Simulierte Photosynthese
Ein 136 Millionen Atome umfassendes Modell offenbart natürliche Photosynthese-Prozesse im Detail.
Die Umwandlung von Sonnenlicht in chemische Energie ist für das Leben unerlässlich. In einer der größten Simulationen eines Biosystems weltweit haben Wissenschaftler diesen komplexen Prozess an einem Bestandteil eines Bakteriums nachgeahmt – am Computer, Atom um Atom. Die Arbeit ist ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis der Photosynthese in einigen biologischen Strukturen. An der internationalen Forschungskooperation unter Leitung der University of Illinois war auch ein Team der Jacobs University Bremen beteiligt.
Das Projekt geht zurück auf eine Initiative des inzwischen verstorbenen, deutsch-US-amerikanischen Physikprofessors Klaus Schulten von der University of Illinois, der daran forschte, atomare Wechselwirkungen lebender Systeme zu verstehen und darzustellen. Seine Arbeitsgruppe modellierte das Chromatophor, so heißt ein Licht absorbierender Teil einer Zelle, das chemische Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) ausschüttet. Diese Chromatophoren findet sich in pflanzlichen Zellen aber auch in manchen Bakterien. „Sie wirken wie eine Solarzelle der Zelle. Mit ihren Antennenkomplexen nehmen sie das Licht auf und schütten Energie in Form von ATP für alle anderen Aktivitäten der Zelle wieder aus“, sagt Ulrich Kleinekathöfer. Der Professor für theoretische Physik an der Jacobs University hat gemeinsam mit seiner Doktorandin Ilaria Mallus an dem Projekt mitgewirkt. Auf Basis der Daten der amerikanischen Kollegen führten sie quantenmechanische Berechnungen für das Modell durch.
Um herauszufinden, wie dieses System funktioniert, sezierte die Forschergruppe das Chromatophor mit großem Aufwand, von Laborexperimenten über Rasterkraftmikroskopie bis hin zu Computersimulationen. Alle Teile wurden in dem 136 Millionen Atome umfassenden Modell, das sich wie sein Gegenstück in der Natur verhält, wieder zusammengesetzt. Möglich war das nur mithilfe von enorm leistungsfähigen Supercomputern. „Standardsimulationen arbeiten mit etwa 100.000 Atomen, dieses Modell ist um einen Faktor 1.000 größer, es ist ein Vorstoß in neue Dimensionen“ sagt Kleinekathöfer.
Bislang konnten Forscher normalerweise nur einzelne Proteine simulieren. Das Modell zeigt das Wechselspiel sehr vieler Proteine über die gesamte Prozesskette, von der Lichtabsorption bis zur Herstellung von ATP. „Irgendwann werden wir es schaffen ein ganzes Bakterium oder eine ganze Zelle zu simulieren“, glaubt Kleinekathöfer. „Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung auf dieses Ziel.“
Jacobs U. Bremen / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Singharoy et al.: Atoms to Phenotypes: Molecular Design Principles of Cellular Energy Metabolism, Cell 179, 1098 (2019); DOI: 10.1016/j.cell.2019.10.021 - Computational Physics and Biophysics Group (U. Kleinkathöfer), Jacobs University Bremen
- Dept. of Physics, NSF Center for the Physics of Living Cells, University of Illinois at Urbana-Champaign, Urbana, USA