Stellare Totgeburten
Die Systematik kosmischer Körper muss offenbar überarbeitet werden. Bonner Forscher haben herausgefunden, dass braune Zwerge als eine eigene Klasse neben Sternen und Planeten behandelt werden müssen.
Die Systematik kosmischer Körper muss offenbar überarbeitet werden. Forscher am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn haben herausgefunden, dass braune Zwerge als eine eigene Klasse neben Sternen und Planeten behandelt werden müssen. Bisher hielt man sie nur für zu klein geratene Sterne. Möglicherweise sind sie jedoch regelrechte stellare „Fehlgeburten“.
Als braune Zwerge (engl. brown dwarf, BD) bezeichnen Wissenschaftler Objekte, die neben den Sternen die Galaxien bevölkern. Anders als diese können sie jedoch aufgrund ihrer geringen Masse (weniger als etwa acht Prozent der Sonnenmasse) keine ergiebige Wasserstoff-Kernfusion wie im Innern unserer Sonne entfachen. Doch darüber hinaus scheinen sich braune Zwerge und Sterne auch in ihrem „Paarungsverhalten“ zu unterscheiden.
Sterne kommen nämlich oft in Paaren vor, die einander umtanzen. Die Intimität, mit der dieser Tanz erfolgt, ist jedoch sehr unterschiedlich: Manchmal ist die „Führung“ enger als ein Erdbahnradius (auch Astronomische Einheit, AE, genannt). Die beiden Partner können aber auch viele tausend AE Abstand halten. „Anders sieht es bei braunen Zwergen aus“, erklärt der Astrophysiker Ingo Thies vom Bonner Argelander-Institut für Astronomie. „Die Bahnradien von BD-Paaren sind oberhalb von etwa 15 AE abgeschnitten; BD-Paare mit größeren Abständen sind die Ausnahme.“
Außerdem gibt es kaum gemischte Paare aus Sternen und braunen Zwergen - weit weniger als erwartet. Dieses Phänomen wird auch als brown dwarf desert (von engl. desert = Wüste) bezeichnet. „Nach dem klassischen Modell dürfte es diese Unterschiede nicht geben", erklärt Pavel Kroupa vom Argelander-Institut. „Demnach sollten sowohl Braune Zwerge als auch Sterne aus interstellaren Gaswolken entstehen, die sich aufgrund ihrer Masseanziehung zusammenballen. Wenn dem so wäre, sollten sich diese Himmelskörper aber auch ähnlich verhalten.“
Trotz dieses Widerspruchs hielt die astronomische Gemeinde bislang am gemeinsamen Entstehungsmodell fest. Thies und Kroupa haben nun aber zum ersten Male empirisch nachgewiesen, dass braune Zwerge als eine von den Sternen unabhängige Objektklasse gesehen werden müssen. „Dazu haben wir die Massen neugeborener Sterne analysiert“, erklärt Thies. „Dabei wird ein Sprung in der Masseverteilung sichtbar, die die Zweiteilung der stellaren Population offensichtlich macht.“
Tod eines Sternen-Embryos
Wie aber entstehen nun Braune Zwerge? Bereits 2001 kamen der dänische Forscher Bo Reipurth, die Britin Cathie Clarke und der spanische Astronom Eduardo Delgado-Donate auf die Idee, braune Zwerge als stellare „Totgeburten“ zu interpretieren: Ein System aus drei Sternen-Embryos zerfällt aufgrund der gegenseitigen Masseanziehung, und das leichteste Objekt wird aus dem System heraus katapultiert. Der physikalische Mechanismus selbst ist seit langem bekannt: Auch die leichten amerikanischen Pioneer- und Voyager-Raumsonden wurden durch die Schwerkraft der Planeten auf ihre Reise ohne Wiederkehr ins All geschleudert.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass sich braune Zwerge in den äußeren Regionen entstehender Sterne bilden und von diesen getrennt werden. Dies kann etwa aufgrund einer nahen Begegnung mit einem dritten Stern geschehen. Da fast alle Sterne in Sternhaufen geboren werden, sind solche Begegnungen nicht selten. Möglicherweise treten sogar beide Szenarien kosmischer Fehlgeburten auf.
Beide Theorien sagen voraus, dass Braune Zwerge nur bei der Geburt von Sternen entstehen können - ähnlich übrigens wie Planeten. Somit gibt es wohl drei grundsätzlich verschiedene Himmelsobjekte: Planeten, braune Zwerge und Sterne.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn