Spins mit Schall einfangen
Akustische Manipulation von Elektronenspins könnte zu verbesserter Quantenkontrolle führen.
Farbzentren sind Gitterdefekte in Kristallen, die ein oder mehrere zusätzliche Elektronen einfangen können. Der Spin dieser Elektronen reagiert sehr empfindlich auf äußere elektrische und magnetische Felder – und auf Schall. Ein Forscherteam aus Russland und Deutschland ist jetzt die gezielte Schallwellen-Manipulation von Elektronenspins im Grundzustand und im angeregten Zustand gelungen. Das öffnet den Weg zu neuen, bisher unzugänglichen Methoden der Verarbeitung von Quanteninformation.
Die eingefangenen Elektronen absorbieren typischerweise Licht im sichtbaren Spektrum, so dass ein transparentes Material, beispielsweise Diamant, durch solche Zentren farbig wird. „Farbzentren gehen oft mit bestimmten magnetischen Eigenschaften einher, was sie zu vielversprechenden Systemen für Anwendungen in der Quantentechnologie macht, wie Quantenspeicher oder Quantensensoren. Die Herausforderung besteht darin, effiziente Methoden zu entwickeln, um die magnetische Quanteneigenschaft von Elektronen oder in diesem Fall ihre Spin-Zustände zu kontrollieren“, erklärt Georgy Astakhov vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.
Typischerweise wird das durch die Anwendung elektromagnetischer Felder realisiert, aber eine alternative Methode ist die Nutzung mechanischer Schwingungen, wie etwa akustische Oberflächenwellen. Dabei handelt es sich um Schallwellen, die auf die Oberfläche eines Festkörpers begrenzt sind.
Die Forscher demonstrieren den Einsatz von akustischen Oberflächenwellen zur Steuerung von Elektronenspins in Siliziumkarbid, einem Halbleiter, der Silizium in vielen Anwendungen ersetzen könnte, die Hochleistungselektronik erfordern. Bei dem Experiment stimmt ein Magnetfeld die Resonanzfrequenzen des Elektronenspins auf die Frequenz der akustischen Welle ab, während ein Laser Übergänge zwischen dem Grundzustand und dem angeregten Zustand des Farbzentrums induziert.
Diese optischen Übergänge spielen eine fundamentale Rolle: Sie ermöglichen die optische Detektion des Spinzustands, indem sie die Lichtquanten registrieren, die bei der Rückkehr des Elektrons in den Grundzustand ausgesendet werden. Dank einer starken Wechselwirkung zwischen den periodischen Schwingungen des Kristallgitters und den in den Farbzentren gefangenen Elektronen gelingt es den Wissenschaftlern, den Elektronenspin gleichzeitig sowohl im Grundzustand als auch im angeregten Zustand durch die akustische Welle zu steuern.
Hier kommt ein weiterer physikalischen Prozess ins Spiel: die Präzession. Die Präzessionsachse eines Spins steht unter dem Einfluss einer akustischen Welle und ändert jedes Mal die Ausrichtung, wenn das Farbzentrum zwischen Grundzustand und angeregtem Zustand springt. Da die Länge der Zeitdauer, die das Farbzentrum im angeregten Zustand verbringt, zufällig ist, führt der große Unterschied in der Orientierung der Präzessionsachsen im Grundzustand und im angeregten Zustand dazu, dass sich die Ausrichtung des Elektronenspins und damit die darin gespeicherte Quanteninformation unkontrolliert ändert.
Diese Änderung führt dazu, dass die im elektronischen Spin gespeicherte Quanteninformation nach mehreren Sprüngen verloren geht. Die Forscher zeigen jetzt einen Weg auf, um das zu verhindern: Durch eine geeignete Stimmung der Resonanzfrequenzen des Farbzentrums werden die Präzessionsachsen des Spins im Grundzustand und im angeregten Zustand kollinear: Die Spins behalten ihre Präzessionsorientierung entlang einer wohldefinierten Richtung bei, auch wenn sie zwischen Grundzustand und angeregtem Zustand hin- und her springen.
Unter dieser besonderen Bedingung wird die im Elektronenspin gespeicherte Quanteninformation von den durch den Laser verursachten Sprüngen zwischen Grundzustand und Anregungszustand entkoppelt. Diese Technik der akustischen Manipulation bietet neue Möglichkeiten für die Verarbeitung von Quanteninformation in Quantengeräten mit ähnlichen Abmessungen wie die heutiger Mikrochips. Dies dürfte erhebliche Auswirkungen auf die Herstellungskosten und damit auf die Verfügbarkeit von Quantentechnologien für die Allgemeinheit haben.
HZDR / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Hernández-Mínguez et al.: Acoustically induced coherent spin trapping, Sci. Adv. 7, eabj5030 (2021); DOI: 10.1126/sciadv.abj5030 - Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf