Staubkörnchen treiben den Wind Roter Riesen an
Geschickte Kombination von Beobachtungstechniken macht transparenten Staub in unmittelbarer Umgebung der Sterne sichtbar.
Mit mithilfe einer neuen Beobachtungsmethode hat ein internationales Forscherteam Staubkörner, die mit 600 Nanometern erstaunlich groß waren, in überraschender Nähe zu Roten Riesensternen aufgespürt. Die Partikel müssen transparent sein, da sie so nah an den Sternen sonst durch die Strahlung zerstört würden, so die Astronomen. Damit liefern die Beobachtungen erstmals einen Einblick in den Mechanismus, der den Sternwind bei Roten Riesen antreibt: Gestreutes Sternenlicht beschleunigt die Staubpartikel, die ihre kinetische Energie wiederum durch Kollisionen auf vom Stern ausgestoßenes Gas übertragen.
Abb.: Staubhülle um den Roten Riesen W Hydrae bei horizontaler und vertikaler Polarisation. Das Bild des Sterns im Inneren der Staubhülle wurde künstlich zur Illustration eingefügt. Zum Vergleich ist außerdem die Größe der Sonne eingezeichnet. (Bild: B. Norris)
Schwere Elemente, ohne die es weder erdähnliche Planeten noch Leben gäbe, entstehen vor allem in den Endphasen der Sternentwicklung. Die nuklearen Prozesse, die schwere Elemente produzieren, sind bekannt und gut verstanden. Weniger gut verstanden ist bislang der Weg, auf dem die schweren Elemente in das interstellare Medium gelangen und so für die Produktion neuer Himmelskörper zur Verfügung stehen.
Supernovae spielen zwar eine wichtige Rolle dabei, sind aber nicht die einzigen Produzenten schwerer Elemente. Einen großen Beitrag leisten Sterne mittlerer Masse, die sich am Ende ihres Lebens zu Roten Riesen aufblähen und dann einen großen Teil ihrer äußeren Hülle durch einen langsamen, dichten Sternwind ins Weltall abgeben. Welcher Prozess aber treibt diese Sternwinde an?
Über die grundlegenden physikalischen Prozesse herrscht unter den Forscher Einigkeit. In den Atmosphären kühler Riesensterne entstehen winzige Staubkörnchen, die durch die Strahlung des Sterns nach außen beschleunigt werden. Pulsationen und Konvektion führen andererseits dazu, dass der Stern ständig große Mengen an Gas ausstößt. Ohne Staub würde dieses Gas überwiegend auf den Stern zurückfallen. Durch Zusammenstöße der Staubkörnchen mit den Gasatomen erhalten diese jedoch ausreichend Energie, um das Schwerefeld des Sterns zu verlassen.
Offen ist bislang die Frage, wo sich diese Staubkörner aufhalten, woraus sie bestehen und wie groß sie sind. Denn einerseits dürfen sie nicht durch die Strahlung zerstört werden – andererseits müssen sie von der Strahlung stark genug beschleunigt werden. Barnaby Norris von der University of Sydney und seine Kollegen haben nun eine Kombination aus polarimetrischen und interferometrischen Messungen am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile genutzt, um den Staub um drei Rote Riesen direkt zu beobachten. Während die Interferometrie eine hohe räumliche Auflösung der Stern-Umgebungen erlaubt, liefert die Polarimetrie Informationen über die Größe der Staubkörner.
Der von Norris und seinem Team aufgespürte Staub besteht aus 600 Nanometer großen Silikatpartikeln und befindet sich sehr nahe an den Sternen – nur etwa einen Sternradius über der Oberfläche. In dieser Nähe zur Sternoberfläche muss der Staub transparent sein und kann daher nicht durch Absorption beschleunigt werden. „Transparenz bedeutet üblicherweise, dass der Strahlungsdruck nicht ausreicht, um den Wind anzutreiben“, schreiben die Forscher. „Doch das Strahlungsfeld kann Körner dieser Größe durch Photonenstreuung statt -absorption beschleunigen.“ Damit konnten Norris und Kollegen erstmals den Antrieb des Sternwinds bei Roten Riesen direkt beobachten.
Rainer Kayser
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PH