17.08.2018

Simulierte Antiskyrmionen

Neue Ergebnisse könnten einen Hinweis für das Materie-Antimaterie-Rätsel liefern.

Skyrmionen sind magne­tische Nano­partikel, die als vielver­sprechende Kandidaten für neue Techno­logien zur Daten­speicherung und Informations­verarbeitung gelten. Physiker haben nun ein neues Verhalten entdeckt, an dem die Anti­teilchen von Skyrmionen in einem ferro­magnetischen Material beteiligt sind. Die Erkennt­nisse basieren auf mondernsten Computer­simulationen, mit denen sich die magne­tischen Eigen­schaften von Materialien, die nur wenige Nanometer dick sind, sehr genau nachbilden lassen. An der Forschungs­arbeit waren Wissen­schaftler der Uni­versität Uppsala, der Christian-Albrechts-Univer­sität zu Kiel, der Johannes Gutenberg-Univer­sität Mainz JGU und der Univer­sität Paris-Saclay beteiligt.

Abb.: Materie und Antimaterie im magnetischen Nanokosmos: Ein Gas aus Skyrmionen (lila) und Antiskyrmionen (grün), das aus den trochoidalen Bewegungen eines einzigen Antiskyrmions entstanden ist. (Bild: Joo-Von Kim)

Die Bewegung von Elektronen in Schalt­kreisen bildet die Grundlage für nützliche Anwen­dungen in der Elektronik. Aber gelten die Leitsätze auch für Positronen, die Anti­teilchen der Elektronen? Abgesehen von dem seltenen natür­lichen Vorkommen der Anti­teilchen legen die Grundlagen der Elektro­dynamik nahe, dass bei positiver Ladung im Prinzip alles genauso verläuft wie bei den negativ geladenen Elektronen, nur mit anderem Vorzeichen. Ob sich Skyrmionen als magne­tische Nano­teilchen ähnlich verhalten, ist bisher nicht geklärt.

Die Wirbel in magne­tischen Materialien breiten sich über wenige Nano­meter aus und sind in extrem dünnen magne­tischen Filmen zu finden. So wie Kugeln und Kreisringe verschiedene Topo­logien aufweisen, besitzen auch Skyrmionen eine bestimmte Eigenschaft, die topo­logische Ladung, die eine ähnliche Rolle spielt wie elek­trische Ladungen. Wenn beispiels­weise eine angelegte Kraft die Skyrmionen nach links ablenkt, dann würde dieselbe Kraft Antiskyrmionen nach rechts ablenken. Seit den ersten experi­mentellen Beo­bachtungen im Jahr 2009 stehen Skyrmionen im Fokus inten­siver Forschungen, weil sie neue Möglich­keiten der Daten­speicherung und Informations­verarbeitung eröffnen.

Jetzt haben die Wissen­schaftler gezeigt, dass in Ferromagnet-Nano­schichten, in denen sowohl Skyrmionen als auch Anti­skyrmionen vorhanden sind, noch weitaus komplexere Phänomene auftreten können. Sie verwendeten modernste Simulations­techniken, um die magne­tischen Eigen­schaften und die Dynamiken in solchen Filmen zu berechnen, und unter­suchten damit, wie Skyrmionen und Anti­skyrmionen sich verhalten, wenn elek­trische Ströme angelegt werden, die eine Kraft auf die Teilchen ausüben. Bei niedrigen Strömen zeigt sich das erwartete Verhalten: Entgegen­gesetzte topo­logische Ladungen werden durch die gleiche Kraft in entgegen­gesetzte Richtungen abgelenkt. Wird der Strom allerdings schrittweise erhöht, sind die Bewegungen nicht mehr spiegel­verkehrt. Während sich Skyrmionen weiterhin geradlinig bewegen, nehmen Anti­skyrmionen gekrümmte Bewegungs­bahnen an, zunächst nur kurz­zeitig, dann bei einer weiteren Erhöhung des elek­trischen Stroms permanent. Die Bahn ähnelt dann der Bahn von Trochoiden, ver­gleichbar mit der Kurve des Pedals an einem Fahrrad, das auf einem geraden Weg entlang­fährt. Diese auffäl­ligen Ergeb­nisse zeigen, dass sich entgegen­gesetzte topo­logische Ladungen tat­sächlich sehr unter­schiedlich verhalten können.

Aber es gab noch weitere Über­raschungen. Bei einer Erhöhung der Energie, die durch die angelegten Ströme ins System eingebracht wird, kann die trochoidale Bewegung dazu führen, dass sich periodisch Skyrmion-Anti­skyrmion-Paare bilden. Wegen ihrer unter­schiedlichen Bewe­gungsart entfernen sich die ent­standenen Skyrmionen, während Anti­skyrmionen mit ihrer trochoidalen Bewegung eher in dem Bereich verbleiben, in dem sie erzeugt wurden. Bemerkens­werterweise wird jedes erzeugte Anti­skyrmion zu einer neuen Quelle von Skyrmion-Anti­skyrmion-Paaren, was zu einer Vermehrung der Partikel führt. „Es ist in etwa so, als ob wir ein einziges Positron durch ein starkes Magnet­feld schicken und dadurch ein Gas von Elektronen und Positronen erhalten würden“, erklärt Bertrand Dupé von der Inter­disciplinary Spintronics Research Group an der Univer­sität Mainz.

Die Tragweite dieser theo­retischen Arbeit ist möglicher­weise sehr weitreichend. Im Hinblick auf künftige Techno­logien legt die Studie nahe, dass Anti­skyrmionen als eine stetige Quelle für Skyrmionen dienen könnten. Dies wäre für alle künftigen Anwen­dungen, die Skyrmionen zur Übertragung und Speicherung von Daten verwenden, von ent­scheidender Bedeutung. Darüber hinaus bestimmt die trochoidale Bewegung die absolute Geschwin­digkeits­begrenzung solcher topo­logischen Ladungen – ein wich­tiger Parameter, falls in Zukunft Schalt­kreise mit Hilfe von Skyrmionen entwickelt werden.

Auf einer noch grund­legenderen Ebene könnte die Arbeit Hinweise geben, um ein großes Rätsel der Kosmo­logie zu lösen, nämlich die Frage, warum es im Uni­versum mehr Materie als Antimaterie gibt. Wegen der Asymmetrie in der Bewegung von Skyrmionen und Anti­skyrmionen zeigen die Simu­lationen, dass es nach der Erzeugung von Paaren immer einen Überschuss an Skyrmionen gibt. Das Ungleich­gewicht zwischen Materie und Anti­materie in diesen ferro­magnetischen Filmen ist also eine natürliche Folge ihrer Dynamik bei hohen Energien. „Zumindest im magne­tischen Nanokosmos kann Materie auf natür­liche Weise aus einem einzigen Anti­teilchen entstehen“, merkt Dupé an.

JGU / JOL

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