Simulierte Sternbildung
Sterngeburten werden von der Menge an Gas in einer Galaxie bestimmt.
Sterne werden in dichten Wolken aus molekularem Wasserstoffgas geboren, das den interstellaren Raum der meisten Galaxien durchdringt. In den letzten Jahren hat sich das physikalische Verständnis dieses komplexen Prozesses erheblich verbessert. Was allerdings letztendlich der Auslöser für die Sternbildung in den Galaxien ist, bleibt dennoch eine offene Frage. Im Prinzip beeinflussen zwei Hauptfaktoren die Entstehung von Sternen: die Menge des in den Galaxien verfügbaren molekularen Gases und die Geschwindigkeit, mit der vorhandenes interstellares Gas in Sterne umgewandelt wird. Eine genaue Bestimmung dieser Hauptfaktoren, das Ziel zahlreicher Beobachtungen, ist daher von enormer Bedeutung. Allerdings stellt die Analyse dieser Beobachtungen einige Herausforderungen und gegenwärtige Studien weisen widersprüchliche Ergebnisse auf. Das liegt auch daran, dass sich Gasmassen in vielen Galaxien angesichts der derzeitigen Nachweisgrenzen nicht zuverlässig messen lassen.
In einer Studie des Instituts für Computergestützte Wissenschaften der Universität Zürich wurde nun ein neuer Ansatz gewählt: Die statistische Methode, die auf der Bayes'schen Modellierung basiert, kann Galaxien mit nicht erfassten Mengen an molekularem oder atomarem Wasserstoff korrekt und ohne Verzerrung der Daten in die Analyse einbeziehen. Das Ergebnis zeigt, dass molekulares und atomares Gas in typischen Galaxien innerhalb von ein beziehungsweise zehn ;Milliarden Jahren für die Sternentstehung aufgebraucht wird. Bei extrem aktiven Galaxien – den Starburst-Galaxien – werden dagegen viel kürzere Zeitskalen festgestellt.
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Entstehung von Sternen tatsächlich direkt von der insgesamt vorhandenen Gasmasse abhängt. Sterngeburten werden also von der Menge an Gas bestimmt, welche aus verschiedenen kosmischen Entfernungen in die Galaxie eintritt oder sie verlässt“, sagt Robert Feldmann vom Zentrum für Theoretische Astrophysik und Kosmologie der Universität Zürich. Die um ein Vielfaches höhere Aktivität in Starbursts dagegen scheint einen anderen physikalischen Ursprung wie etwa intergalaktische Wechselwirkungen oder Instabilitäten in galaktischen Scheiben, zu haben.
Die vorliegende Analyse basiert auf Beobachtungsdaten von nahen Galaxien. Der Gasgehalt in weit entfernten Galaxien quer durch die kosmische Geschichte könnte mit dem Atacama-Large-Millimeter/Submillimeter-Array, dem Square-Kilometer-Array und anderen Observatorien untersucht werden. Daher ist es entscheidend, weitere statistische und datenwissenschaftliche Methoden zu entwickeln, um die physikalischen Prozesse in entfernten Galaxien exakt abbilden zu können. „Nur so werden die Geheimnisse der Entstehung von Sternen vollständig aufgedeckt“, sagt Feldmann.
U. Zürich / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
R. Feldmann: The link between star formation and gas in nearby galaxies, Commun. Phys. 3, 226 (2020); DOI: 10.1038/s42005-020-00493-0 - Zentrum für Theoretische Astrophysik und Kosmologie (R. Feldmann), Universität Zürich