Social Distancing im Nanokosmos
Erstmalig Bewegung von Elektronen von einer atomar dünnen Schicht in eine andere mit Nanometer-Auflösung beobachtet.
Nanotechnologie ist bereits fester Bestandteil moderner Elektronik in unseren Computern, Smartphones oder im Auto. Strukturgrößen elektronischer Bauteile, wie Transistoren oder Dioden, bewegen sich längst im Nanometerbereich. Konventionelle Lichtmikroskope reichen nicht aus, um solche Bauteile zu inspizieren. Um innovative Nanotechnologie der Zukunft zu entwickeln, werden in der Wissenschaft deshalb viel aufwändigere Mikroskope, wie Elektronen- oder Raster-Tunnel-Mikroskope, eingesetzt. Allerdings können die zur Detektion verwendeten Elektronen das zu untersuchende System selbst stark beeinflussen. Zudem sind wichtige Verfahren auf die Messung elektrisch leitfähiger Proben beschränkt.
Ein internationales Forscherteam um Rupert Huber und Jaroslav Fabian von der Universität Regensburg hat jetzt eine neue Methode vorgestellt, welche Elektronenbewegung auf der Nanometerskala nicht nur kontaktfrei auflösen und damit auch isolierende Proben untersuchen kann. Die Methode erreicht zudem eine sehr hohe Zeitauflösung von Femtosekunden. Sie kann damit mikroskopische Zeitlupenfilme von ultraschneller Elektronenbewegung auf der Nanoskala aufzeichnen.
Das Verfahren funktioniert ähnlich dem kontaktlosen Bezahlen. Auf der Makroskala sind dafür standardisierte Frequenzen und Protokolle etabliert. Die Forscher übertrugen diese Idee auf die Nanoskala. Dazu verwendeten sie eine scharfe Metallspitze als Nano-Antenne, die sie in die Nähe der zu untersuchenden Struktur brachten. Im Gegensatz zu existierenden Methoden, in denen über scharfe Spitzen Strom durch die Probe getrieben wurde, tastet im neuen Verfahren ein schwaches elektromagnetisches Wechselfeld die Probe kontaktfrei ab.
Die verwendete Frequenz liegt hierbei im Terahertz-Bereich. Kleinste Änderungen in den schwachen elektrischen Feldern erlauben dann präzise Rückschlüsse auf die lokale Elektronenbewegung im Material. Eine realistische Quantentheorie zeigt, dass dieses Verfahren auch quantitative Aussagen ermöglicht. Um zudem hohe Zeitauflösung zu erreichen, benutzten die Wissenschaftler extrem kurze Lichtblitze, mit denen scharfe Schnappschüsse der Bewegung von Elektronen über Nanometer-Distanzen gemacht werden können.
Als erstes Untersuchungsobjekt wählte das Team eine Probe aus einer neuen Klasse von schichtartig gewachsenen Festkörpern, Dichalkogeniden, die in atomar dünnen Lagen hergestellt werden können. Wenn solche Schichten unter frei wählbaren Winkeln aufeinandergestapelt werden, entstehen künstliche Festkörper mit ganz neuartigen Materialeigenschaften. In der untersuchten Probe wurden zwei unterschiedliche atomar dünne Dichalkogenide gestapelt, um das Herzstück einer futuristischen Solarzelle zu testen. Wenn diese Struktur mit grünem Licht bestrahlt wird, bilden sich Ladungsträger, die je nach Polarität entweder in eine oder in die andere Richtung wandern – das Grundprinzip von Solarzellen, wo Licht in Strom umgewandelt wird.
Die ultraschnelle Separation der Ladungsträger in die beiden Schichten konnten die Forscher sowohl in der Zeit als auch räumlich mit Nanometer-Auflösung beobachten. Zu ihrer Überraschung entdeckten sie, dass Ladungstrennung selbst dann noch zuverlässig funktioniert, wenn die Festkörperschichten sich wie ein Miniteppich über winzige Verunreinigungen auf dem Substrat legen – wichtige Einsichten, um diese neuen Materialien für ihren zukünftigen Einsatz als Solarzellen oder Computerchips fit zu machen.
„Als nächstes wollen wir uns weitere faszinierende Ladungstransferprozesse in Isolatoren, leitenden und sogar supraleitenden Materialien vornehmen“ erklärt Markus Plankl von der Uni Regensburg. Huber ergänzt: „Das neue Verfahren kommt genau zur richtigen Zeit. Neben künstlichen Nanostrukturen aus der Physik könnten nun auch bislang unzugängliche Quantenvorgänge in biologischen Systemen visualisiert werden.“
U. Regensburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Plankl et al.: Subcycle contact-free nanoscopy of ultrafast interlayer transport in atomically thin heterostructures, Nat. Photonics, online 13. Mai 2021; DOI: 10.1038/s41566-021-00813-y - Regensburg Center for Ultrafast Nanoscopy, Universität Regensburg