Sonne: Eisen schluckt Röntgenlicht
Röntgenspektroskopie hochgeladener Eisen-Ionen bestätigt Berechnungen zur Opazität von Sternmaterie.
Hochgeladene Ionen spielen eine wichtige Rolle in der Astrophysik. Betrachtet man die großen Ansammlungen sichtbarer Materie im Universum, so ist der hochgeladene Zustand die natürliche Erscheinungsform – in Sternatmosphären wie auch in ihrem Inneren bei Temperaturen von einigen Millionen Grad Celsius. Auch in der Umgebung exotischer Objekte, wie Neutronensternen oder Schwarzen Löchern kommen sie vermehrt vor. Bevor Materie in diese hineinstürzt, gewinnt sie beim Fall im Gravitationsfeld Energie, erhitzt sich extrem und sendet Röntgenstrahlung aus, die beobachtet werden kann.
Abb.: Transportable Falle für hochgeladene Ionen (EBIT) beim Einsatz am Röntgenlaser LCLS am Stanford Linear Accelerator Center (SLAC), Menlo Park, California, USA. (Bild: J. R. Crespo López-Urrutia / MPIK)
Röntgenstrahlung bestimmt den Energietransport in unserer Sonne. In ihrem Kern läuft ein natürliches Fusionskraftwerk mit einer Gesamtleistung von etwa vier mal 1026 Watt bei einer Temperatur von 15 Millionen Grad. In der Sonne ist der Strahlungstransport nach außen gehemmt, um die hohe Temperatur im Kern aufrecht zu erhalten. Konvektion, bei der heiße Materie transportiert wird, setzt erst weiter außen bei zirka 70% des Sonnenradius ein. Diese gute Isolierung reduziert den Wasserstoffverbrauch und verlängert die Brenndauer unseres Zentralgestirns auf die Milliarden von Jahren, die ein stabiles Planetensystem, und letztendlich das Leben darin benötigen.
Ein Maß für die Hemmung des Strahlungstransports ist die Opazität der Sonnenmaterie. Obwohl diese überwiegend aus Wasserstoff und Helium besteht, tragen diese Elemente nur untergeordnet zu ihr bei. Ihr Anteil sinkt im Bereich der Strahlungszone von etwa 50% auf unter 20%. Den Rest bestimmen die winzigen Verunreinigungen (ca. 1,6% nach Masse) an schwereren Elementen. Neben Sauerstoff trägt Eisen mit einem Massenanteil von nur 0,14% für Röntgenlicht mit etwa einem Viertel zur gesamten Opazität bei. Als verdünnte Verunreinigung im Sonnenplasma übernimmt Eisen also einen beträchtlichen Teil der Röntgenabschirmung.
Um die Rolle dieser stellaren Spurengase besser zu verstehen und solide Messdaten für den Vergleich mit astronomischen Beobachtungen zu gewinnen, haben Physiker um José R. Crespo López-Urrutia vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) in Kooperation mit Kollegen des DESY und weiteren acht Institutionen weltweit hochgeladene Eisen-Ionen in acht verschiedenen Ladungszuständen systematisch untersucht. Mit einer am MPKI entwickelten mobile Ionenfalle (EBIT) zur Erzeugung und Speicherung hochgeladener Ionen am PETRA-III-Synchrotron konnte die Absorption des Röntgenlichtes durch die Eisen-Ionen zum ersten Mal und mit hoher Präzision vermessen werden. Diese neuen laborastrophysikalischen Daten zeigen eine gute Übereinstimmung mit den aktuellsten theoretischen Berechnungen. Von Bedeutung ist neben der charakteristischen Energie der Absorptionslinien im Spektrum ihre hier zum ersten Mal gemessene natürliche Linienbreite, ein Maß für die maximale Strahlungsleistung, die ein einzelnes Eisen-Ion verarbeiten kann. Diese beträgt für die betrachteten Röntgenübergänge hochgeladener Eisen-Ionen fast ein Watt pro Ion. Dennoch sind Eisen-Ionen selbst in der inneren Strahlungszone bezüglich des Strahlungstransports bei weitem nicht ausgelastet, weil sie millionenfach schneller Röntgenphotonen absorbieren und emittieren können als normale Atome. Diese Kombination aus hohen Raten und hoher Photonenenergie ist für die Dominanz des Eisens in der Strahlungsbilanz entscheidend.
Abb.: Schematischer Aufbau der Sonne – die im Zentrum durch Kernfusion von Wasserstoff zu Helium erzeugte Energie wird zunächst durch Strahlung nach außen transportiert. Im äußeren Bereich erfolgt der Energietransport über Konvektion. (Bild: MPIK nach Kelvinsong, Wikimedia Commons
Die neuen Messdaten liefern wertvolle Erkenntnisse für die Berechnungen der Opazität, die als Grundlage von Sternmodellen genutzt werden können. Zudem helfen sie auch bei der Diagnostik astrophysikalischer Plasmen wie z. B. jener um aktive galaktische Kerne oder Doppelsternsysteme, die ein Neutronenstern oder Schwarzes Loch enthalten, das Materie des Partnersterns aufsaugt. Die hier untersuchten Eisenröntgenlinien sind in der Regel die letzten spektroskopischen Zeugen solcher Vorgänge.
MPIK / CT