Simulieren, bis es funkt
Auf der Suche nach geeigneten Materialien für Hochfrequenz-Anwendungen.
Die Leistungsfähigkeit von Hochfrequenzanwendungen wie 5G oder Radar hängt vor allem von den verwendeten Materialien und Verbindungen ab. Um diese zu untersuchen und zu optimieren, wurde am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration in Berlin eine neue Arbeitsgruppe gegründet. Durch die Expertise der Forscher werden Hochfrequenz-Strukturen so aufgebaut, dass eine optimale Wellenübertragung ermöglicht wird.
Am Fraunhofer-IZM werden schon seit über zwanzig Jahren Technologien für Hochfrequenz-Anwendungen entwickelt. Die neue Gruppe unter der Leitung von Oliver Schwanitz untersucht jetzt Hochfrequenzmaterialien und deren Verbindungstechnologien. Ein gewaltiges Spektrum, ist doch die Entscheidung für ein Substratmaterial auch ausschlaggebend dafür, wie viel Leistung transportiert, also auch welche Anwendungen ermöglicht werden.
Die Gruppe ist in wichtige Forschungsvorhaben eingebunden. So entwickelt sie beispielsweise derzeit Millimeterwellen-Module in Verbindung mit anderen Arbeitsgruppen für zukünftige Radaranwendungen im Fahrzeug oder forscht im Projekt 6GKom am nächsten Mobilfunkstandard. Auch Unternehmen aus anderen Gebieten, wie der Chemie- oder Pharmaziebranche fragen Leistungen der Gruppe an, um die elektrischen Werte ihrer Materialien charakterisieren zu lassen.
Im Rahmen ihrer Spezialisierung kann die Gruppe untersuchen, welche Materialien sich eignen, um in HF-Anwendungen zu bestehen, ohne dass es zu Einbußen oder Veränderungen in der Performance kommt. Im Vorfeld von Messungen werden Simulationen erstellt, die den idealen Signalverlauf in der Realität nachstellen. Im Verlauf testen die Forscher Materialien und Verbindungen, so dass die Anwendungen möglichst simulationsnah und verlustarm realisiert werden können.
Das grundlegende Ziel ist es, ein ganzheitliches Verständnis der Einflüsse von Hochfrequenzeigenschaften von Materialien zu gewinnen. Zentral dabei ist, dass die Permittivität und der dielektrische Verlustfaktor eines Materials einen wesentlichen Anteil an der zu erwartenden Performance von HF-Strukturen haben. Um sich in einem höheren Frequenzbereich zu bewegen, wie es für 5G und Radar notwendig ist, müssen genau diese Werte bestimmt werden – nur dann ist zu erwarten, dass das System bei der ausgelegten Frequenz funktioniert und seine entsprechende Performance liefert.
Mit herkömmlichen Multimetern zu messen ist in der Hochfrequenztechnik unmöglich, denn es handelt sich um derart kleine, ortsabhängige Amplituden, dass andere Messtechniken zur Validierung und Verifizierung benötigt werden. Zur Untersuchung von Hochfrequenz-Materialien und deren Verbindungen verwenden die Forscher einen Netzwerkanalysator mit Wafer-Prober, der Teil der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland im Fraunhofer-IZM ist. Damit können die Forscher HF-Strukturen in unterschiedlichsten Temperaturbereichen von -20° C bis 150° C bis zu einer Frequenz von 500 GHz untersuchen.
Durch die Anwendbarkeit für alle HF-Entwicklungen ist die Expertise der Gruppe schon in vielen Projekten gefragt – doch es gibt auch eigene Zukunftspläne. „Mein Wunsch ist es, auch in Richtung Materialentwicklung zu gehen“, so Schwanitz. „Insbesondere sind für uns Metamaterialien interessant, deren elektrische Eigenschaften natürlicherweise nicht vorkommen. Damit können besondere Eigenschaften geschaffen werden, wie wesentlich geringere Verlusteigenschaften bei steigender Temperatur. Noch sind das jedoch absolute Zukunftsbereiche, und um diese zu erreichen bzw. industriereif zu machen, muss eine Transformation vom theoretischen Forschungsvehikel zum konkreten und funktionierenden Prototypen erfolgen.“
Erst einmal legt die Gruppe ihren Fokus auf bestehende Projekte und trägt durch Materialcharakterisierung und das Designen von Interconnects maßgeblich dazu bei, dass innovative Hochfrequenzanwendungen verwirklicht werden. Eines der wesentlichen Vorhaben ist dabei das Projekt 6GKom der Förderrichtlinie ForMikro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. In diesem Projekt wird mit anderen Projektpartnern ein Modul entwickelt, welches für die kommende 6. Mobilfunkgeneration vorgesehen ist. „Das mag zwar kurios klingen“, so Schwanitz, „da der 5G Mobilfunkausbau in Deutschland gerade erst begonnen hat, jedoch ist es essentiell für den Forschungsstandort Deutschland, hier nicht den internationalen Anschluss zu verlieren.“
Fh.-IZM / RK
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