Sind Naturkonstanten wirklich konstant?
Manchen Stringtheorien zufolge sind die Naturkonstanten nicht völlig konstant – neue Messungen mit hochgenauen Atomuhren liefern dafür aber keine Hinweise.
Eine Naturkonstante sollte immer den gleichen Wert besitzen, unabhängig davon, zu welcher Zeit oder an welchem Ort sie bestimmt wird. Auch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie nutzt diese grundlegende Annahme, die als lokale Positionsinvarianz, kurz LPI, bezeichnet wird. Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt konnten jetzt die Gültigkeit der LPI mit einem deutlich verbesserten experimentellen Test untermauern. Motiviert sind ihre Untersuchungen durch moderne Stringtheorien, die LPI-Verletzungen, zum Beispiel zeitlichen Variationen von Naturkonstanten, vorhersagen. Bei ihrer Suche nach einer experimentellen Bestätigung solcher neuen Physik nutzten die Forscher der PTB den Vergleich ihrer hochgenauen Atomuhren und konnten Ergebnisse früherer Experimente bis zu zwanzigfach verbessern.
Wichtige Naturkonstanten sind die Feinstrukturkonstante α, die die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung beschreibt, und das Massenverhältnis von Proton und Elektron µ. Diese Größen gehen in den Aufbau aller Atome und Moleküle ein. Sie beeinflussen die atomaren Energieskalen und damit auch Energieunterschiede zwischen atomaren Zuständen, die in Atomuhren als Referenzfrequenz genutzt werden. Die Empfindlichkeit der Energieunterschiede gegenüber den Naturkonstanten hängt stark vom jeweiligen atomaren System ab. So verändert sich die Frequenz der Cäsium-Uhr, mit der die Basiseinheit der Zeit Sekunde realisiert wird, bei einer Variation von µ und von α. Frequenzen optischer Atomuhren zeigen keine Abhängigkeit von µ, können aber zur Detektion von α-Variationen genutzt werden.
Besonders geeignet hierfür ist das Ytterbium-Ion, das zwei optische Referenzübergänge mit stark unterschiedlicher Abhängigkeit von α besitzt. Ein kombinierter Vergleich von Ytterbium- und Cäsium-Uhren erlaubt somit eine Suche nach Veränderungen sowohl von α als auch von µ. Diesem Ansatz folgend verglichen Forscher der PTB ihre hochgenauen Atomuhren über einen Zeitraum von mehreren Jahren und stellten fest, dass Änderungen im Wert von α pro Jahr höchstens ab der 21. Nachkommastelle auftreten können.
Das ist die erste signifikante Verbesserung der Grenze einer möglichen zeitlichen Variation von α seit über zwölf Jahren, mit einer um den Faktor 20 höheren Genauigkeit. Für Änderungen von µ wurde das bisherige Limit um den Faktor 2 verbessert. Neben der Einschränkung einer potenziellen zeitlichen Veränderung begrenzen die Daten ebenfalls eine mögliche räumliche Abhängigkeit der Naturkonstanten vom Gravitationspotenzial der Sonne auf der Erdumlaufbahn.
Im Rahmen der Messungen wurde außerdem die Frequenz einer der beiden Ytterbium-Uhren mit höchster Präzision bestimmt. Die bei 642×10¹² Hz liegende Frequenz wurde mit einer Genauigkeit von 0,08 Hz ermittelt und stellt die bisher genaueste Messung einer optischen Frequenz mit Cäsium-Uhren dar.
PTB / RK
Weitere Infos
Originalveröffentlichung
- R. Lange et al.: Improved Limits for Violations of Local Position Invariance from Atomic Clock Comparisons, Phys. Rev. Lett. 126, 011102 (2021); DOI: 10.1103/PhysRevLett.126.011102
- AG Optische Uhren mit gespeicherten Ionen, Abt. Optik, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig