Sensible Magnetlevitation
Magnetfelder positionieren weiche oder klebrige Objekte berührungslos.
In der automatischen Fertigung müssen Roboter einzelne Bauteile ergreifen, dreidimensional ausrichten und in eine aufzubauende Struktur einfügen. Schwierig wird es, wenn die Bauteile weich, klebrig oder zerbrechlich sind. Hier könnte ein neues berührungsloses Verfahren weiterhelfen, das auf der Magnetlevitation beruht.
Abb.: Versuchsaufbau. Eine ein Zentimeter lange Plastikschraube wird von zwei Scheibenmagneten und einer paramagnetischen Lösung in der Schwebe gehalten. Ein zusätzlicher externer Magnet gibt der Schraube die gewünschte Ausrichtung. (Bild: A. B. Subramaniam et al.)
Forscher um George Whitesides von der Harvard University nutzen Magnetfelder, um kleine nicht- oder diamagnetische Objekte in gewünschter Weise dreidimensional auszurichten. Die Objekte wie Plastikschrauben oder Scheibchen aus Hydrogel wurden dazu in einen Behälter gebracht, der mit einer paramagnetischen Flüssigkeit gefüllt war. Dies war eine wässrige Lösung eines paramagnetischen Salzes wie Manganchlorid. Die Salzkonzentration wurde so gewählt, dass die Lösung und das in ihr befindliche Objekt nahezu dieselbe Dichte hatten.
Der Behälter samt Flüssigkeit und Objekt befand sich zwischen zwei gleichstarken Magneten, die so ausgerichtet wurden, dass zwei gleichnamige Pole einander zugewandt waren. Das resultierende Magnetfeld hatte ein Minimum genau zwischen den beiden Polen und wuchs linear an, je weiter man sich von diesem Minimum entfernte. Flüssigkeit und Objekt stellten sich so ein, dass die magnetische Energie minimal war: Die paramagnetische Flüssigkeit mied die Bereiche geringer Feldstärke, während das Objekt dort zur Ruhe kam.
Die magnetische Levitation hielt das Objekt in der Schwebe, indem sie gemeinsam mit dem durch die Flüssigkeit verursachten Auftrieb der Schwerkraft entgegenwirkte. Doch darüber hinaus gab sie dem Objekt (sofern es nicht kugelförmig war) auch eine Ausrichtung. Diese hing von den Längenverhältnissen des Objektes ab. So richtete sich eine längliche Plastikschraube mit ihrer Längsachse quer zu den Magnetfeldlinien aus, während eine kürzere Schraube parallel zu den Feldlinien lag.
Abb.: Ein vier Millimeter langer asymmetrischer Tropfen, bedeckt mit einer Monolage von Polystyrolteilchen, wird mit einem zusätzlichen Magneten unterschiedlich ausgerichtet. Das dunkle Quadrat deutet die jeweilige Lage des Magneten an. (Bild: A. B. Subramaniam et al.)
Abgesehen von dieser unstetigen Änderung des Orientierungswinkels (die sich aber genau vorhersagen ließ) war die Ausrichtung jedes Objektes eindeutig bestimmt. Indem die Forscher die beiden Magneten zusammen bewegten, konnten sie ein Objekt in der Flüssigkeit drehen und verschieben. So konnten sie das Objekt in gewünschter Weise ausrichten und an seine Zielposition bringen. Wie das Objekt ausgerichtet war, ließ sich auch mit Hilfe eines zusätzlichen Magneten beeinflussen, der in die Nähe des Flüssigkeitsbehälters gebracht wurde.
Insbesondere für weiche und klebrige Objekte ist die berührungslose Ausrichtung durch Magnetfelder von Vorteil. Bei einer mechanischen Kraftübertragung durch einen Greifer kann ein weiches Objekt irreversibel deformiert oder sogar zerstört werden, während ein klebriges an ihm haften bliebe. Das neue Verfahren mit Magnetlevitation gestattete es, weiche und klebrige Scheibchen aus Hydrogelen, wie man sie für biomimetische Anwendung einsetzt, problemlos auszurichten und zu bewegen.
Darüber hinaus ließen sich auch „selbstassemblierte“ Objekte aus diamagnetischen Granulaten und Kolloiden durch Magnetlevitation manipulieren. Die schwachen Kräfte, die diese Objekte zusammenhalten, können zwar gegen die Schwerkraft und die Wärmebewegung ankommen, nicht aber gegen die mechanischen Kräfte, die ein Greifer zur Manipulation ausüben müsste. Eines der von Whitesides und seinen Kollegen manipulierten ultraweichen Objekte bestand aus einem länglichen Perfluordecalin-Tropfen, der mit einer Monolage von ineinander verkeilten 10 Mikrometer großen Polystyrolteilchen bedeckt und dadurch stabilisiert war. Auch dieser Tropfen ließ sich drehen und neu ausrichten, ohne dass er dabei deformiert oder zerstört wurde.
Die Forscher sehen zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für ihr Verfahren der Magnetlevitation, das sich für Objekte mit einer Dichte von 1 bis 3 g/cm3 eignet, die auch nichtmagnetische Metalle enthalten können. So könnte man damit zum Beispiel biomimetische Strukturen und Roboter aus weichen Materialien aufbauen. Durch Verwendung geeigneter paramagnetischer Salze lässt sich das Verfahren biokompatibel machen, sodass man auch lebende Zellen handhaben kann. Indem man nichtwässrige paramagnetische Lösungen verwendet, lassen sich auch feuchtigkeits- und wasserempfindliche Objekte manipulieren.
Rainer Scharf
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