13.02.2009

Skyrmionen im Spingitter

In bestimmten magnetischen Materialien zeigen die Elektronenspins ungewöhnliche topologische Ordnung

In bestimmten magnetischen Materialien zeigen die Elektronenspins ungewöhnliche topologische Ordnung.  

Topologische Effekte werden in der Festkörperphysik immer wichtiger. So lassen sich zwei elektronische Quantenzustände nicht kontinuierlich ineinander umwandeln, wenn sie topologisch nicht äquivalent sind. (Ein Reifen etwa ist topologisch äquivalent zu einer Henkeltasse, nicht jedoch zu einer Kugel.) Dadurch werden ungewöhnliche Zustände stabilisiert. Beim Quanten-Hall-Effekt unterscheiden sich die nichtleitenden Elektronenzustände im Probeninnern von den eindimensionalen, elektrisch leitenden Zuständen am Probenrand durch ihre Topologie. Dazu müssen die Elektronen einem Magnetfeld ausgesetzt sein. Das braucht kein äußeres Feld zu sein, wie beim Quanten-Hall-Effekt. Es kann auch das Magnetfeld sein, das relativistische Elektronen in einem elektrischen Feld verspüren. Dieses Magnetfeld liegt der Spin-Bahn-Kopplung zugrunde und führt zu neuartigen topologischen Effekten, die gegenwärtig intensiv untersucht werden. Zwei Forschergruppen haben jetzt neuartige Anordnungen der Elektronspins in Kristallen entdeckt.  


Abb.: Grafische Darstellung der Struktur der Wirbelfäden an der Oberfläche von Mangansilizium. Sebastian Mühlbauer und seine Kollegen machten diese mit Neutronen zum ersten Mal sichtbar. (Bild: TUM)

Die Spin-Bahn-Kopplung lässt die Elektronenspins kreiseln. Im Mangansilizid (MnSi) führt dies dazu, dass sich die Spins unterhalb von 29,5 K zu einem Schraubenmuster anordnen. Dabei vollführt die Spinrichtung eine volle Drehung wenn man sich um 19 nm entlang der Schraubenachse bewegt. Da die Abstände der Atome nur etwa 0,5 nm betragen, sind die magnetischen und die atomaren Strukturen von einander unabhängig. Bringt man einen MnSi-Kristall in ein äußeres Magnetfeld, so richtet es die Spins teilweise aus und die Schraubenstruktur wird deformiert. Doch bei etwa 0,1 Tesla tritt ein diskontinuierlicher Übergang zu einer „A-Phase“ auf. Es entsteht eine neue magnetische Struktur, die den Wissenschaftlern bisher Rätsel aufgegeben hatte. Christian Pfleiderer von der Technischen Universität München und seine Kollegen haben diese Struktur jetzt aufgeklärt – mit überraschendem Ergebnis.  

Die Forscher haben die magnetische Struktur von zwei kristallinen MnSi-Proben mit Neutronenstrahlung untersucht. Dabei fanden sie für die A-Phase immer wieder ein sechszähliges Beugungsmuster, ganz gleich wie das Magnetfeld zum Kristall ausgerichtet war. Die entstandene magnetische Struktur war demnach unabhängig von der Kristallstruktur und wies eine hexagonale Symmetrie auf. Zunächst noch unbekannte magnetische Objekte hatten sich in Ebenen, die senkrecht zum Magnetfeld standen, in einem Bienenwabenmuster angeordnet. Eine genauere Untersuchung zeigte, dass es sich dabei um sogenannte Skyrmionen handelte, topologische Anregungen, die auf Untersuchungen des britischen Physiker Tony Skyrme aus den 1960er Jahren zurückgehen. In den magnetischen Skyrmionen waren die Spinrichtungen so verknotet, dass sie sich nur unter großem Energieaufwand entknoten ließen. Dies machte die Skyrmionen zu (meta-)stabilen Objekten, die sich wie Atome verhielten und in einem regelmäßigen Muster anordneten.  

Topologische Anregungen, die von der Spin-Bahn-Kopplung hervorgerufen wurden und den Skyrmionen ähnelten, traten auch in kristallinem Wismutantimonid (Bi1-xSbx) auf. Das berichten Zahid Hasan von der Princeton University und seine Kollegen. Doch schon der elektronische Grundzustand des Kristalls, der diese Anregungen trug, hatte eine bemerkenswerte Struktur. Es handelte sich um einen topologischen Bandlückenisolator, dessen Elektronen miteinander auf komplizierte Weise verschränkt waren. Verschränkte Zustände sind normalerweise sehr störungsanfällig, doch in Wismutantimonid wird die kollektive Verschränkung topologisch stabilisiert: Sie kann sich wie ein Knoten oder ein Skyrmion nicht einfach auflösen.  

Auf der Oberfläche eines solchen toplogischen Bandlückenisolators sollten, der Theorie zufolge, elektronische Zustände auftreten, die die Bandlücke füllen und die Oberfläche zu einem besonderen Metall machen. Die Elektronenspins in dieser metallischen Oberfläche waren zu Strukturen geordnet, die den Skyrmionen in der A-Phase des Mangansilizids ähnelten. Das konnten Hasan und seine Kollegen mit spin- und winkelaufgelöster Photoemissionsspektroskopie zeigen. Allerdings traten die topologischen Anregungen der Spins in der Oberfläche nicht direkt im Ortsraum auf sondern im zweidimensionalen Impulsraum der Oberflächenelektronen. Die verschiedenen, topologisch stabilisierten Anregungen geben den untersuchten Materialien nicht nur ungewöhnliche elektrische und spin-magnetische Eigenschaften. Sie könnten auch dazu genutzt werden, komplexe verschränkte Zustände zu stabilisieren, wie man sie bei der Quanteninformationsverarbeitung benötigt.

RAINER SCHARF  


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