SOFIA hebt wieder ab
Nach der Generalüberholung und Querelen über die Finanzierung steht für das fliegende Infrarotobservatorium nun wieder die Wissenschaft im Vordergrund.
Am Ende eines turbulenten Jahrs haben die Verantwortlichen für das „Stratosphären Observatorium für Infrarot Astronomie“ (SOFIA) nun wieder allen Grund zur Freude: Ende November wurde eine aufwändige Flugzeuginspektion der umgebauten Boeing 747-SP bei Lufthansa Technik in Hamburg abgeschlossen. Nur wenige Tage davor dokumentierte eine Veröffentlichung in „Nature“ die besonderen Beobachtungsmöglichkeiten dieses fliegenden Infrarotobservatoriums. Und zwischendrin feierte das Deutsche SOFIA-Institut in Stuttgart seinen zehnten Geburtstag.
Das einzigartige Observatorium erlaubt es, Strahlung im fernen und mittleren Infrarot (FIR bzw. MIR) zu beobachten. Bei diesen Wellenlängen sind interstellare Molekül- und Staubwolken sichtbar, in denen neue Sterne entstehen – ein Prozess, der im Detail noch nicht verstanden ist. Da die Atmosphäre diese Strahlung absorbiert, lässt sie sich nur von Flugzeugen oder Satelliten aus nachweisen. In der Außenhaut der 37 Jahre alten Boeing 747-SP befindet sich daher ein Rolltor, das während des Flugs in 12 bis 14 Kilometer Höhe den freien Blick eines 2,7-Meter-Teleskops auf den Nachthimmel ermöglicht.
Nachdem das Innere der Boing 747-SP vor einigen Wochen noch so ausgesehen hat, ...
Die NASA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betreiben das Observatorium gemeinsam und teilen sich die Betriebskosten von rund 100 Millionen Euro pro Jahr im Verhältnis 80 zu 20. Auf dem europaweit größten Luft- und Raumfahrtcampus der Universität Stuttgart befindet sich das Deutsche SOFIA-Institut (DSI), das im Auftrag des DLR u.a. die Betriebsbereitschaft des in Deutschland gebauten Teleskops sicherstellt und für die Verteilung des deutschen Anteils an der Beobachtungszeit verantwortlich ist. Dazu hat das DSI inzwischen rund 30 Mitarbeiter, von denen zwei Drittel in Kalifornien am Heimatort von SOFIA arbeiten. „Der Betrieb einer so großen Flugzeugsternwarte war für alle Beteiligten Neuland“, sagte DSI-Direktor Alfred Krabbe bei der Jubiläumsveranstaltung mit Blick auf die vielen Verzögerungen seit Projektbeginn in den 1990er-Jahren.
Neben technischen Problemen, insbesondere mit dem Rolltor, stand das Observatorium auch wiederholt aus finanziellen Gründen vor dem Aus. Zuletzt wollte die NASA im Frühjahr 2014 das Budget drastisch zusammenstreichen und SOFIA einmotten. Diese Pläne sind nach Protesten in Deutschland und den USA inzwischen vom Tisch, auch wenn der NASA-Haushalt für 2015 noch nicht endgültig beschlossen ist. Eddi Zavala, NASA-Projektleiter für SOFIA, zeigte sich in Stuttgart jedenfalls zuversichtlich und betonte, dass die Verantwortlichen „ihre Hausaufgaben gemacht“ hätten.
... erstrahlt das fliegende Infrarotobservatorium SOFIA inzwischen in neuem Glanz (Fotos: Sonja Brüggemann / Lufthansa Technik AG)
Nach dem Erstflug mit offenem Tor 2009 und wissenschaftlichen Flügen ab 2011 stand für SOFIA in diesem Jahr die aufwändigste aller regelmäßig vorgeschriebenen Inspektionen an. Für diesen D-Check haben Techniker und Ingenieure in rund 58000 Arbeitsstunden seit Ende Juni das Flugzeug auf Herz und Nieren geprüft und in diesem Rahmen u.a. die Triebwerke mitsamt Aufhängung und die Fahrwerke abgebaut und überholt. Die Kosten von rund 12,5 Millionen Euro hat das DLR übernommen, das die Gelegenheit auch nutzte, um Wartungsarbeiten am Teleskop selbst durchzuführen.
Als ein Beispiel der bisherigen Ergebnisse präsentierte Jürgen Stutzki von der Universität Köln bei der Jubiläumsveranstaltung die kürzlich durchgeführte Beobachtung einer Sternentstehungsregion im Sternbild Schlangenträger. Dabei gelang es mit SOFIA erstmals, eine Spektrallinie von para-H2D+ im FIR aufzulösen.1) „Das ist eine Trophäe, hinter der alle her waren“, freute sich Stutzki. Kombiniert mit Beobachtungen der entsprechenden Spektrallinie in ortho-H2D+ bei Millimeter-Wellenlängen, die am APEX-Teleskop in Chile durchgeführt wurden, zeigte sich, dass diese Sternentstehungsregion mindestens eine Million Jahre alt ist – im Widerspruch zu Theorien, die eine viel schnellere Sternentstehung vorhersagen.
Ab Februar soll SOFIA nun wieder im Dienst der Wissenschaft starten. Die Zahl der Flüge pro Jahr soll von zunächst 80 sukzessive auf 150 steigen. „Heute ist unser wichtigstes Ziel, die Zahl und Qualität der wissenschaftlichen Ergebnisse zu maximieren. Dazu wollen wir SOFIA so professionell und effizient wie eine Fluglinie betreiben“, sagte Alfred Krabbe. Für die nächsten 15 Jahre ist kein anderes Observatorium für den FIR-Bereich in Sicht, bis zum Start des James Webb Space Telescope in einigen Jahren wird SOFIA auch im MIR-Bereich konkurrenzlos sein. In fünf Jahren soll das gesamte Projekt wissenschaftlich evaluiert werden, bevor eine Entscheidung zur Zukunft fällt. Bis dahin ist die Finanzierung des deutschen Anteils gesichert. Da das NASA-Budget aber jedes Jahr neu verhandelt wird, sind weitere Überraschungen nicht ausgeschlossen.
Stefan Jorda
1) Im ortho-Zustand sind die beiden Wasserstoff-Kernspins parallel, im para-Zustand antiparallel.