Spinnenfaden als Mikrofon
Mit vergoldeten Zugfäden von Spinnen lassen sich feinste Luftbewegungen exakt detektieren.
Feine Härchen zur Wahrnehmung von Luftströmungen und Schallwellen sind in der Tierwelt weit verbreitet. Moskitos, Fliegen und Spinnen dienen sie zur Orientierung, zur Warnung vor Feinden oder zum Aufspüren von Beute. Im Gegensatz zu den Membranen herkömmlicher Mikrofone oder auch dem menschlichen Trommelfell spricht diese Methode anstelle von Druckschwankungen direkt auf Luftbewegungen an. Forschern der Universität Birmingham in New York ist es nun gelungen, mithilfe von Spinnenfäden feinste Schwingungen und Strömungen in der Luft nahezu exakt abzubilden.
Abb.: Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus. (Bild.: J. Zhou, R.N. Miles / PNAS)
Traditionelle Methoden zur Strömungsmessung wie etwa die Laser-
Für eine erste Demonstration haben die Forscher einen acht Millimeter langen und 500 Nanometer dicken Zugfaden einer gewöhnlichen Kreuzspinne (Araneus Diadematus) an seinen Enden eingespannt und in dem echofreien Raum drei Meter vor einem Lautsprecher platziert. So war gewährleistet, dass ebene Schallwellen auf den Faden trafen, der normal zur Ausbreitungsrichtung orientiert war. Um eventuelle nichtlineare Effekte aufgrund von Dehnung auszuschließen, war der Faden dabei nicht gespannt, sondern locker zwischen den beiden Aufhängungspunkten befestigt. Ein Laservibrometer, das auf die Mitte des Fadens gerichtet war, analysierte die Bewegung des Fadens. Eine Aufnahme mit einem herkömmlichen Mikrofon diente als Vergleichsmessung.
Das Ergebnis zeigt eine klare Übereinstimmung der beiden Messsignale und deutet auf eine hohe Klangtreue der Vibrometermessung hin. Da als Anregungsschall ein komplexes Signal bestehend aus dem Flügelschlag eines Insekts (100-700 Hertz) und dem Gesang eines Vogels (2-10 Kilohertz) diente, birgt das Ergebnis auch einen interessanten Hinweis für die Biologie: Es legt nahe, dass Spinnen nicht nur direkte Berührungen ihrer Netze wahrnehmen können. Sie könnten die Netze auch als eine Art Antenne verwenden. Diese nimmt den durch die Luft getragenen Schall auf und macht die Tiere auf weiter entfernte Beute oder Jäger aufmerksam.
Einer der Vorteile der neuartigen Methode gegenüber konventionellen Mikrofonen ist die Bandbreite. Den beiden Autoren zufolge kann ein Spinnenfaden als idealer Resonator betrachtet werden, der die Bewegung der umliegenden Luft in einem Frequenzbereich von 1 Hertz bis 50 Kilohertz fast exakt nachvollzieht. Damit deckt er deutlich mehr als den für Menschen hörbaren Bereich ab. Wie Messungen der Geschwindigkeit des Fadens zeigen, entspricht diese über den gesamten Frequenzbereich derjenigen der umgebenden Luftpartikel.
Um den gesamten Frequenzbereich experimentell abzudecken, kamen für die Anregung der Schallwellen verschiedene Lautsprechersysteme vom Subwoofer bis zum Supertweeter zum Einsatz. Während die Messung der Bewegung des Fadens wieder über ein Laservibrometer erfolgte, wurde die Bewegung der Luft nur auf indirektem Weg bestimmt: Bei niedrigen Frequenzen bis 100 Hertz wurde die gemessene Bewegung der Lautsprechermembran der Bewegung der Luftpartikel gleichgesetzt. Für höhere Frequenzen diente eine Messung des Schalldrucks als Grundlage für eine Abschätzung der Druckgradienten, aus der dann die Geschwindigkeit der Luft abgeleitet werden konnte.
Um aus einem Spinnenfaden letztendlich einen praktikablen Schwingungssensor zu machen, überzogen die Forscher einen knapp vier Zentimeter langen und 500 Nanometer dicken Faden per Elektronenstrahlverdampfung mit einer 80 Nanometer dicken Goldschicht. Senkrecht zu dieser nun elektrisch leitfähigen Nanofaser erzeugten sie ein äußeres Magnetfeld mit einer Stärke von 3,8 Tesla. So wandelte der vergoldete Faden jede Bewegung linear in ein elektrisches Spannungssignal um. Damit wirkte die Faser – angeregt durch Schallwellen – wie eine Art Nanogenerator, dessen Spannung direkt an den Enden der Faser abgenommen und ausgewertet werden konnte.
Da nur Schallwellen, die normal auf die Faser treffen, diese effizient in Schwingung versetzen, eignet sich ein solcher Aufbau auch zur Bestimmung der Richtung der auftreffenden Wellen. Zur Demonstration wurde der Sensor aus unterschiedlichen Richtungen mit einer Frequenz von drei Hertz beschallt, wobei sich ein klarer Zusammenhang zwischen Winkel und gemessener Amplitude zeigte. Den Forschern zufolge sind für eine derartige Richtungsbestimmung von Infraschallwellen normalerweise mindestens zwei Sensoren im Abstand von einigen Metern bis Kilometern nötig.
Thomas Brandstetter
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