Start in Etappen
Die Großforschungsanlage FAIR in Darmstadt wird in einer „abgespeckten“ Version starten.
Physik Journal – Die Großforschungsanlage FAIR in Darmstadt wird in einer „abgespeckten“ Version starten.
Die Vorbereitungen laufen seit Jahren, der offizielle Startschuss fiel bereits 2007, aber bis zum Erreichen der Ziellinie ist noch ein langer Atem nötig. Immerhin zeichnet sich inzwischen der weitere Streckenverlauf klar ab, und unerwartete Hürden sind über-wunden. Die Rede ist von einem der ehrgeizigsten internationalen Großforschungsgeräte, der „Facility for Antiproton and Ion Research“ FAIR, die in den nächsten Jahren beim gerade 40 Jahre alt gewordenen GSI Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt entstehen soll. Angesichts einer Finanzierungslücke von rund 100 Millionen bei einer Investitionssumme von einer Milliarde Euro haben die Projektverantwortlichen kürzlich beschlossen, FAIR schrittweise in einzelnen Modulen zu bauen.
Abb.: Die Startversion von FAIR bei GSI in Darmstadt (weiß) besteht aus dem großen Beschleuniger SIS 100 (grün) mit Experimentiereinrichtungen (rot), dem Super-Fragmentseparator (gelb) sowie einer Antiprotonenanlage (orange). (Bild: GSI)
FAIR soll als „Vielzweckmaschine“ ein reichhaltiges wissenschaftliches Programm ermöglichen, angefangen von Atom-, Plasma- und Angewandter Physik über die Physik von Hadronen und Kernen bis hin zur Kernastrophysik. Wie entstehen die Massen der Hadronen? Welche Eigenschaften hat Materie unter den extremen Bedingungen in astrophysikalischen Objekten? Wie haben sich das frühe Universum und die Materie darin entwickelt? Was ist der Ursprung der Elemente im Universum? Diese und weitere spannende Fragen möchten die beteiligten rund 2500 Wissenschaftler mithilfe von mehreren Beschleunigern und Speicherringen sowie 14 Experimenten an FAIR beantworten. „Ich vergleiche FAIR gerne mit einem bunten Blumenstrauß“, sagt der wissenschaftliche Direktor Boris Sharkov, „denn im Gegensatz zu anderen Großgeräten mit eng definiertem wissenschaftlichem Programm wird FAIR in einer einzigartigen Breite fundamentale Fragen zur Struktur der Materie beantworten.“
Bereits Anfang 2006 hatte die Bundesregierung beschlossen, das FAIR-Projekt zu unterstützen und drei Viertel der Kosten zu übernehmen. Im Zuge der immer genaueren Planung sind die Kosten von anfangs 675 Millionen deutlich gestiegen und liegen nach einer detaillierten Vorplanung nun bei 1150 Millionen. Dem stehen feste Finanzierungszusagen von Deutschland und den 15 Partnerländern von 1038 Millionen gegenüber. Der Bund und das Land Hessen übernehmen dabei 705 Millionen, der zweitgrößte Beitrag kommt mit 178 Millionen aus Russland. „Leider gibt es eine Diskrepanz zwischen den Gesamtkosten und den finanziellen Zusagen“, erläutert Hans-Dieter Krämer, technischer Direktor von FAIR. Nach vergeblichen Verhandlungen um höhere Zusagen und um eine weitere Verzögerung zu vermeiden, hätten sich die Verantwortlichen daher entschlossen, mit einer reduzierten Version von FAIR zu starten. Diese beinhaltet neben dem Herzstück von FAIR, dem supraleitenden Beschleuniger für Ionen (SIS 100), drei weitere Module mit Experimentiereinrichtungen sowie Anlagen zum Erzeugen von reinen Strahlen aus radioaktiven Isotopen bzw. energiereichen Antiprotonen. Ein internationales Gutachtergremium hat bestätigt, dass auch diese Startversion ohne die beiden Module 4 und 5 allen wissenschaftlichen Communities exzellente Forschungsmöglichkeiten gewährleistet. Sobald die Finanzierungslücke geschlossen ist, sollen die beiden letzten Module folgen. „Wir sind optimistisch, dass wir die nötigen Mittel von neuen Partnerländern, durch höhere Beiträge der bestehenden Partner sowie durch weitere Optimierung während der Bauphase erhalten“, sagt Sharkov.
Nicht enthalten in den genannten Zahlen sind Kosten in Höhe von 110 Millionen Euro, die durch den Standort bedingt sind. Testbohrungen haben gezeigt, dass das Gelände neben dem bestehenden GSI-Gelände keinen felsigen Untergrund hat und daher bis zu 2000 jeweils 50 Meter lange Pfähle den Boden stabilisieren müssen. Da die Partnerländer nicht bereit waren, zusätzliche Millionen „in Beton“ zu investieren, haben sich der Bund und Hessen in „einer einmaligen, kurzfristigen und sehr konsequenten Aktion bereit erklärt, diese Kosten zu übernehmen“, freut sich Krämer: „Das war fantastisch“.
Nachdem diese Hürde genommen ist, steht nun die Unterzeichnung der multinationalen Verträge an. Die Abstimmung zwischen den Staaten hat sich – wie auch schon beim Europäischen Röntgenlaser XFEL in Hamburg – als sehr langwierig entpuppt, da jeweils mehrere Ministerien in den Ländern beteiligt sind. Die Verantwortlichen sind aber zuversichtlich, dass sie im Frühjahr die FAIR GmbH als internationalen Projektträger gründen können, unter deren Dach die Anlage gebaut und betrieben wird. Im Herbst stünde dann die Waldrodung an, und nach dem Baubeginn im nächsten Jahr könnte 2015/16 der eigentliche Startschuss für die Wissenschaftler fallen.
Stefan Jorda
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