21.03.2017

Siliziumzelle mit 26,6 Prozent Wirkungsgrad

Prototyp stellt dank Heteroübergängen und Rückkontakten neuen Rekord auf.

Silizium ist das mit weitem Abstand wichtigste Halbleiter­material für Solarzellen. Besonders die Kosten für die poly­kristalline Variante sanken in den vergangenen Jahre so deutlich, dass heute bereits Solar­kraftwerke photo­voltaisch erzeugten Strom für deutlich unter drei Eurocent pro Kilowatt­stunde liefern können. Für die etwas teurere, monokristalline Zellvariante stellten nun japanische Wissenschaftler mit einem Wirkungs­grad von 26,6 Prozent einen neuen Rekord auf. Wie die Entwickler berichten, nutzten sie für die Fertigung ausschließlich in der Industrie etablierte Methoden. So könnte schon bald mit ersten Solarmodulen mit einer gesteigerten Strom­ausbeute gerechnet werden.

Abb.: Diese Silizium-Solarzelle erreicht dank Rückkontakten und Heteroübergängen einen Rekordwirkungsgrad von 26,6 Prozent. (Bild: Kaneka)

Kunta Yoshikawa und seine Kollegen vom japanischen Solar­unternehmen Kaneka in Osaka optimierten die Lebens­dauer der Ladungs­träger, den Widerstand und die optischen Eigenschaften, um die Strom­ausbeute ihrer Proto­typen zu steigern. Als Ausgangs­material für die etwa 180 Quadrat­zentimeter großen Solar­zellen nutzten sie mono­kristalline, nur 165 Mikrometer dicken Silizium­wafer. Die kristalline Silizium­schicht hüllten sie von beiden Seiten mit dünnen Schichten aus amorphen Silizium ein. Dazu schieden sie aus der Dampf­phase bei Temperaturen von bis zu 260 Grad amorphe, passivierende Silizium­schichten, unterstützt von einem Plasma, ab (PECVD).

So entstanden Heteroübergänge zwischen dem amorphen und kristallinen Halbleiter­material. Dank dieser Sandwich-Struktur ließ sich die unerwünschte Rekombination der Ladungs­träger deutlich reduzieren. Dieser Effekt tritt auf, wenn das Sonnenlicht Elektronen und Elektronen­löcher im Halbleiter­material erzeugt hat und diese sich wieder vereinigen, bevor sie als nutzbarer Strom abgeleitet werden konnten. Im neuen Prototyp gingen nun weniger Ladungs­träger ungenutzt verloren und der Wirkungsgrad stieg an.

Um den Wirkungsgrad noch weiter zu steigern, ordnete Yoshikawa die elektrischen Kontakte ausschließlich auf der Rückseite der Solarzelle an. So konnte einfallendes Sonnenlicht die gesamte Vorderseite beleuchten und zur Strom­erzeugung beitragen. Zusätzlich beschichteten die Forscher die Vorderseite mit einer dielektrischen Anti­reflexions­schicht, um einen größeren Anteil des Sonnenlichts zur Strom­erzeugung verwenden zu können.

Der nun vorgestellte Prototyp erreichte bei Testmessungen im unabhängigen Photo­voltaik-Labor des Fraunhofer Instituts für Solare Energie­systeme in Freiburg einen Wirkungsgrad von 26,3 Prozent. Kurz nach dem Einreichen der Studie gelang sogar noch eine weitere Steigerung auf 26,6 Prozent, die Yoshikawa Anfang April auf der Fachkonferenz „SiliconPV 2017“ in Freiburg präsentieren wird. Die Leerlauf­spannung der Silizium­zelle betrug 0,744 Volt, der zur Charakterisierung wichtige Füllfaktor 83,8 %. Yoshikawa ist davon überzeugt, dass sich mit seinem Ansatz Solarzellen aus kristallinem Silizium noch weiter optimieren lassen, um möglichst nah an das theoretische Wirkungs­grad­maximum von 29,1 Prozent heranzukommen.

