08.03.2006

Sternexplosion im jungen Kosmos

Der amerikanische Satellit Swift hat den bislang ältesten Gammaausbruchs registriert.




Der amerikanische Satellit Swift hat im September 2005 einen Gammastrahlungsschauer registriert, der einen neuen Rekord aufstellt: Er weist die bislang größte Rotverschiebung eines Gammaausbruchs auf. Sein Ursprung liegt damit in einer neuen Rekordentfernung - und belegt zugleich die Explosion eines Sterns zu einer Zeit, als unser Universum erst 900 Millionen Jahre alt war. Drei Forscherteams berichten in der aktuellen Ausgabe von "Nature" über die Entdeckung, die den Astronomen neue Erkenntnisse über die ersten Sterne im Kosmos liefern könnte.

Das optische Nachglühen des Gammaausbruchs GRB 050904. Die drei Aufnahmen entstanden in aufeinander folgenden Nächten am 4,1 Meter großen SAOR-Teleskop in Chile. (Quelle: Daniel Reichart, University of North Carolina)


Am 4. September 2005 registrierten die Gamma-Detektoren einen 80 Sekunden andauernden Schauer hochenergetischer Photonen. Solche Gammaschauer sind nichts allzu ungewöhnliches - durchschnittlich einmal am Tag wird die Erde von einem "Gamma Ray Burst" getroffen. Doch GRB 050904 war, so sollte sich rasch zeigen, etwas Besonderes. Innerhalb von Sekunden schwenkte Swift sein Röntgenteleskop in Richtung des Sternbilds Fische, aus dem der Gammaschauer gekommen war. Swift konnte eine rasch schwächer werdende Röntgenquelle ausmachen und deren Position mit einer Genauigkeit von sechs Bogensekunden messen - ausreichend für weitere Beobachtungen mit optischen Teleskopen vom Erdboden aus.

Ein automatisches System alarmierte Beobachter in aller Welt. Schon wenige Stunden nach dem Ausbruch konnten Astronomen mit dem 4,1-Meter-Teleskop des Southern Observatory for Astrophysical Research auf dem Cerro Pachon in Chile das Nachglühen der Explosion im nahen Infrarotbereich beobachten. Weitere Messungen zeigten, dass die Rotverschiebung des Nachglühens über 6 lag - der bisherige Rekord für Gammaausbrüche lag bei 4,5. Genauere Messungen anderer Sternwarten im optischen Bereich lieferten schließlich für GRB 050904 eine Rotverschiebung von z = 6,295.

Das bedeutet, dass die Wellenlänge der Strahlung durch die Expansion des Weltalls auf ihrem Weg von der Quelle zu uns um den Faktor z+1 = 7,295 gestreckt wurde. Und um eben diesen Faktor hat sich in dieser Zeit auch der Kosmos ausgedehnt - seine Größe betrug also zum Zeitpunkt der Explosion nur 13,7 Prozent der heutigen Größe. Daraus ergibt sich zugleich, dass die Explosion etwa 900 Millionen Jahre nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren stattfand.

Nach heutigen Erkenntnissen entstehen Gammastrahlungsschauer bei der Explosion extrem massereicher Sterne. Je größer die Masse eines Sterns, desto schneller verbraucht er seinen Wasserstoffvorrat: Ein Stern mit der zwanzigfachen Sonnenmasse lebt nur wenige Millionen Jahre. Da die Entstehung von massereichen Sternen bereits wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall eingesetzt hat, haben die Astronomen schon seit langem auf die Beobachtung von Sternexplosionen in dieser frühen Phase des Universums gehofft.

GRB 050904 ist der erste beobachtete Gammaausbruch aus einer Zeit, in der das Wasserstoffgas zwischen den Galaxien noch nicht durch die ultraviolette Strahlung der jungen Quasare reionisiert wurde. Die Beobachtung der Absorptionslinien im optischen Nachglühen der Explosion bietet den Astronomen daher eine bislang einmalige Möglichkeit, die physikalischen Bedingungen des interstellaren Mediums zu dieser kosmischen Epoche zu erforschen.

Und natürlich hoffen die Forscher, dass es nicht bei diesem einen Fall bleibt. Die Strahlung von GRB 050904 zeigt, dass der explodierte Stern bereits mit schweren Elementen angereichert war. Da diese Elemente nicht beim Urknall entstanden sind, sondern nur durch Kernfusion in Sternen gebildet werden, muss es also eine noch frühere Sterngeneration gegeben haben, deren Mitglieder nur aus dem beim Urknall gebildeten Wasserstoff und Helium entstanden sind. Die Beobachtung von Explosionen dieser allerersten Sterne könnte den Astrophysikern sogar einen Einblick in die Zeit vor der Entstehung der ersten Galaxien geben.

Rainer Kayser


Weitere Infos:

  • Originalarbeiten:
    "A photometric redshift of z = 6.39 +/- 0.12 for
    GRB 050904", J. B. Haislip et al., Nature 440, 181 (2006)
    "An optical spectrum of the afterglow of a gamma-ray burst at a redshift of z = 6.295", N. Kawai et al., Nature 440, 184 (2006)
    "Huge explosion in the early Universe", G. Cusumano et al., Nature 440, 164 (2006)

Weitere Literatur:

  • D.Q. Lamb und D.E. Reichart, "Gamma-ray bursts as a probe of the very high redshift Universe", Astrophysical Journal 536, 1 (2000)
    B. Ciardi, und A. Loeb "Expected number and flux distribution of gamma-ray burst afterglows with high redshifts", Astrophysical Journal 540, 687 (2000)

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