordringen können, gehören etwa Verbrennungs­motoren im Straßen- und Luft­verkehr, Klein­feuerungs­anlagen, Kraftwerke oder auch Waldbrände. Daher gibt es in vielen Industriestaaten mittlerweile umfangreiche Maßnahmen, Feinstaub in der Außenluft zu reduzieren. Schätzungen zufolge verbringen aber Menschen in den entwickelten Ländern über zwei Drittel ihrer Lebenszeit innerhalb von Gebäuden und davon die meiste Zeit in der eigenen Wohnung. Dort sind sie einer Mischung an Schadstoffen ausgesetzt, die aus verschiedenen Innenraum-Quellen, wie Kochaktivitäten oder Heizen kommen, aber auch aus der Außenluft stammen können. 

Um herauszufinden, welchen feinen und ultrafeinen Aerosol­partikeln Menschen in ihren eigenen Wohnungen ausgesetzt sind, hat Tropos zwischen 2016 und 2019 im Auftrag des Umwelt­bundes­amtes insgesamt vierzig Nichtraucher-Wohnungen in Leipzig und Berlin auf Fein- und Ultrafeinstaub und ihre Quellen untersucht. Parallel zu den Messungen in der Wohnung erfolgten identische Messungen entweder auf dem Balkon, auf der Terrasse oder im Garten. Um Auswirkungen des Straßen­verkehrs beurteilen zu können, befand sich etwa die Hälfte der Wohnungen innerhalb von 150 Metern zu einer verkehrs­reichen Straße. Weitere Wohnungen wurden im städtischen Hintergrund sowie in den Rand­bezirken ausgesucht, um unterschiedliche Qualitäts­stufen der Außenluft abbilden zu können. Für das Forschungs­projekt entwickelte das Team eigens spezielle Messgeräte, um innerhalb und außerhalb der Gebäude hoch­aufgelöste Partikel­anzahl-Größen­verteilungen zu messen. Im Verlauf von zwei Jahren wurde jede der vierzig Wohnungen zweimal mit einer Messdauer von einer Woche in unterschiedlichen Jahreszeiten besucht.

Da angenommen wurde, dass die Aktivitäten der Bewohner großen Einfluss auf die Luft­qualität in der Wohnung haben, wurden sie gebeten, ein digitales Logbuch zu führen, in dem Aktivitäten wie Lüften, Kochen, Kerzen brennen lassen oder Staubsaugen notiert wurden. Insgesamt kamen rund 10.000 Messstunden im Sommer und Winter zusammen. Dies war für die Auswertung von Bedeutung, da Wohnungen je nach Außentemperatur unterschiedlich stark aktiv belüftet werden.

Die Messungen zeigten, dass neunzig Prozent der Anzahl der Partikel in den Wohnungen ultrafein und somit kleiner als 100 Nanometer waren. Überraschend deutlich ließ sich auf Aktivitäten in der Wohnung schließen. Außer beim Abbrennen von Kerzen, wurden auch beim Kochen, Backen und Toasten deutliche Mengen an ultrafeinen Partikeln freigesetzt. Auch in Räumen, die außerhalb von der Küche lagen, waren diese Partikel messbar. 

Zeitlich gesehen war die Anzahl der ultrafeinen Partikel in der Nacht am geringsten, erreichte aber am Abend und am Morgen Spitzenwerte. Besonders im Winter, wenn weniger gelüftet wird, zeigte sich ein sehr deutliches Tagesprofil: „Die Partikelanzahlkonzentration in den Innenräumen weist starke Spitzenwerte um 8:00, 12:00 und 19:00 Uhr auf, was typische Zeiten für Frühstück, Mittagessen und Abendessen sind“, erklärt Jiangyue Zhao vom Tropos, die die Daten im Rahmen ihrer Doktor­arbeit ausgewertet hat. 

Im Sommer waren die Spitzen ultrafeiner Partikel dagegen weniger deutlich ausgeprägt, weil durch offene Fenster mehr aktiv gelüftet wurde. Während die größte Konzentration ultrafeiner Partikel sowohl im Sommer als auch im Winter am Abend gegen 20 Uhr beobachtet wurden, verschob sich die Spitze am Morgen von etwa 8 Uhr im Sommer auf etwa 9 Uhr im Winter. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Menschen durch den späteren Sonnen­aufgang im Winter auch später aktiv werden. 

Alfred Wiedensohler vom Tropos fasst zusammen: „Die rund 500 Messtage ermöglichten uns, ein repräsentatives tages- und jahreszeitliches Schwankungs­muster der Exposition mit feinen und ultrafeinen Partikeln in den Wohnungen zu erhalten sowie die entsprechenden Verhältnisse zwischen Innen- und Außenbereich zu analysieren. Die Konzentrationen von ultrafeinen Partikeln konnten mit den Aktivitäten der Bewohner in Verbindung gebracht werden und zeigten signifikant höhere Konzentrationen und eine größere Variabilität als die Partikelkonzentrationen im Freien auf. Dies deutet darauf hinweist, dass menschliche Aktivitäten die Hauptursache für Konzentration ultrafeine Partikel in Innenräumen sind.“ 

Aus wissenschaftlicher Sicht ist es klar, dass die Exposition mit feinen und ultrafeinen Partikeln in deutschen Wohnungen nicht durch Messungen im Freien beschrieben werden kann. Ein Grund dafür ist, dass die Wohnungen durch moderne Energiesparfenster meist gut isoliert sind und ein Luftaustausch nur kurz durch manuelles Lüften erfolgt. Generell fehle es momentan noch an einer belastbaren Dosis-Wirkungs-Beziehung für ultrafeine Partikel sowohl im Innenraum als auch in der Außenluft. Daraus ergebe sich für die kommenden Jahre der Auftrag an die Wissenschaft, gezielte Studien zur Erforschung der gesundheitlichen Wirkungen von Ultra­feinstaub durchzuführen.

Tropos / DE

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