17.05.2021 • PhotonikMaterialwissenschaften

Social Distancing im Nanokosmos

Erstmalig Bewegung von Elektronen von einer atomar dünnen Schicht in eine andere mit Nanometer-Auflösung beobachtet.

Nanotechnologie ist bereits fester Bestand­teil moderner Elektronik in unseren Computern, Smart­phones oder im Auto. Struktur­größen elektro­nischer Bauteile, wie Transis­toren oder Dioden, bewegen sich längst im Nano­meter­bereich. Konven­tio­nelle Licht­mikro­skope reichen nicht aus, um solche Bauteile zu inspi­zieren. Um inno­vative Nano­techno­logie der Zukunft zu entwickeln, werden in der Wissen­schaft deshalb viel auf­wändigere Mikro­skope, wie Elektronen- oder Raster-Tunnel-Mikro­skope, einge­setzt. Aller­dings können die zur Detektion verwendeten Elektronen das zu unter­suchende System selbst stark beein­flussen. Zudem sind wichtige Verfahren auf die Messung elektrisch leit­fähiger Proben beschränkt.

Abb.: Interlagen-Exzitonen (gläserne Ellipsoide), die sich bilden können,...
Abb.: Interlagen-Exzitonen (gläserne Ellipsoide), die sich bilden können, wenn Elek­tronen und Löcher (rote und blaue Kugeln) zwischen optisch an­ge­regten atomar dünnen Fest­körper­schichten (obere und untere Lage) ge­trennt werden. (Bild: M. Plankl, U. Regens­burg)

Ein internationales Forscherteam um Rupert Huber und Jaroslav Fabian von der Universität Regensburg hat jetzt eine neue Methode vorgestellt, welche Elektronen­bewegung auf der Nano­meter­skala nicht nur kontakt­frei auflösen und damit auch isolierende Proben unter­suchen kann. Die Methode erreicht zudem eine sehr hohe Zeit­auf­lösung von Femto­sekunden. Sie kann damit mikro­skopische Zeit­lupen­filme von ultra­schneller Elektronen­bewegung auf der Nano­skala auf­zeichnen.

Das Verfahren funktioniert ähnlich dem kontakt­losen Bezahlen. Auf der Makro­skala sind dafür standardi­sierte Frequenzen und Protokolle etabliert. Die Forscher über­trugen diese Idee auf die Nanoskala. Dazu verwendeten sie eine scharfe Metall­spitze als Nano-Antenne, die sie in die Nähe der zu unter­suchenden Struktur brachten. Im Gegensatz zu existie­renden Methoden, in denen über scharfe Spitzen Strom durch die Probe getrieben wurde, tastet im neuen Verfahren ein schwaches elektro­magne­tisches Wechsel­feld die Probe kontakt­frei ab.

Die verwendete Frequenz liegt hierbei im Terahertz-Bereich. Kleinste Änderungen in den schwachen elektrischen Feldern erlauben dann präzise Rück­schlüsse auf die lokale Elektronen­bewegung im Material. Eine realis­tische Quanten­theorie zeigt, dass dieses Verfahren auch quanti­tative Aussagen ermöglicht. Um zudem hohe Zeit­auf­lösung zu erreichen, benutzten die Wissen­schaftler extrem kurze Licht­blitze, mit denen scharfe Schnapp­schüsse der Bewegung von Elektronen über Nanometer-Distanzen gemacht werden können.

Als erstes Untersuchungs­objekt wählte das Team eine Probe aus einer neuen Klasse von schicht­artig gewachsenen Fest­körpern, Dichal­ko­geniden, die in atomar dünnen Lagen herge­stellt werden können. Wenn solche Schichten unter frei wählbaren Winkeln aufein­ander­gestapelt werden, entstehen künstliche Festkörper mit ganz neuartigen Material­eigen­schaften. In der unter­suchten Probe wurden zwei unter­schied­liche atomar dünne Dichal­ko­genide gestapelt, um das Herzstück einer futuris­tischen Solar­zelle zu testen. Wenn diese Struktur mit grünem Licht bestrahlt wird, bilden sich Ladungs­träger, die je nach Polarität entweder in eine oder in die andere Richtung wandern – das Grund­prinzip von Solar­zellen, wo Licht in Strom umgewandelt wird.

Die ultraschnelle Separation der Ladungs­träger in die beiden Schichten konnten die Forscher sowohl in der Zeit als auch räumlich mit Nanometer-Auflösung beobachten. Zu ihrer Über­raschung entdeckten sie, dass Ladungs­trennung selbst dann noch zuverlässig funktioniert, wenn die Fest­körper­schichten sich wie ein Mini­teppich über winzige Verun­reini­gungen auf dem Substrat legen – wichtige Einsichten, um diese neuen Materialien für ihren zukünftigen Einsatz als Solar­zellen oder Computer­chips fit zu machen.

„Als nächstes wollen wir uns weitere faszinierende Ladungs­transfer­prozesse in Isolatoren, leitenden und sogar supra­leitenden Materi­alien vornehmen“ erklärt Markus Plankl von der Uni Regensburg. Huber ergänzt: „Das neue Verfahren kommt genau zur richtigen Zeit. Neben künst­lichen Nano­strukturen aus der Physik könnten nun auch bislang unzu­gäng­liche Quanten­vorgänge in biolo­gischen Systemen visuali­siert werden.“

U. Regensburg / RK

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