31.07.2020

Starker Schutz vor Wasserstoff

Neuartige Beschichtung schützt vor störender Versprödung.

Wasserstoff gilt als Hoffnungs­träger der Energiewende. Noch aber sind einige Hürden zu überwinden, ehe der Wasserstoff in großem Stil zum Einsatz kommen kann. Eine Heraus­forderung besteht darin, dass atomarer Wasserstoff Metalle verspröden lässt. Das kann dazu führen, dass Bauteile versagen. Atomarer Wasserstoff sammelt sich ausgerechnet an jenen Stellen im Bauteil an, die besonders beansprucht sind, etwa an Schweißnähten oder in Bereichen, die unter Spannung stehen. Insbesondere bei Bauteilen, die hohen Betriebs­temperaturen ausgesetzt sind, kann die Wasserstoff­versprödung zum Problem werden. Der Physiker Lukas Gröner hat nun am Fraunhofer-Institut für Werkstoff­mechanik IWM, Mikro­Tribologie Centrum µTC, und am Institut für Mikro­systemtechnik der Universität Freiburg spezielle Beschichtungen für Bauteile aus Stahl entwickelt und getestet, die das Eindringen von atomarem Wasser­stoff nahezu unterbinden.

Abb.: Mikroskop-Aufnahme der Bruchkante einer Titan­aluminium­nitrid-Schicht...
Abb.: Mikroskop-Aufnahme der Bruchkante einer Titan­aluminium­nitrid-Schicht mit plättchen­artigem Gefüge. (Bild: Fh.-IWM)

Dabei handelt es sich um MAX-Phasen-Materialien, an denen inter­national seit mehr als zehn Jahren geforscht wird. „MAX-Phasen haben verblüffende Eigen­schaften, weil sie Merkmale von Keramiken und Metallen vereinen“, so Lukas Gröner. MAX-Phasen sind, wie Keramiken, unempfindlich gegen Angriff durch Sauerstoff und sehr hitze­beständig. Zugleich sind sie elektrisch leitend wie Metalle. Und anders als reine Keramiken sind sie nicht spröde, weshalb sie nicht zerbrechen. Gröner ist es nun gelungen, dünne MAX-Phasen-Beschich­tungen zu erzeugen, die den Stahl sehr gut vor Korrosion und Versprödung durch Wasserstoff schützen.

In einer Vakuumkammer schied er dazu zunächst sehr präzise abwechselnde Lagen aus Alumninium­nitrid und Titan auf einer Stahl­oberfläche ab mithilfe physikalischer Gasphasenabscheidung. Anschließend wurde dieser nur etwa drei Mikrometer dicke Sandwichaufbau erhitzt, wobei sich eine sehr dünne MAX-Phasen-Schicht aus Titan, Aluminium und Stickstoff bildete. Die Heraus­forderung bestand darin, das Abscheiden von Titan und Aluminium­nitrid so zu steuern, dass sich beim anschließenden Erhitzen parallele Ti2AlN-Plättchen aus­bildeten. Das hat geklappt: „Die Plättchen liegen wie Ziegel in einem Mauerwerk dicht an dicht aufeinander“, sagt Gröner.

In seiner Promotion untersuchte Gröner auch, wie sich die MAX-Phasen-Beschichtung verhält, wenn sie stark erhitzt wird – so wie es künftig in Gasturbinen oder Brennstoff­zellen der Fall sein könnte. Um übliche Betriebs­beanspruchungen nachzustellen, erwärmte er das Material auf 700 Grad und ließ es bis zu 1000 Stunden im Ofen. Dabei entstand an der Oberseite der Beschichtung eine dünne Lage aus einem speziellen Aluminium-Oxid – dem α-Al2O3. Wie sich im weiteren Verlauf der Untersuchungen zeigte, verstärkt dieser dünne Aluminium-Oxid-Belag die Barriere­wirkung der Schutzschicht gegenüber Wasserstoff ganz erheblich. 

Um zu prüfen, wie gut die MAX-Phasen-Schicht das Eindringen von Wasserstoff ins Metall verhindert, entwickelte Gröner zunächst einen Prüfstand für blechförmige Proben neu. In diesem Versuchsstand verglich er unbeschichtete Stähle mit MAX-Phasen-beschichteten Stählen. Damit ließ sich das Eindringen des Wasserstoffs genau quantifizieren und der Permeations­reduktionsfaktor (PRF) als Maß für die Barrierewirkung bestimmen. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Stähle mit einer MAX-Phasen-Schicht, die nicht erhitzt wurden, hielten den Wasserstoff immerhin 50-mal besser zurück als unbe­handelte Stähle. Besonders eindrucksvoll aber waren die Ergebnisse für die beschichteten Stähle, die erhitzt worden waren und eine α-Al2O3-Schicht gebildet hatten. Diese hielten den Wasserstoff rund 3500-mal stärker zurück als der unbehandelte Stahl. „Das sind Werte, die den Anfor­derungen der Industrie absolut genügen“, sagt Gröner. 

Wie gut die MAX-Phasen-Schichten in der Anwendung funktionieren, testet Gröner derzeit in Zusammenarbeit mit Kooperations­partnern wie dem Forschungs­zentrum Jülich – beispiels­weise an Hochtemperatur­brennstoffzellen, die mit Betriebstemperaturen von rund 600 Grad Celsius arbeiten. Gröner: „Die MAX-Phasen-Beschichtungen sind für solche Anwendungen ideal, weil sie die metallischen Bauteile vor Hitze schützen und zugleich den elektrischen Strom ableiten können, der im Inneren der Brenn­stoffzelle entsteht.“ Auch für Gasturbinen sei die Beschichtung geeignet. Denn dem Erdgas soll künftig mehr und mehr regenerativ erzeugter Wasserstoff beigemischt werden, was dazu führt, dass das Gas mit höherer Temperatur verbrennt. Mehr Wasserstoff und höhere Temperaturen erhöhen aber das Risiko der Wasserstoff­versprödung, weshalb eine Bauteil-Beschichtung mit α-Al2O3 hier sehr vorteilhaft sein kann. Ob das neue Beschichtungs­verfahren künftig von der Industrie als Dienstleitung angeboten wird oder in anderer Form den Weg in den Markt findet, kann Gröner derzeit noch nicht sagen. Auch müssen die einzelnen Beschichtungs-Prozess­schritte noch optimiert werden. 

Fh.-IWM / JOL

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