Sternexplosion in 3D
Computersimulationen zeigen erstmals dreidimensional die Abläufe in kollabierenden Sternen.
Mit den bislang aufwändigsten Computersimulationen gelang es Forschern am Max-Planck-Institut für Astrophysik, die komplizierten Vorgänge bei der Entstehung von Neutronensternen im Zentrum kollabierender Sonnen mit zuvor nicht erreichter Genauigkeit zu berechnen. Diese weltweit ersten dreidimensionalen Modelle mit einer detaillierten Behandlung aller wichtigen physikalischen Effekte bestätigen, dass extrem heftige, stark asymmetrische Schwipp-Schwapp- und Drehbewegungen der stellaren Materie auftreten. Damit stützen die Ergebnisse der Simulationen grundsätzliche Vorstellungen über die dynamischen Prozesse, wenn ein Stern als Supernova explodiert.
Abb.: Das Team am MPA nutzte für seine Simulationen Supercomputer wie den SuperMUC des Leibniz-Rechenzentrums mit über 155.000 Prozessorkernen und einer nominellen Maximalleistung von mehr als 3 Petaflop/s. (Bild: LRZ)
Neutronensterne entstehen durch Supernovae. In diesen kompakten exotischen Sternleichen wird rund die eineinhalbfache Masse der Sonne auf die Größe einer Kugel mit dem Durchmesser Münchens zusammengequetscht. Dies geschieht in Bruchteilen einer Sekunde, wenn der stellare Kern unter dem Einfluss der eigenen Schwerkraft in sich zusammenbricht und seine Implosion erst dann abstoppt, wenn die Dichte von Atomkernmaterie – 300 Millionen Tonnen im Volumen eines Zuckerwürfels – überschritten wird.
Aber was verursacht den Supernovaausbruch des Sterns? Die genauen Vorgänge dabei sind immer noch Gegenstand intensiver Forschung. Eine entscheidende Rolle spielen Neutrinos. Die Neutrinostrahlung heizt das den heißen Neutronenstern umgebende stellare Gas auf und könnte so die Explosion des Sterns zünden. Nach dieser Vorstellung würden die Neutrinos so lange Energie ins stellare Gas pumpen und Druck aufbauen, bis eine Stoßwelle den Stern in einer Supernova zerreißt.
Forscher vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) in Garching ist es nun gelungen, die Abläufe in kollabierenden Sternen erstmals in den drei natürlichen Raumdimensionen im Detail zu simulieren. „Dabei benutzten wir fast 16.000 Prozessorkerne im Parallelbetrieb, und dennoch benötigte eine einzige Modellrechnung rund 4,5 Monate“, erzählt Florian Hanke, der die Simulationen durchführte. Nur zwei Rechenzentren in Europa konnten hierfür hinreichend leistungsfähige Supercomputer für so lange Zeiträume zur Verfügung stellen, nämlich die Rechner CURIE am Très Grand Centre de calcul du CEA bei Paris und SuperMUC am Leibniz-Rechenzentrum in Garching.
Abb.: Turbulente Entwicklung eines Neutronensterns zu drei Zeitpunkten (0,154, 0,240 und 0,278 Sekunden) nach Beginn der Neutronensternbildung in einer dreidimensionalen Computersimulation. In charakteristischen pilzartigen Blasen kocht neutrinogeheiztes Gas, während die SASI-Instabilität gleichzeitig wilde Pulsationen und Drehbewegungen der gesamten geheizten Materieschicht (rot) und der einhüllenden Supernovastoßwelle (blau) verursacht. (Bild: E. Erastova, M. Rampp, RZG)
Bei der Auswertung zeigt das stellare Gas nicht nur das durch die Neutrinoheizung erwartete wilde Brodeln und Blubbern mit den dafür typischen aufsteigenden Blasen, ähnlich wie bei kochendem Wasser. Die Wissenschaftler sahen im Sterninneren zusätzlich auch große Schwipp-Schwapp-Bewegungen, die zeitweise sogar in schnelle Rotationsbewegungen übergehen. Ein solches Verhalten war zwar vorher bereits als Akkretionsstoßinstabilität (Standing Accretion Shock Instability, SASI) bekannt, aber bislang nur in vereinfachten und unvollständigen Modellrechnungen beobachtet worden. Die Supernovastoßwelle bleibt dabei nicht kugelförmig, sondern bildet starke, pulsierende Asymmetrien, die aus kleinen Störungen oszillierend anwachsen.
Die Garchinger Forschergruppe konnte erstmals zweifelsfrei zeigen, dass die Instabilität auch in den bislang realistischsten Computermodellen eine bedeutende Rolle spielt. „Sie dirigiert nicht nur die Materiebewegungen im Supernovakern, sie prägt dadurch auch den Neutrino- und Gravitationswellensignalen, die bei einer galaktischen Supernova beobachtet werden, charakteristische Signaturen auf. Außerdem macht sie die Sternexplosion extrem asphärisch, sodass der entstehende Neutronenstern eine hohe Rückstoßgeschwindigkeit und eine Eigendrehung erhält“, erläutert Teammitglied Bernhard Müller.
Die Forscher beabsichtigen nun, mit weiteren Modellen die messbaren Effekte der SASI genauer zu analysieren und ihre Vorhersagen entsprechender Signale zu verbessern. Auch wollen sie mit weiteren und längeren dreidimensionalen Computersimulationen verstehen, wie diese Instabilität mit dem Neutrinoheizen zusammenarbeitet und seine Wirkung verstärkt. Es soll dabei geklärt werden, ob ein solches Zusammenspiel der lang gesuchte Mechanismus ist, der die Supernova auslöst und dabei den Neutronenstern als kompakten Überrest zurücklässt.
MPA / AH
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Turbulente Entwicklung eines Neutronensterns in einer dreidimensionalen Computersimulation. (Visualisierung: E. Erastova, M. Rampp, RZG)