05.06.2012

Spin-Ströme in topologischem Isolator

In extrem dünnen topologischen Isolatoren haben Physiker spin-polarisierte Ströme nachgewiesen.

Bei der Spintronik wird die magnetische Ausrichtung der Elektronen zur Informationsübertragung genutzt, und das erzeugt viel weniger Wärme, als das bisher nötige ständige An- und Ausschalten des Stroms. Eine viel versprechende Materialklasse für die Realisierung spintronischer Bauelemente sind die topologischen Isolatoren. Sie leiten nur an ihrer Oberfläche Strom, nicht jedoch im Inneren. In dünnen Schichten einiger dieser Materialien besteht der Randstrom aus genau zwei Kanälen, in denen sich einzelne Elektronen bewegen. Die Flussrichtung in den beiden Kanälen ist entgegengesetzt, genau wie die Spin-Ausrichtung. Dieses Verhalten nennt man den Quanten-Spin-Hall-Effekt (QSH), in Anlehnung an den Quanten-Hall-Effekt. Entdeckt wurde der QSH-Effekt 2007 in der Arbeitsgruppe von Laurens Molenkamp an der Universität Würzburg.

Abb.: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Schaltkreises. In Rot das Halbleiter-H, in Gelb die Gate-Kontakte. Das Bild zeigt einen Ausschnitt von etwa drei auf drei Mikrometer. (Bild: L. Maier)

Physiker aus dem Lehrstuhl von Laurens Molenkamp und der Arbeitsgruppe von Ewelina Hankiewicz zeigen jetzt mit Forschern der Stanford University aus Kalifornien, wie sich die Spin-Polarisation der Kanäle experimentell nachweisen lässt. Gleichzeitig stellen sie ein elektrisches Bauteil vor, das spin-polarisierte Ströme erzeugen und messen kann. Damit besitzt es grundlegende Fähigkeiten, die für die Spintronik nötig sind.

Bis vor kurzem war die Spin-Polarisation der Kanäle nur mathematisch beschrieben; experimentell konnte nur indirekt auf sie geschlossen werden. „Der Quanten-Spin-Hall-Effekt kann aber nur unter der Voraussetzung existieren, dass wir tatsächlich einen spin-polarisierten Transport haben“, sagt Arbeitsgruppenleiter Hartmut Buhmann.

Dem Würzburger Physiker Christoph Brüne gelang der experimentelle Nachweis nun mit einem geschickten Versuchsaufbau. Den Erfolg brachte eine Nanostruktur in Form eines H. Sie besteht aus Quecksilber-Tellurid und besitzt an jedem Arm eine zusätzliche Elektrode aus Gold.

Abb.: Die Randströme eines topologischen Isolators dienen als Quelle für spin-polarisierte Elektronen. (Bild: L. Maier)

Damit ist es möglich, einen Arm der H-Struktur mit einer Gate-Spannung in den Quanten-Spin-Hall-Zustand zu versetzen. Der andere Arm sorgt an der Verbindungsstelle, dem Querstrich des H, für ein Ungleichgewicht zwischen den beiden Spin-Strömen. Dadurch können nur Elektronen mit einer magnetischen Ausrichtung extrahiert und gemessen werden. Diese Funktion lässt sich auch umdrehen, so dass man einen spin-polarisierten Strom einspeisen und eine im QSH-Material erzeugte Spannung messen kann.

Die nötige Theorie, um die Messwerte eindeutig als Spin-Ströme zu identifizieren, stammt zusammen mit Simulationen aus der Gruppe von Ewelina Hankiewicz und ihren Kollegen in der Arbeitsgruppe von Shou-Cheng Zhang in Stanford: „Es war nicht einfach zu berechnen, wie die Spin-Kanten-Ströme in das Metall des zweiten Arms gelangen“, sagt Hankiewicz.

Der von den Würzburger Physikern vorgestellte Aufbau funktioniert bislang nur bei extrem tiefen Temperaturen bei minus 271 Grad Celsius. Um ihn auch bei Raumtemperatur nutzen zu können, müssen erst noch geeignete Materialien gefunden werden. Für die Zukunft planen die Würzburger Forscher zunächst, das Konzept zu einem Spin-Transistor zu erweitern und so alle nötigen Zutaten für eine Anwendung in der Spintronik bereitzustellen.

Topologische Isolatoren bergen noch mehr Potenzial: Sie sind für weitere exotische Entdeckungen gut, wie zum Beispiel Majorana-Fermionen – das sind Teilchen, die gleichzeitig ihr Antiteilchen sind. Kein Wunder also, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in diesem Jahr ein neues Schwerpunktprogramm „Topologische Isolatoren“ einrichten will.

U. Würzburg / PH

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