15.05.2018

Spannender Kontakt

Neue Erkenntnisse über Haftung und Reibung bei der Elektro­adhäsion.

Eine zwischen zwei Objekten angelegte Spannung kann dazu führen, dass sie anein­ander haften. Dieser seit Jahr­zehnten bekannte Effekt hat in neuerer Zeit starkes Interesse von Seiten der Wissen­schaft und Industrie gewonnen – für hoch­moderne Anwen­dungen wie Greif­arme für Roboter oder Touch­screens. Die theore­tischen Grund­lagen des Phänomens hat jetzt Bo Persson vom Forschungs­zentrum Jülich genauer erforscht.

Abb.: Bo Persson erforscht seit zwanzig Jahren das Phänomen der Elektro­adhäsion. (Bild: S. Kreklau, FZ Jülich)

Vor knapp hundert Jahren machten die beiden dänischen Ingenieure Alfred Johnsen und Knud Rahbeck eine über­raschende Ent­deckung: Als sie zwischen einer Metall- und einer Stein­platte eine elek­trische Spannung anlegten, begannen die beiden Materi­alien stark anein­ander zu haften. Die Inge­nieure beschrieben das Elektro­adhäsion genannte Phänomen in einem 1923 ver­öffent­lichten wissen­schaft­lichen Artikel.

„Durch die angelegte Spannung sammeln sich elektrische Ladungen mit entgegen­ge­setzten Vor­zeichen auf den beiden Ober­flächen an, die zu einer elektro­sta­tischen Anziehung der beiden Flächen führen“, erklärt Persson. „Diese Anziehung führt zu einer ver­stärkten Haftung und Reibung.“ Beide sind wichtige Faktoren in vielen modernen Techno­logien. Sie bestimmen etwa, wie leicht ein Finger über einen Touch­screen gleitet, und wie präzise und wie zuver­lässig Berüh­rungen in elek­trische Signale über­setzt werden. Oder welche Kraft ein Roboter-Greifer aus­üben muss, um einen Gegen­stand sicher zu halten und zu trans­por­tieren.

„Ein sehr wichtiger Faktor bei der Reibung ist die Kontakt­fläche“, erklärt Persson, der sich seit über zwanzig Jahren mit dem Thema beschäf­tigt. „Je größer die Fläche, umso stärker die Reibung.“ Oft ist die Fläche jedoch kleiner als man ver­muten würde. „Kein Material hat eine völlig glatte Ober­fläche, auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag. Näher betrachtet zeigen sich kleinste Uneben­heiten unter­schied­licher Größe und Tiefe, manche messen Bruch­teile von Milli­metern, andere nur ein paar Atom­lagen. Das bedeutet, dass sich die beiden Ober­flächen nur an wenigen Punkten wirk­lich berühren: Die tat­säch­liche Kontakt­fläche beträgt nur einen Bruch­teil der Gesamt­fläche.“ Für einen Auto­reifen auf einer Asphalt­straße beispiels­weise beträgt sie oft nur etwa einen Quadrat­zenti­meter.

Das spielt auch bei der Elektroadhäsion eine wichtige Rolle, etwa bei berührungs­empfind­lichen Bild­schirmen: Die Bewegung eines Fingers auf einem Touch­screen ist – ver­ein­facht gesehen – eine Wechsel­wirkung zwischen zwei elek­trisch leitenden Ober­flächen, die durch eine dünne elek­trisch isolie­rende Schicht getrennt sind. Wird die Spannung zwischen den zwei Grenz­flächen auf einen bestimmten kritischen Wert erhöht, steigt die Reibung zwischen ihnen schlag­artig an. Der Grund dafür ist eine positive Rück­kopp­lung. „Durch die Spannung bildet sich ein elek­tri­sches Feld zwischen den beiden Fest­körpern“, erklärt Persson. „Das zieht sie näher anein­ander heran. Dies ver­stärkt den Druck auf die mikro­sko­pischen Uneben­heiten der Ober­flächen, die sich elas­tisch ver­formen – was die effek­tive Kontakt­fläche der beiden Körper ver­größert. Dadurch ver­stärkt sich das elek­trische Feld, was wiederum den Druck erhöht und dadurch die Kontakt­fläche weiter ver­größert.“

Mit der von ihm entwickelten Theorie der Kontakt­mechanik hat Persson bereits ein mathe­ma­tisches Modell gefunden, das erst­mals die Glätte von Eis beschreibt. Mit den theore­tischen Grund­lagen für die Reibung der Elektro­adhäsion könnten sich in Zukunft viel­leicht auch diese Effekte präzise vorher­sagen und steuern lassen – zum Beispiel für taktil reagie­rende und variier­bare Displays.

FZJ / RK

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