Spannender Kontakt
Neue Erkenntnisse über Haftung und Reibung bei der Elektroadhäsion.
Eine zwischen zwei Objekten angelegte Spannung kann dazu führen, dass sie aneinander haften. Dieser seit Jahrzehnten bekannte Effekt hat in neuerer Zeit starkes Interesse von Seiten der Wissenschaft und Industrie gewonnen – für hochmoderne Anwendungen wie Greifarme für Roboter oder Touchscreens. Die theoretischen Grundlagen des Phänomens hat jetzt Bo Persson vom Forschungszentrum Jülich genauer erforscht.
Abb.: Bo Persson erforscht seit zwanzig Jahren das Phänomen der Elektroadhäsion. (Bild: S. Kreklau, FZ Jülich)
Vor knapp hundert Jahren machten die beiden dänischen Ingenieure Alfred Johnsen und Knud Rahbeck eine überraschende Entdeckung: Als sie zwischen einer Metall- und einer Steinplatte eine elektrische Spannung anlegten, begannen die beiden Materialien stark aneinander zu haften. Die Ingenieure beschrieben das Elektroadhäsion genannte Phänomen in einem 1923 veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel.
„Durch die angelegte Spannung sammeln sich elektrische Ladungen mit entgegengesetzten Vorzeichen auf den beiden Oberflächen an, die zu einer elektrostatischen Anziehung der beiden Flächen führen“, erklärt Persson. „Diese Anziehung führt zu einer verstärkten Haftung und Reibung.“ Beide sind wichtige Faktoren in vielen modernen Technologien. Sie bestimmen etwa, wie leicht ein Finger über einen Touchscreen gleitet, und wie präzise und wie zuverlässig Berührungen in elektrische Signale übersetzt werden. Oder welche Kraft ein Roboter-
„Ein sehr wichtiger Faktor bei der Reibung ist die Kontaktfläche“, erklärt Persson, der sich seit über zwanzig Jahren mit dem Thema beschäftigt. „Je größer die Fläche, umso stärker die Reibung.“ Oft ist die Fläche jedoch kleiner als man vermuten würde. „Kein Material hat eine völlig glatte Oberfläche, auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag. Näher betrachtet zeigen sich kleinste Unebenheiten unterschiedlicher Größe und Tiefe, manche messen Bruchteile von Millimetern, andere nur ein paar Atomlagen. Das bedeutet, dass sich die beiden Oberflächen nur an wenigen Punkten wirklich berühren: Die tatsächliche Kontaktfläche beträgt nur einen Bruchteil der Gesamtfläche.“ Für einen Autoreifen auf einer Asphaltstraße beispielsweise beträgt sie oft nur etwa einen Quadratzentimeter.
Das spielt auch bei der Elektroadhäsion eine wichtige Rolle, etwa bei berührungsempfindlichen Bildschirmen: Die Bewegung eines Fingers auf einem Touchscreen ist – vereinfacht gesehen – eine Wechselwirkung zwischen zwei elektrisch leitenden Oberflächen, die durch eine dünne elektrisch isolierende Schicht getrennt sind. Wird die Spannung zwischen den zwei Grenzflächen auf einen bestimmten kritischen Wert erhöht, steigt die Reibung zwischen ihnen schlagartig an. Der Grund dafür ist eine positive Rückkopplung. „Durch die Spannung bildet sich ein elektrisches Feld zwischen den beiden Festkörpern“, erklärt Persson. „Das zieht sie näher aneinander heran. Dies verstärkt den Druck auf die mikroskopischen Unebenheiten der Oberflächen, die sich elastisch verformen – was die effektive Kontaktfläche der beiden Körper vergrößert. Dadurch verstärkt sich das elektrische Feld, was wiederum den Druck erhöht und dadurch die Kontaktfläche weiter vergrößert.“
Mit der von ihm entwickelten Theorie der Kontaktmechanik hat Persson bereits ein mathematisches Modell gefunden, das erstmals die Glätte von Eis beschreibt. Mit den theoretischen Grundlagen für die Reibung der Elektroadhäsion könnten sich in Zukunft vielleicht auch diese Effekte präzise vorhersagen und steuern lassen – zum Beispiel für taktil reagierende und variierbare Displays.
FZJ / RK