Siliziumkugeln als neuer Kalibrierstandard für das Kilogramm
Extrem dünne Oxidschicht mit homogener Dicke sorgt für geringe Messunsicherheit.
Das Ur-Kilogramm, auf das alle Waagen kalibriert sind, verliert an Gewicht. Internationale Bemühungen streben an, die Basiseinheit der Masse neu zu definieren und künftig auf Naturkonstanten zu beziehen. Um das zu realisieren, führt ein Team der Physikalisch-
Abb.: Die zu beschichtende Siliziumkugel muss wie ein rohes Ei behandelt werden. Rechts im Bild: eine der Dreipunktauflagen. (Bild: Fh.-IST)
Beim Herstellen der Kugeln bildet sich eine natürliche Oxidschicht aus Siliziumdioxid. Diese hat ebenfalls Einfluss auf Masse und Volumen der Siliziumkugeln. Das Problem: Die native Schicht wächst langsam und zum Teil ungleichmäßig. Dadurch lässt sich das tatsächliche Gewicht sowohl der Oxidschicht als auch der Kugel sehr schwer messen. Gefragt ist daher eine alternative, homogene Beschichtung, um Messunsicherheiten zu verringern und Volumen und Masse der Kugel präzise bestimmen zu können.
Forschern des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik ist es gelungen, eine Siliziumkugel mit einer solchen alternativen SiO2-
Als Beschichtungsverfahren wählten die Forscher die Atomlagenabscheidung ALD, Atomic Layer Deposition. Der Vorteil der Methode: Eine reproduzierbare, extrem dünne Oxidschicht mit homogener Dicke kann auf der Kugel aufgebracht werden. Potenzielle Verunreinigungen wie Kohlenstoff oder Stickstoff liegen unterhalb der Nachweisgrenze. Die Rauheit der Schichten bleibt unter einem Nanometer. „Die Rauheit der Kugel wird durch die Beschichtung nicht nennenswert erhöht. Das ist ein Faktor, damit die Messunsicherheit zehn Mikrogramm nicht überschreitet. Ein Fingerabdruck wiegt bereits mehr“, sagt Graumann. Auch der Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle. Der Fertigungsprozess der Kugeln lässt sich durch den Auftrag der alternativen SiO2-
Die am Fraunhofer-IST installierte ALD-Beschichtungsanlage wurde eigens für das Projekt aufwändig angepasst und vorbereitet, so dass alle Arbeiten zur Beschichtung in Reinraumatmosphäre stattfinden konnten. Der Fokus der jahrelangen Forschungsarbeiten lag unter anderem auf der Halterung der Siliziumkugel im Reaktor. Da die Kugel vollflächig beschichtet werden muss, haben sich die Forscher für eine Dreipunktauflage entschieden. „Hier machen wir uns die Wirkungsweise der ALD zunutze: Die gasförmigen Chemikalien diffundieren idealerweise zwischen Kugel und den drei Kontaktflächen der Halterung, die somit ebenfalls beschichtet werden“, so Graumann.
Die Beschichtungen der Siliziumkugel sind beendet, aktuell finden die Messungen an der PTB statt. Die Ergebnisse sollen diesen Sommer vorliegen und auf der Konferenz für Maß und Gewicht im Herbst 2018 vorgestellt werden. Spätestens dann soll das Ur-
Die am Fraunhofer IST entwickelten SiO2-Schichten lassen sich nicht nur auf Kugelsysteme, sondern auf beliebig komplex strukturierte Oberflächen aufbringen. Die Einsatzbereiche sind vielfältig und reichen von optischen Anwendungen über den Halbleiter- und Elektronikbereich bis hin zur Photovoltaik.
FG / RK