Sonnenmodell erstmals vollständig bestätigt
Borexino-Neutrinodetektor gelingt Messung des CNO-Fusionszyklus der Sonne.
Dem Forschungsteam des Borexino-Experiments ist es zum ersten Mal gelungen, Neutrinos aus dem zweiten Fusionsprozess der Sonne, dem Carbon-Nitrogen-Oxygen-Zyklus (CNO-Zyklus), nachzuweisen. Damit sind nun alle theoretischen Vorhersagen über die Energieerzeugung im Inneren der Sonne auch experimentell bewiesen. Dem Ergebnis gingen jahrelange Bemühungen voraus, die Hintergrundquellen im Energiebereich der CNO-Neutrinos unter Kontrolle zu bekommen.
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch die Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium. Dies geschieht auf zwei Arten: Der größte Teil, etwa 99 Prozent der Energie, entstammt einem Prozess von Fusionen und Zerfällen, der mit zwei Wasserstoffkernen beginnt und mit einem Heliumkern endet, der Proton-Proton- oder pp-Kette. Den Rest der Energie trägt ein Zyklus bei, bei dem sich insgesamt vier Wasserstoffkerne schließlich zu einem Heliumkern verbinden, mit Hilfe von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff als Katalysatoren und Zwischenprodukten. Bei Sternen größer als unsere Sonne stammt der überwiegende Teil der Energie aus diesem zweiten CNO-Prozess unter Beteiligung von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff.
Dieser zweite Zyklus war in den 1930er Jahren von den Physikern Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsäcker unabhängig voneinander als Energielieferant der Sonne postuliert worden, konnte bislang jedoch nicht experimentell bestätigt werden. Nun ist es den Physikern des Experiments Borexino, das sich im italienischen Gran Sasso Untergrundlabor befindet, erstmals gelungen, diesen Zyklus mit Hilfe der von ihm produzierten Neutrinos nachzuweisen. Vor einigen Jahren hatte das Team des Borexino-Experiments bereits erstmals eine Gesamtuntersuchung der Fusionsprozesse der pp-Kette mittels ihrer Neutrinos vorgestellt.
Die Neutrinos des CNO-Zyklus waren aufgrund ihrer Energieverteilung schwer von denen zu unterscheiden, die beim radioaktiven Zerfall winziger Spuren anderer Elemente erzeugt werden. Vor allem Bismut-210 aus Spurenverunreinigungen auf der Oberfläche der Detektorwand verdeckte bisher die Signale des CNO-Zyklus. Aufgrund von Konvektionsbewegungen gelangten diese Verunreinigungen in die Detektorflüssigkeit. Um die Störung zu beseitigen, musste die Konvektion im Inneren des Borexino-Detektors zum Stillstand gebracht werden, was technisch extrem aufwändig war. „Ich habe es lange für nicht möglich gehalten, dass diese Messung erfolgreich sein würde“, sagt Stefan Schönert, Astroteilchenphysiker an der TU München.
Die Ergebnisse bestätigen nun nicht nur die theoretischen Vorhersagen über die beiden Fusionsprozesse der Sonne, sondern geben auch einen Hinweis auf die Metallizität der Sonne, also die Konzentration der Kerne, die schwerer als Wasserstoff und Helium sind. Verschiedene astrophysikalische Untersuchungsmethoden kamen in den vergangenen Jahren zu unterschiedlichen Resultaten. „Die neuen Borexino-Ergebnisse unterstützen hier nun die Beobachtungen mit höheren Metallizitätswerten“, so Lothar Oberauer von der TUM. Wichtig ist dies vor allem im Hinblick auf wesentliche Eigenschaften von Sternen wie ihre Größe, Temperatur, Helligkeit und Lebensdauer, die von der Metallizität bestimmt werden. Die chemische Zusammensetzung der Sonne zu verstehen, ist daher grundlegend für das Verständnis der Eigenschaften aller Sterne.
TUM / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
The Borexino Collaboration: Experimental evidence of neutrinos produced in the CNO fusion cycle in the Sun, Nature 587, 577 (2020); DOI: 10.1038/s41586-020-2934-0 - Borexino Experiment, Laboratori Nazionali del Gran Sasso, Assergi, Italien
- Institut für Kern- und Teilchenphysik, TU Dresden
- Experimentelle Astroteilchenphysik, TU München
Weitere Beiträge
- L. Oberauer, Das Neutrinobild der Sonne – zehn Jahre Neutrinospektroskopie mit Borexino (Physik Journal, Februar 2020, S. 27) PDF