Solarreaktor für chemische Grundstoffe
Konzentrierte Solarstrahlung gewinnt Ethylen aus Wasser und Kohlendioxid.
Viele chemische Grundstoffe wie Ethylen, Propylen, Methanol oder Ammoniak werden bisher aus Erdöl und Erdgas hergestellt. Zahlreiche Industriezweige benötigen diese Grundstoffe, um etwa Kunststoffe, Kraftstoffe oder Düngemittel zu produzieren. Die dafür eingesetzten Verfahren verbrauchen viele Rohstoffe und viel Energie. Zudem setzen sie jährlich in Deutschland fast vierzig Millionen Tonnen CO2-Äquivalente frei. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat im EU-Projekt „FlowPhotoChem“ eine Demonstrationsanlage aufgebaut, getestet und so erfolgreich gezeigt, dass Grundchemikalien in Zukunft auch klimaverträglicher hergestellt werden können. Das DLR arbeitete dafür mit weiteren europäischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammen.

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Bei dem im Projekt erprobten Verfahren liefert konzentrierte Solarstrahlung einen Großteil der notwendigen Energie, um chemische Grundstoffe aus Wasser und Kohlenstoffdioxid herzustellen. Die konzentrierte Solarstrahlung ist bis zu mehrere 100 Mal so intensiv wie das normale Sonnenlicht. „Die Forschung zur solaren Produktion von chemischen Grundstoffen ermöglicht es, perspektivisch vollständig regenerative Verfahren für die großtechnische Herstellung dieser Chemikalien und chemischen Energieträger zu entwickeln“, sagt Michael Wullenkord vom DLR-Institut für Future Fuels. Solare Verfahren können in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten, um die Branche klimaverträglicher zu machen und die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu verringern. Der Fokus des Projekts FlowPhotoChem lag auf der Produktion von Ethylen. Es ist ein wichtiger Ausgangsstoff für Polyethylen (PE). Dieser Kunststoff kommt vor allem in Folien und Verpackungen zum Einsatz. Mengenmäßig ist er der am häufigsten eingesetzte Kunststoff weltweit.
Die Demonstrationsanlage besteht im Kern aus drei miteinander verbundenen Modulen, die von den Projektpartnern entwickelt wurden. In diesen Reaktoren laufen unterschiedliche chemische Prozesse ab, um von den Ausgangsstoffen Wasser und Kohlenstoffdioxid zum Zielprodukt Ethylen zu gelangen. Im ersten Reaktor werden Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Dazu nutzt der Reaktor die Energie aus der konzentrierten Solarstrahlung. Der so produzierte Wasserstoff wird dann zusammen mit Kohlenstoffdioxid – aus der Luft oder aus Industrieprozessen – in das zweite Reaktormodul geleitet. Hier wird ebenfalls mit konzentrierter Solarstrahlung Kohlenstoffmonoxid erzeugt. Im dritten Reaktor wird das Kohlenstoffmonoxid mit elektrischer Energie – vorzugsweise aus Photovoltaik-Anlagen – in Ethylen oder andere chemische Zielprodukte umgewandelt.
Das DLR-Institut für Future Fuels mit Standorten in Jülich und Köln hat für das Projekt ein betriebsfähiges Gesamtsystem entworfen, aufgebaut und getestet. „Knackpunkte waren dabei vor allem die Kombination der drei Reaktoren und ihre Integration ins Gesamtsystem“, beschreibt Wullenkord. Dazu hat sein Institut auch Modelle des Gesamtsystems entwickelt, damit alle Bausteine später möglichst effizient zusammenarbeiten. Die Reaktoren selbst stammen von spezialisierten Projektpartnern: Der erste Reaktor stammt von der Firma SoHHytec, einer Ausgründung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL). Den zweiten Reaktor hat die Polytechnische Universität Valencia (UPV) gebaut. Für den dritten Reaktor zeichnet das ungarische Unternehmen eChemicles mit Unterstützung der Universität Szeged (SZTE) verantwortlich.
Der Aufbau und die Inbetriebnahme des Gesamtsystems erfolgte im Hochleistungsstrahler des DLR in Köln. Dessen Xenon-Lampen lieferten die für den Betrieb des ersten und zweiten Reaktors notwendige konzentrierte – hier künstliche – Solarstrahlung. So konnten die Versuche wetterunabhängig durchgeführt werden. Bei diesen Versuchen profitierte das Projekt auch von der langjährigen Expertise des DLR beim Betrieb komplexer Versuchsaufbauten mit umfassender Mess- und Regelungstechnik. Eine der vielen Herausforderungen war, die Strahlung und deren Intensität exakt auf die jeweiligen Oberflächen der Reaktoren auszurichten und anzupassen.
Die aufgebaute Demonstrationsanlage füllt einen ganzen Versuchsraum, geht also deutlich über den Labormaßstab hinaus. Während der einwöchigen Versuchsphase konnte das Projektteam von FlowPhotoChem den Betrieb des integrierten Gesamtsystems erfolgreich zeigen und wichtige Erkenntnisse gewinnen, um ihren Ansatz weiterzuentwickeln. Zudem hat das Team auch bereits erarbeitete Modelle weiter verfeinert und Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert. „Durch weitere Optimierung der Reaktormodule und der Betriebsstrategie sowie geschicktes Wärme- und Strommanagement – etwa um Abwärme oder überschüssige elektrische Energie für den Gesamtprozess zu nutzen – kann man mit dem kompletten System unter dem Strich zu sehr hohen Wirkungsgraden kommen“, sagt Wullenkord. Da man für den Einsatz solcher Anlagen genügend direkte Sonnenstrahlung benötigt, sind sie im Sonnengürtel der Welt sinnvoll. Dazu zählen insbesondere Länder wie Spanien, Italien oder Griechenland, aber auch Australien, die USA sowie die Regionen Nordafrika und der Nahe Osten.
DLR / JOL