08.11.2019

Stabiles Plutonium

Neue Phase des Metalls könnte bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle eine Rolle spielen.

Eine internationale Forschergruppe unter der Leitung von Kristina Kvashnina vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossen­dorf HZDR hat eine neue Form des Plutoniums entdeckt: eine stabile Phase mit der Wertigkeit 5. Diese Phase, von der bislang angenommen worden war, dass sie gar nicht existiert, könnte bei der Endlagerung radio­­aktiver Abfälle eine Rolle spielen. Denn die sichere Endlagerung von Nuklear­abfällen ist eine Herausforderung. Auch über sehr lange Zeiträume hinweg dürfen Radio­nuklide nicht in die Umwelt gelangen. Plutonium zählt dabei – wie beispielsweise auch Uran – zu den besonders problematischen Elementen. Denn obwohl sich Plutonium als Schwermetall nicht besonders gut im Wasser löst, hatten Forscher in konta­minierten Gebieten festgestellt, dass es innerhalb weniger Jahrzehnte mit dem Grundwasser über Kilometer hinweg transportiert worden ist. Und zwar reist es quasi als Anhalter, indem es sich an Kolloide bindet, also an nanometer­große Partikel von Tonmineralen, Eisen­oxiden oder organischer Substanz.

Abb.: Kristina Kvashnina an der Rossen­dorf-Beamline an der Euro­päischen...
Abb.: Kristina Kvashnina an der Rossen­dorf-Beamline an der Euro­päischen Synchrotron­strahlungs­quelle ESRF in Grenoble. (Bild: HZDR)

2006 erregte diese Entdeckung großes Aufsehen, und es war klar, dass die Effekte in die Risiko­betrachtung von Endlagern einbezogen werden müssen. Nun ist es dem HZDR-Team in Kooperation mit der Moscow State University, der Uppsala University und dem Joint Research Center (JRC) in Karlsruhe gelungen, diese Risiko­betrachtung um eine Facette ergänzen. Aus purem Zufall. Denn eigentlich ging es bei diesen Experimenten um etwas vollkommen anderes. Die Forscher wollten ursprünglich untersuchen, wie sich aus verschiedenen Vorläufer­substanzen Nanopartikel aus Plutoniumdioxid herstellen lassen. Diese Partikel sollten dann an der European Synchro­tron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble näher untersucht werden.

Das Verfahren war immer genau gleich – nur, die Oxidations­stufen des Plutoniums, das als Ausgangs­stoff diente, unterschieden sich. Alles lief, wie erwartet, und die PuO2-Nanopartikel, die an ihrer grünen Farbe leicht zu erkennen sind, entstanden sehr schnell. Doch dann setzte das Team sechswertiges Plutonium ein: „Plötzlich beobach­teten wir mitten drin ein verrücktes Phänomen, denn die Lösung färbte sich gelb“, erinnert sich Kristina Kvashnina. Offenbar lief da eine Reaktion ab, bei der ein unbekanntes Produkt entstand. Um heraus­zufinden, was es war, verpackte Kvashnina die gelbe Lösung in Spezialcontainer und brachte sie nach Grenoble. Dort wurden die Proben an der Synchrotron-Beamline ROBL analysiert. Über die Röntgen­absorptions­spektroskopie konnte das Verhalten von Elektronen beobachten werden „So entdeckten wir, dass die Oxidations­stufe des Plutoniums in dieser gelben Lösung tatsächlich 5 beträgt“, erklärt Kvashnina.

Damit lag es in einer Form vor, die bislang als exotisch galt und von der viele Forscher noch nicht einmal glaubten, dass sie existiert: Sie sollte instabil sein. Wie groß die Zweifel an den Ergeb­nissen waren, zeigte sich, als das Team seine Daten mit Kollegen von der Moscow State University durchging: Die hielten die Messungen für das Ergebnis einer schief­gelaufenen Synthese. Die Forscher wiederholten ihre Synthesen und Messungen, setzten auch noch eine zweite ESRF-Beamline ein. Doch die Ergebnisse blieben gleich. Außerdem konnte das Team durch Messungen drei Monate später die Langzeit­stabilität nachweisen. Dann gab es auch noch Bestätigung von anderer Seite: Zwei theoretische Chemiker vom HZDR und der Universität in Uppsala kamen mit ihren chemischen Model­lierungen zu dem Ergebnis, dass tatsächlich eine stabile Phase des fünf­wertigen Plutoniums existiert.

„Ohne die Analyse­möglichkeiten, die die Synchrotron­strahlung bietet, und die Möglichkeit, an unserer Rossen­dorfer Beamline ROBL auch mit Radio­nukliden zu arbeiten, wäre diese Entdeckung niemals gelungen“, sagt Kvashnina. Und sie ist davon überzeugt, dass diese Entdeckung von großer prak­tischer Bedeutung ist, wenn es darum geht, das Verhalten der Radio­nuklide im Atommüll über eine Million Jahre hinweg vorherzusagen: „Wenn diese neue stabile Phase berück­sichtigt wird, dürfte das sicherlich die Ergebnisse der theo­retischen Vorhersagen verändern“, so die Forscherin.

HZDR / JOL

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