28.04.2015

Stein-Schere-Papier mit Bosonen

Spieletheorie liefert Hinweise, warum diese Quanten­teilchen sich so gern in Gruppen zusammen­finden.

Beim Erforschen des Verhaltens von Quantenteilchen erreichen Wissenschaftler schnell die Grenzen der experimen­tellen Physik. Ab hier geht es mit den Ideen und Analysen theore­tischer Physiker weiter. Erwin Frey hat mit seinem Team am Arnold Sommerfeld Center der LMU auf diesem Weg das Verhalten von Bosonen untersucht. Dabei handelt es sich um eine Art von Quanten­teilchen, die sich gerne zu Gruppen zusammentun. Mit Hilfe der Spiel­theorie konnten die Physiker jetzt erklären, wie es zu dieser Gruppen­bildung kommt.

Abb.: Mathematische Methoden geben Aufschluss über die Übergangs­wahrscheinlich­keiten zwischen den 50 Kondensat-Zuständen des gezeigten Samples (gelb: isolierte Zustände; blau: Subsystem aus 6 Zuständen; rot & grün: "Stein-Schere-Papier"-Zyklen; Bild: Knebel et al. / NPG)

Die Welt der Quantenteilchen lässt sich in zwei Arten einteilen, Fermionen und Bosonen. Während die Fermionen dem Pauli'schen Ausschlussprinzip unterliegen, sind Bosonen gesellige Kerlchen und können denselben Quanten­zustand einnehmen. Auf den absoluten Nullpunkt abgekühlt, können sie sich gar wie ein einziges „Superteilchen“ verhalten, denn dort sind alle im niedrigst möglichen Energie­zustand – als Bose-Einstein Kondensat. D1924 vorhergesagt gelang es in den 1990er Jahren erstmals, diese Theorie mit ultra­kalten Atomen experimentell zu bestätigen.

Vor kurzem haben jetzt Wissenschaftler die Theorie aufgestellt, Bosonen könnten sich nicht nur in einem einzigen, sondern auch in mehreren Kondensaten zusammenfinden. Dazu müssen sie sich in einem offenen System befinden, in dem ihnen von außen, zum Beispiel durch einen Laser, Energie zugeführt wird, und jedes Teilchen außerdem die Möglichkeit hat, seine Energie an die Umgebung abzugeben. Erwin Frey und sein Team konnten jetzt erklären, warum sich Bosonen in diesen Nichtgleichgewichtssystemen in mehrere „Quasi-Energiezustände“ gruppieren.

Die Münchner Physiker greifen dafür auf eines ihrer Spezial­gebiete zurück, die Spieltheorie. Mit dieser mathematischen Methodik untersuchen Wissen­schaftler vieler Disziplinen die Wechselwirkung zwischen einzelnen Individuen. Dazu gehören so unterschiedliche Bezie­hungen und Verhaltensweisen wie die vom Raubtier und seiner Beute oder welche Strategien sich bei „Schere-Stein-Papier“ durch­setzen, das in der Spiel­theorie oft als Standard­beispiel dient. Aber auch typische gruppendynamische Prozesse wie Entscheidungsfindungen oder Meinungsbildung lassen sich durch die Spieltheorie beschreiben. Und nicht zuletzt zeigen jetzt Frey und seine Gruppe, dass auch das Verhalten von Quanten­teilchen mit Hilfe der Spieltheorie beschrieben werden kann und einem überge­ordneten physika­lischen Prinzip folgt.

„Hinter unseren komplexen theoretischen Berechnungen versteckt sich ein anschauliches Prinzip“, erklärt Freys Dokto­rand Johannes Knebel. „Zunächst schwingen alle Bosonen nach ihrem eigenen Schema. Durch das Zusammen­spiel von Zu- und Abgabe von Energie finden sich die Bosonen zu mehreren Gruppen zusammen, so wie sich bei einem Spiel mit vielen Strategien am Ende nur die erfolg­reichen durchsetzen oder wie sich in einer Diskussion mit zunächst unzähligen Stand­punkten einzelne Meinungs­bilder heraus­kristal­lisieren.“ Mit der Zeit kehrt also eine gewisse Ordnung ein, gekenn­zeichnet durch die Abnahme der relativen Entropie, die das kollektive Verhalten der Bosonen steuert.

Den Forschern geht es vor allem darum, immer besser zu verstehen, wie Quanten­physik funktioniert. „Eine konkrete Anwendung lässt sich aus unserer Forschung noch nicht ableiten“, betont Frey. „Aber typisch für Grund­lagen­forschung ist ja auch, dass sie oft ganz unerwar­tete Ergebnisse und Ideen für neue Entwick­lungen liefert. So hat beispielsweise das Verständnis darüber, wie sich Bosonen kollektiv verhalten, in der Vergangenheit bereits dazu geführt, Phänomene wie Supra­flui­dität zu verstehen und Techno­logien wie Supra­leiter zu entwickeln.“

Es ist daher spannend, ob die Experimen­tatoren die Vorhersagen der Theoretiker zu Bosonen im Nicht­gleich­gewicht bestätigen oder widerlegen. Versuche mit ultra­kalten Atomen, wie sie die Münchener Gruppe des NIM-Wissen­schaftlers Immanuel Bloch durchführt, könnten zu viel­ver­spre­chenden Kandidaten zum Test der Theorie erwachsen.

LMU / OD

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