Seltsames Aussehen von Asteroiden geklärt
Kollisionen für die Diamantform von Ryugu und Bennu verantwortlich.
Bennu und Ryugu sind zwei erdnahe Asteroiden mit einer diamantenähnlichen Form, über deren Entstehung Astronomen sich bislang den Kopf zerbrochen haben. Jetzt zeigen Simulationen eines internationalen Forscherteams, wie die besondere Form zustande kam: Durch Kollisionen. Die Ergebnisse könnten auch helfen, die Vorgänge bei der Entstehung der Erde besser zu verstehen.
Vor rund viereinhalb Milliarden Jahren war die junge Sonne von einer protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub umgeben. Über Jahrtausende hinweg klumpte sich dieser Staub langsam zusammen und bildete immer größere Objekte. Diese kollidierten oft miteinander, manchmal zerschmetterten sie sich gegenseitig. Mit der Zeit jedoch bildeten sich daraus planetarische Bausteine und schließlich die Planeten. Auch heute noch zeugen Krater auf der Oberfläche von Himmelskörpern von diesen Kollisionen. Das gilt auch für Ryugu und Bennu, wie Aufnahmen der japanischen Raumsonde Hayabusa-2, sowie der US-amerikanischen OSIRIS-REx-Mission zeigen. Die beiden Asteroiden waren jedoch möglicherweise nicht nur von Kollisionen betroffen, sondern sind sogar durch solche entstanden.
Die jüngsten Untersuchungen haben nicht nur gezeigt, dass beide Asteroiden in ihrer Form Diamanten ähneln, sondern auch, dass es sich weniger um Einzelobjekte handelt, sondern eher um Aggregate von Felsen, die durch die Schwerkraft zusammengehalten werden. Außerdem scheinen beide Asteroiden große Mengen an Kohlenstoff zu enthalten. Das veranlasste die Forscher zu der Annahme, dass Ryugu und Bennu von größeren Asteroiden abstammen, vielleicht sogar von ein und demselben Objekt.
Dennoch zeigten weitere Beobachtungen, dass die beiden Asteroiden auch Unterschiede aufweisen. Am bemerkenswertesten sind die unterschiedlichen Hydratationswerte: Ryugu scheint trockener zu sein als Bennu. Wenn die beiden Asteroiden tatsächlich vom selben Objekt stammen, wie können dann die unterschiedlichen Hydratationsniveaus erklärt werden, wenn man ihre ausgeprägte Diamantenformen in Betracht zieht?
An dieser Stelle kommen die Computersimulationen ins Spiel. Für die aktuelle Studie hat Martin Jutzi von der Uni Bern die Kollisionen eines potenziellen Mutter-Asteroiden mit anderen Objekten modelliert und berechnet, wie sich dies auf die Dichte der Fragmente auswirken könnte. Mit Hilfe seiner Berechnungen konnte das Team zeigen, dass sich die Kollisionsfragmente wieder zusammensetzen und die Diamantenform bilden können.
Frühere Studien hatten angedeutet, dass die Form auf einen thermischen Effekt zurückzuführen ist, der die Rotationsgeschwindigkeit des Asteroiden beschleunigt und zu einer äquatorwärts gerichteten Verschiebung des Materials führt. Da dieser Effekt jedoch eine lange Zeit benötigt, um die Diamantenform zu erzeugen, wäre es schwierig gewesen, ihn mit den sehr alten Kratern in Einklang zu bringen, die darauf hindeuten, dass die Form schon früh in der Geschichte der Asteroiden entstanden ist. „Wir konnten die These, dass die Form auf thermische Effekte zurückzuführen ist, nun also dank unserer Simulationen widerlegen“, erklärt Jutzi.
Jutzi und seine Kollegen zeigten auch, dass die Fragmente durch die Kollisionen unterschiedlich stark erhitzt werden konnten. „Wir haben die Modelle zur Berechnung des verursachten Temperaturanstiegs verbessert“, so Jutzi. Diese Erwärmung treibt die Verdampfung und den Verlust von Wasser in den Mineralien der Asteroiden an. Die unterschiedliche Erwärmung könnte somit die Unterschiede beim Wasserverlust und den daraus resultierenden Hydratationswerten erklären.
Materialproben aus den beiden Asteroiden-Probenentnahme-Missionen werden es den Forschern ermöglichen, ihre Ergebnisse zu verifizieren. Die JAXA-Mission befindet sich derzeit auf dem Rückweg zur Erde. Wenn alles wie geplant verläuft, wird sie ihre Proben von Ryugu bis Ende des Jahres liefern. Die NASA-Raumsonde wird versuchen, ihre Proben von Bennu im Herbst zu sammeln und dürfte sie in etwas mehr als drei Jahren zur Erde zurückbringen. Die Forscher hoffen, dass die Proben ihnen helfen werden, Ursprung, Entstehung und Entwicklung nicht nur von Ryugu und Bennu besser zu verstehen, wie Martin Jutzi sagt: „Indem wir diese Objekte betrachten, können wir idealerweise auch unser Verständnis dafür verbessern, wie die planetarischen Bausteine entstanden sind, die schließlich die Erde geformt haben.“
U. Bern
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
P. Michel et al.: Collisional Formation of Top-Shaped Asteroids and Implications for the Origins of Ryugu and Bennu, Nat. Comm. 11, 2655 (2020); DOI: 10.1038/s41467-020-16433-z - Theoretical Astrophysics and Planetary Science, Space Research & Planetary Sciences, Physikalisches Institut, Universität Bern, Schweiz
- Mission Hayabus-2, JAXA, Japan
- Mission OSIRIS-Rex, NASA, USA