16.05.2018

Stärker als Stahl und Spinnenseide

Neue Produktionsmethode überträgt Eigen­schaften von Nano­materi­alien in die Alltags­welt.

An der Röntgenlichtquelle PETRA III des Deutschen Elek­tronen-Synchro­trons hat ein Forscher­team unter schwedischer Führung das bis­lang stärkste Bio­material her­ge­stellt. Die bio­lo­gisch abbau­baren künst­lichen Zellulose­fasern sind stärker als Stahl und sogar stärker als Spinnen­seide, die als das stärkste bio­lo­gische Material gilt. Das ultra­starke Material besteht aus Zellulose-Nano­fasern, den Grund­bau­steinen von Holz und anderen Pflanzen. Mit Hilfe einer neuen Produk­tions­methode haben die Forscher um Daniel Söder­berg von der König­lichen Tech­nischen Hoch­schule Stock­holm erfolg­reich die beson­deren mecha­nischen Eigen­schaften der Nano­fasern auf ein makro­sko­pisches Material über­tragen, das sich außer­dem durch sein geringes Gewicht aus­zeichnet und beispiels­weise als umwelt­freund­liche Kunst­stoff­alter­native in Autos, für Möbel und in Flug­zeugen Anwen­dung finden könnte. „Unser neues Material hat auch Poten­zial für die Bio­medizin, da Zellulose vom Körper nicht abge­stoßen wird“, erläutert Söder­berg.

Abb.: Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme einer fertigen Faser. (Bild: N. Mittal, KTH Stockholm)

Die Wissenschaftler nutzen kommerziell angebotene Zellulose-Nano­fasern, die nur etwa zwei bis fünf Nano­meter dünn und bis zu sieben­hundert Nano­meter lang sind. Die Nano­fasern werden in Wasser durch einen dünnen, nur einen Milli­meter breiten Kanal in einem Stahl­block geschickt. Dieser Kanal besitzt zwei Paare seit­licher Zuflüsse, durch die ent­ioni­siertes Wasser sowie Wasser mit niedrigem pH-Wert ein­fließen. Dadurch wird der Strom der Nano­fasern zusammen­ge­presst und beschleunigt. Diese hydro­dyna­mische Fokus­sie­ung sorgt dafür, dass sich die Nano­fasern in der gewünschten Orien­tie­rung aus­richten und sich von selbst zu einem eng gepackten Faden zusammen­lagern. Die Nano­fasern haften dabei ganz ohne Kleb­stoff oder irgend­eine andere Zutat durch supra­mole­kulare Kräfte zusammen, die zwischen den Nano­fasern wirken, beispiels­weise elektro­statische und Van-der-Waals-Kräfte.

Im hellen Röntgenstrahl von PETRA III konnten die Forscher den Prozess im Detail ver­folgen und opti­mieren. „Das Röntgen­licht erlaubt uns, die detail­lierte Struktur des Fadens zu analy­sieren, während er ent­steht. Das schließt sowohl die Material­struktur ein als auch die hierar­chische Ordnung in den super­starken Fasern“, erläutert Stephan Roth, Leiter der Mikro- und Nano­fokus-Mess­station P03, an der die Fäden gesponnen wurden. „Wir haben Fäden von bis zu 15 Mikro­metern Dicke und mehreren Metern Länge her­ge­stellt“, berichtet Roth. Die Fäden lassen sich den Forschern zufolge auch in größerer Dicke fertigen.

Die Untersuchung zeigte eine Biegesteifigkeit des Materials von 86 Giga­pascal und eine Zug­festig­keit von 1,57 Giga­pascal. „Die von uns her­ge­stellten bio­basierten Nano­zellulose­fäden sind acht­mal steifer und einige Male zug­fester als die Abseil­fäden aus natür­licher Spinnen­seide“, betont Söder­berg. „Wenn man ein bio­basiertes Material sucht, gibt es nichts wirk­lich Ver­gleich­bares. Es ist auch stärker als Stahl und alle anderen Metalle oder Legie­rungen sowie als Fiber­glas und die meisten anderen synthe­tischen Materi­alien.“ Die künst­lich her­ge­stellten Zellulose­fäden lassen sich etwa zu einem Stoff für ver­schie­denste Anwen­dungen weben. Die Forscher schätzen, dass die Produk­tionsk­osten des neuen Materials dabei mit denen besonders fester synthe­tischer Stoffe konkur­rieren können. „Aus dem neuen Material lassen sich im Prinzip bio­lo­gisch abbau­bare Bau­teile ent­wickeln“, ergänzt Roth.

Die in der Untersuchung beschriebene neue Methode ahmt die Fähig­keit der Natur nach, Zellulose-Nano­fasern zu nahezu perfekten makro­sko­pischen Anord­nungen zu arran­gieren, wie etwa in Holz. Damit eröffnet sich die Möglich­keit, ein Material aus Nano­fasern zu ent­wickeln, das sich für größere Werk­stücke nutzen lässt, und dabei die Zug­festig­keit und die mecha­nische Belast­bar­keit der Nano­fasern zu erhalten.

„Wir können jetzt die überragende Leistung aus dem Nano­kosmos in den Makro­kosmos über­tragen“, betont Söder­berg. „Ermög­licht hat diese Ent­deckung, dass wir gelernt haben, die funda­men­talen Schlüssel­para­meter für die perfekte Nano­struktu­rie­rung wie beispiels­weise Partikel­größe, Wechsel­wirkungen, Aus­richtung, Aus­breitung, Netzwerk­bildung und Gruppie­rung zu ver­stehen und zu kontrol­lieren.“ Der Prozess kann den Wissen­­schaftlern zufolge auch benutzt werden, um beispiels­weise die Gruppie­rung von Kohlen­stoff-Nano­röhrchen oder anderen Nano­fasern zu steuern.

DESY / RK

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