02.11.2017

Spinnenfaden als Mikrofon

Mit vergoldeten Zugfäden von Spinnen lassen sich feinste Luftbewegungen exakt detektieren.

Feine Härchen zur Wahrnehmung von Luftströmungen und Schallwellen sind in der Tierwelt weit verbreitet. Moskitos, Fliegen und Spinnen dienen sie zur Orientierung, zur Warnung vor Feinden oder zum Aufspüren von Beute. Im Gegensatz zu den Membranen herkömmlicher Mikrofone oder auch dem menschlichen Trommelfell spricht diese Methode anstelle von Druck­schwankungen direkt auf Luftbewegungen an. Forschern der Universität Birmingham in New York ist es nun gelungen, mithilfe von Spinnenfäden feinste Schwingungen und Strömungen in der Luft nahezu exakt abzubilden.

Abb.: Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus. (Bild.: J. Zhou, R.N. Miles / PNAS)

Traditionelle Methoden zur Strömungs­messung wie etwa die Laser-Doppler-Anemometrie basieren darauf, kleine Partikel zu beobachten, die sich in der zu untersuchenden Strömung mit­bewegen.Wie Jian Zhou und Ronald Miles in ihrer aktuellen Studie nun zeigen konnten, ist auch ein lose an beiden Enden eingespannter Faden in der Lage, der Bewegung von Luft genau zu folgen – solange er nur dünn genug ist. Gegenüber im Fluid gelösten Partikel hat die Methode den entscheidenden Vorteil, dass sich die Bewegung sehr einfach detektieren lässt. Der Faden bleibt immer am selben Ort und kann etwa mithilfe eines Laser­vibrometers beobachtet werden. Oder noch einfacher: man macht ihn leitfähig, platziert ihn in einem Magnetfeld und misst die Induktions­spannung an seinen Enden.

Für eine erste Demonstration haben die Forscher einen acht Millimeter langen und 500 Nanometer dicken Zugfaden einer gewöhnlichen Kreuzspinne (Araneus Diadematus) an seinen Enden eingespannt und in dem echofreien Raum drei Meter vor einem Lautsprecher platziert. So war gewährleistet, dass ebene Schallwellen auf den Faden trafen, der normal zur Ausbreitungs­richtung orientiert war. Um eventuelle nichtlineare Effekte aufgrund von Dehnung auszuschließen, war der Faden dabei nicht gespannt, sondern locker zwischen den beiden Aufhängungs­punkten befestigt. Ein Laser­vibrometer, das auf die Mitte des Fadens gerichtet war, analysierte die Bewegung des Fadens. Eine Aufnahme mit einem herkömmlichen Mikrofon diente als Vergleichs­messung.

Das Ergebnis zeigt eine klare Übereinstimmung der beiden Messsignale und deutet auf eine hohe Klang­treue der Vibro­meter­messung hin. Da als Anregungsschall ein komplexes Signal bestehend aus dem Flügelschlag eines Insekts (100-700 Hertz) und dem Gesang eines Vogels (2-10 Kilohertz) diente, birgt das Ergebnis auch einen interessanten Hinweis für die Biologie: Es legt nahe, dass Spinnen nicht nur direkte Berührungen ihrer Netze wahrnehmen können. Sie könnten die Netze auch als eine Art Antenne verwenden. Diese nimmt den durch die Luft getragenen Schall auf und macht die Tiere auf weiter entfernte Beute oder Jäger aufmerksam.

Einer der Vorteile der neuartigen Methode gegenüber konventionellen Mikrofonen ist die Bandbreite. Den beiden Autoren zufolge kann ein Spinnenfaden als idealer Resonator betrachtet werden, der die Bewegung der umliegenden Luft in einem Frequenz­bereich von 1 Hertz bis 50 Kilohertz fast exakt nachvollzieht. Damit deckt er deutlich mehr als den für Menschen hörbaren Bereich ab. Wie Messungen der Geschwindigkeit des Fadens zeigen, entspricht diese über den gesamten Frequenz­bereich derjenigen der umgebenden Luft­partikel.

Um den gesamten Frequenzbereich experimentell abzudecken, kamen für die Anregung der Schallwellen verschiedene Lautsprecher­systeme vom Subwoofer bis zum Super­tweeter zum Einsatz. Während die Messung der Bewegung des Fadens wieder über ein Laser­vibrometer erfolgte, wurde die Bewegung der Luft nur auf indirektem Weg bestimmt: Bei niedrigen Frequenzen bis 100 Hertz wurde die gemessene Bewegung der Lautsprecher­membran der Bewegung der Luftpartikel gleichgesetzt. Für höhere Frequenzen diente eine Messung des Schalldrucks als Grundlage für eine Abschätzung der Druck­gradienten, aus der dann die Geschwindigkeit der Luft abgeleitet werden konnte.

Um aus einem Spinnenfaden letztendlich einen praktikablen Schwingungs­sensor zu machen, überzogen die Forscher einen knapp vier Zentimeter langen und 500 Nanometer dicken Faden per Elektronen­strahl­verdampfung mit einer 80 Nanometer dicken Goldschicht. Senkrecht zu dieser nun elektrisch leitfähigen Nanofaser erzeugten sie ein äußeres Magnetfeld mit einer Stärke von 3,8 Tesla. So wandelte der vergoldete Faden jede Bewegung linear in ein elektrisches Spannungs­signal um. Damit wirkte die Faser – angeregt durch Schallwellen – wie eine Art Nano­generator, dessen Spannung direkt an den Enden der Faser abgenommen und ausgewertet werden konnte.

Da nur Schallwellen, die normal auf die Faser treffen, diese effizient in Schwingung versetzen, eignet sich ein solcher Aufbau auch zur Bestimmung der Richtung der auftreffenden Wellen. Zur Demonstration wurde der Sensor aus unterschiedlichen Richtungen mit einer Frequenz von drei Hertz beschallt, wobei sich ein klarer Zusammenhang zwischen Winkel und gemessener Amplitude zeigte. Den Forschern zufolge sind für eine derartige Richtungs­bestimmung von Infraschall­wellen normalerweise mindestens zwei Sensoren im Abstand von einigen Metern bis Kilometern nötig.

Thomas Brandstetter

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