In Solarkraftkraftwerken sind monokristalline Silizium­zellen allerdings deutlich seltener verbreitet als die günstigeren Varianten aus poly­kristallinem Silizium. Diese Solarzellen erreichen im Labor nur etwa 21 Prozent Wirkungsgrad. Doch sie könnten in naher Zukunft mit einer zusätzlichen Schicht aus Perowskit – benannt nach einem natürlichen Kalziumtitanat-Mineral mit ähnlicher Kristall­struktur – optimiert werden. Dieses Ziel verfolgt das britische Unternehmen Oxford PV mit einer Pilotfabrik, die derzeit in Brandenburg nahe Berlin aufgebaut wird.

„Wir halten es für durchaus realistisch, dass innerhalb von zwei Jahren erste Module mit etwa 25 Prozent Wirkungsgrad auf den Markt kommen“, sagt Frank Averdung, CEO von Oxford PV. Nicht Perowskit allein soll Sonnenlicht in elektrischen Strom wandeln, sondern im engen Verbund mit einer konventionellen Silizium­zelle. Perowskit ist ein idealer Kandidat für dieses Tandem-Konzept. Denn je nach Zusammen­setzung aus Methyl­ammonium, Metallen wie Blei oder Zinn und Halogeniden wie Brom, Iod oder Chlor lässt sich seine Bandlücke variieren, also an bestimmte Wellenlängen im Sonnen­spektrum anpassen.

Ein Tandem-Prototyp – entwickelt von den britischen Forschern gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie HZB in Berlin – erreichte vor einem Jahr bereits einen Wirkungsgrad von etwa 17 Prozent. Die obere Perowskit-Schicht nutzte das sichtbare Sonnenlicht, die darunter liegende Siliziumzelle den Infrarot-Anteil. „Der Tandem-Ansatz ist sehr logisch“, sagt HZB-Instituts­leiter Bernd Rech. Sollte es so gelingen, den Wirkungsgrad der besten verfügbaren Silizium-Module zu überflügeln, besitze das Produkt Alleinstellungs­merkmale und finde laut Rech sicher Abnehmer.

„Doch Oxford PV wird selbst keine Tandem-Module für den Markt produzieren“, sagt Averdung. Die Brandenburger Pilotfabrik soll allein die technologische Machbarkeit belegen und einige hundert bis mehrere tausend Tandem-Wafer am Tag produzieren. „Danach werden wir unsere Technologie an große Modul­hersteller weitergeben und Lizenzen verkaufen“, umreißt Averdung das Business-Modell. Das Konzept könnte aufgehen, denn mit einem ersten Multimilliarden-Dollar-Hersteller von Silizium­modulen bestehe bereits eine Entwicklungs­kooperation.

Klein ist das Risiko für Oxford PV und seine Investoren nicht. „Für jede neue Solarzell-Technologie ist es trotz signifikanter Kostenvorteile sehr schwierig, kommerziell Fuß zufassen“, sagt Tom White, renommierter Perowskit-Forscher an der Australian National University. „Es wird nicht einfach, mit verfügbaren Silizium-Produkten zu konkurrieren, die bereits sehr hohe Wirkungsgrade erreicht haben“, pflichtet ihm Jao van de Lagemaat, Leiter der Perowskit-Forschung am amerikanischen National Renewable Energy Laboratory in Golden, Colorado, bei. Denn auch wenn Perowskit-Tandem-Zellen das Potenzial für Wirkungsgrade über 30 Prozent bieten, bremst bisher die noch geringe Stabilität der Perowskit-Schichten die Entwicklung langlebiger Prototypen. Mono­kristalline Silizium­zellen nach dem Bauplan von Kunta Yoshikawa hätten diesen Nachteil nicht, wären aber wahrscheinlich in der Herstellung teurer.

Jan Oliver Löfken

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