11.03.2014

SOFIA vor dem Aus?

Der NASA-Haushaltsplan sieht drastisch reduzierte Mittel für das fliegende amerikanisch-deutsche Infrarotobservatorium vor.

Jahrelang hatte es vor allem mit Kostenüberschreitungen und Verzögerungen für Schlagzeilen gesorgt statt mit wissenschaftlichen Ergebnissen: das Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy (SOFIA). Da die Atmosphäre Infrarotstrahlung absorbiert, haben NASA und Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam und mit enormem Aufwand ein 17 Tonnen schweres 2,5-Meter-Teleskop in das Heck einer Boeing 747 eingebaut. Während des Flugs in 13 Kilometer Höhe lässt sich ein Rolltor öffnen, das den Blick in den Himmel freigibt. Nachdem 2011 die ersten Beobachtungsflüge stattfanden, schien endlich die Wissenschaft im Vordergrund zu stehen. Umso größer war der Paukenschlag, als Anfang März völlig überraschend bekannt wurde, dass der Haushaltsentwurf der NASA für das Haushaltsjahr 2015 statt 84 Millionen nur noch 12 Millionen Dollar für SOFIA vorsieht. Bislang trägt die NASA 80 Prozent der Betriebskosten, das DLR die restlichen 20 Prozent. Falls sich keine Partner finden, die den US-Beitrag übernehmen, möchte die NASA das Observatorium einmotten, um mit dem Geld „wissenschaftliche Missionen mit höherer Priorität zu fördern“. Nur beim Weltraumteleskop Hubble seien die Betriebskosten noch höher als bei SOFIA.

Das fliegende Infrarotobservatorium SOFIA, eine umgebaute Kurzversion der Boeing 747, mit geöffnetem Tor vor der Sierra Nevada (Quelle: NASA / Jim Ross)


Die deutschen Partner vom DLR hat diese Hiobsbotschaft zwar kalt erwischt, aber das letzte Wort ist sicher noch nicht gesprochen, zumal der US-Kongress eine ähnliche Ankündigung der NASA 2006 korrigiert hatte. Beim DLR heißt es in einer offiziellen Stellungnahme, die Raumfahrtagenturen würden „gemeinsam daran arbeiten, zu einer einvernehmlichen Lösung zur Fortführung des fliegenden Infrarot-Observatoriums zu gelangen“. Angesichts der gerade in den letzten Wochen und Monaten erzielten Fortschritte war auch Rolf Güsten vom MPI für Radioastronomie in Bonn von der Ankündigung „völlig überrascht“. Als Principal Investigator (PI) ist er verantwortlich für das hochauflösende Ferninfrarot-Spektrometer GREAT, eines von mehreren Instrumenten, die sich im Wechsel an das Teleskop montieren lassen. „Erst vor zwei Wochen hat SOFIA den Status full operation capability erreicht“, sagt er, „auf diesen Meilenstein haben alle im Projekt seit Jahren hingearbeitet.“ Zu diesem Status gehört der Nachweis, dass vier Beobachtungsflüge pro Woche machbar sind, um 120 Flüge oder 960 Flugstunden pro Jahr zu erreichen. Außerdem hat eine Beobachtungskampagne in Neuseeland im Sommer 2013 gezeigt, dass SOFIA weltweit und nicht nur von der Basis in Kalifornien aus operieren kann. Und schließlich sind inzwischen sechs Instrumente einsatzbereit, neben GREAT auch das zweite deutsche Instrument FIFI-LS, das am 8. März erstmals zum Einsatz kam, also einige Tage nach der NASA-Ankündigung. Dieses am MPI für Extraterrestrische Physik in Garching entwickelte Spektrometer ist inzwischen an der Universität Stuttgart angesiedelt, wo sich auch das 2004 gegründete Deutsche Sofia-Institut befindet.

Seit dem Projektbeginn in den 1990er-Jahren hat SOFIA mehr als eine Milliarde Dollar gekostet, zweifellos viel Geld. „Natürlich kann man das infrage stellen“, sagt Güsten, „aber in so einer Nacht-und-Nebel-Aktion kann man kein Projekt beenden“. Aus seiner Sicht müsse SOFIA nun eine Perspektive von zwei oder drei Jahren erhalten, um zu zeigen, ob die wissenschaftliche Produktivität diese Kosten rechtfertige. Vor einer Entscheidung über die Zukunft müsse dann eine faire und transparente Begutachtung stehen. „Ziemlich geärgert“ hat sich Güsten auch über die Aussage der NASA, dass mit dem James-Webb-Teleskop (JWST, sofern es denn 2018 startet) sowie dem ALMA-Teleskop in Chile alternative Beobachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Gerade für den Ferninfrarot-Bereich zwischen 30 und 300 µm sei „auf lange, lange Sicht kein Nachfolgeinstrument zu SOFIA in Sicht“, denn während das JWST das Fenster vom Nahinfrarot bis zu 30 µm abdeckt, beginnt das Beobachtungsfenster von ALMA erst bei 300 µm und erstreckt sich dann bis hin zu Millimeterwellen. Gerade der FIR-Bereich ist für Astronomen aber besonders interessant, da hier z.B. die für die Energiebilanz des interstellaren Mediums wichtigen Feinstrukturlinien von Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff liegen und leichte Moleküle ihre Übergänge in den Grundzustand aufweisen – so gelang es mit SOFIA bereits, drei neue Moleküle im interstellaren Gas zu entdecken, die vom Erdboden aus nicht sichtbar sind. Ein Highlight war der Nachweis des deuterierten Wasserstoffs, woraus sich der Deuterium-Gehalt des interstellaren Gases bestimmen lässt.

Sicher ist derzeit nur, dass der Betrieb von SOFIA zunächst bis Ende Mai planmäßig weiter läuft. Danach ist in der Hamburger Werft der Lufthansa eine Grundüberholung geplant („D-Check“), die voraussichtlich einige Monate dauert. Ob SOFIA im Anschluss weitere zehn bis fünfzehn Jahre den Nachthimmel beobachten kann, müssen die jetzt anstehenden Verhandlungen zeigen.

Stefan Jorda

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