Sterne im Kugelsternhaufen NGC 1651 gleich alt
Vermeintliche Altersstreuung möglicherweise durch schnell rotierende Sterne vorgetäuscht.
Sterne verbringen die längste Phase ihrer Existenz auf der Hauptreihe im Hertzsprung-Russell-Diagramm. Wenn sie den Wasserstoff-Vorrat in ihrem Kern erschöpft haben, beginnt das Schalenbrennen und die Sterne blähen sich zu Unterriesen auf. Dabei wandern sie im HRD von der Hauptreihe in den Unterriesen-Ast ab. In den vergangenen zehn Jahren fanden Astronomen zu ihrer Überraschung, dass der Abknickpunkt von der Hauptreihe zum Unterriesen-Ast bei massereichen Kugelsternhaufen mittleren Alters nicht scharf definiert ist, sondern signifikant verbreitert. Demnach müssten die Sterne in einem solchen Haufen nicht, wie zuvor vermutet, alle gleichzeitig, sondern über einen Zeitraum von mehr als 300 Millionen Jahren entstanden sein. Das allerdings steht im Widerspruch zu theoretischen Modellen. Denn danach verlieren junge Kugelsternhaufen nach Einsetzen der Sternentstehung innerhalb weniger zehn Millionen Jahren ihr freies Gas, also das Material zur Entstehung weiterer Sterne.
Abb.: Kugelsternhaufen NGC 1651, aufgenommen vom Hubble Space Telescope. (Bild: NASA/ESA)
Chengyuan Li von der Universität Peking und seine Kollegen haben nun mithilfe von Archivdaten des Weltraumteleskops Hubble das HRD des zwei Milliarden Jahre alten Kugelsternhaufens NGC 1651 in der Großen Magellanschen Wolke einer eingehenden Analyse unterzogen. Das Team konnte zunächst erwartungsgemäß eine signifikante Verbreiterung des Abknickpunkts bestätigen. Doch im Gegensatz dazu erwies sich der Unterriesen-Ast als extrem schmal. „Mit Blick auf die weitreichenden Konsequenzen der Interpretation des verbreiterten Abknickpunkts in Hinblick auf die Evolution des Sternhaufens ist das überraschend“, konstatieren Li und seine Kollegen. Denn eine Streuung im Alter der Sterne sollte auch zu einer Verbreiterung des Unterriesen-Asts führen.
„Der beobachtete schmale Unterriesen-Ast ist also ein starkes Indiz dafür, dass die Sternentstehung in NGC 1651 keineswegs über einen längeren Zeitraum angedauert haben kann“, so die Forscher weiter. Als obere Grenze für die Dauer der Sternentstehung finden sie einen Wert von 100 Millionen Jahren, womit die Diskrepanz zu den Entstehungsmodellen verschwinden könnte. Bleibt die Frage, was dann zur Verbreiterung des Abknickpunkts führt, wenn es keine entsprechende Streuung im Sternenalter gibt. Li und seine Kollegen diskutieren zwei mögliche Einflüsse: nichtaufgelöste Doppelsterne und schnell rotierende Sterne.
Beides würde sowohl zu einer Verbreiterung des Abknickpunkts, als auch zu einer Verbreiterung oder – im Fall der schnell rotierenden Sterne – Aufspaltung des Unterriesen-Asts führen. Das Team zeigt jedoch mithilfe theoretischer Modelle, dass bei einer geringen Effektivität der Durchmischung im Inneren der schnell rotierenden Sterne der Unterriesen-Ast ausreichend schmal bleiben kann. Die Forscher gestehen aber, dass der Einfluss der Rotation auf die Sternentwicklung noch nicht ausreichend verstanden ist. Hier gibt es also noch Handlungsbedarf, um die Verbreiterung des Abknickpunkt endgültig zu erklären.
Rainer Kayser
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