18.08.2022 • OptikQuantenoptik / Photonik

Störungsfreie Lichtübertragung für Gyroskope

Hohle Glasfasern ermöglichen präzise Lagebestimmung im All.

Nicht nur die moderne Tele­kommu­ni­kation basiert auf optischen Fasern, auch die Messtechnik profitiert von ihnen. So sind sie elementarer Bestandteil von Gyroskopen, also hochgenauen Rotations­sensoren. Muss nur eine Bewegungs­richtung erfasst werden, verwendet man in der Regel Beschleu­nigungs­sensoren. Soll dagegen die drei­dimen­sionale Bewegung eines autonomen Objekts im Raum gemessen werden, benötigt man ein Messsystem, das aus jeweils drei Beschleu­nigungs­sensoren und Gyroskopen besteht.

Abb.: Durch die Ver­wen­dung von Hohl­kern­fasern werden faser­optische...
Abb.: Durch die Ver­wen­dung von Hohl­kern­fasern werden faser­optische Gyro­skope weniger an­fällig gegen­über äußeren Stör­faktoren. (Bild: Fh.-IZM)

Bei einem optischen Faser­gyroskop wird eine Faser ringförmig auf eine Spule gewickelt und bildet einen Ring­resonator, indem sich das Licht im Uhrzeiger­sinn und in Gegen­richtung bewegt. Bei einer Drehung des Objekts verlängert sich der Weg einer Lichtwelle gering­fügig, während er sich für die andere verkürzt. Diesen feinen Unterschied misst ein Detektor und schließt wie ein hoch­genauer Kreisel auf die Rotation.

Doch hier stoßen optische Fasern an ihre Grenzen, denn magnetische und elektrische Felder beeinträchtigen die Inter­pretationen des Sensors. Zudem können Wechsel­wirkungen zwischen Licht und Material dazu führen, dass sich die optischen Eigen­schaften des durch­drungenen Materials verändern. Diese nicht­linearen Effekte wirken sich wiederum direkt auf die Ausbreitung des Lichts selbst aus. Während solche feinen Abweichungen etwa in der Tele­kommu­nikation keine relevante Größe darstellen, können sie bei der Navigation autonomer Objekte bis zu einer messbaren Abweichung vom Kurs führen.

Um diese Störeffekte zu verhindern, unter­suchen Forscher am Fraunhofer-Institut für Zuver­lässig­keit und Mikro­inte­gration neue Technologien und Materialien und setzen auf einen viel­ver­sprechenden Neuling auf dem Markt, die Hohlkern­fasern. Diese sind genauso dünn wie optische Fasern, beinhalten in ihrem Inneren jedoch statt einer gläsernen Füllung lediglich Luft. Das Licht kann den hohlen Kern ungehindert und somit störungsfrei durch­dringen. Risiko­faktoren wie die genannten Material­verän­derungen werden deutlich reduziert. Das Licht breitet sich in Hohlkern­fasern anderthalbmal schneller aus als in Standard­fasern. Daher sind Hohlkern­fasern auch für die Daten­über­tragung von hohem Interesse. Bislang sind sie in der Herstellung aber noch viel zu teuer.

Um sich die Hohlkern­fasern und ihre störungs­resistenten Eigen­schaften für den Aufbau hoch­genauer Gyroskope zu eigen zu machen und die Herstel­lungs­kosten zu reduzieren, musste das Forschungs­team um die Photonik-Experten Wojciech Lewoczko-Adamczyk und Stefan Lenzky einen Weg finden, wie die Aufbau- und Verbindungs­technik mit den neuen Fasern umgesetzt werden kann. Eine besonders große Heraus­forderung war dabei die Aufteilung des Lichtsignals auf mehrere Kanäle. Die hierfür übliche Kopplung einzelner Licht­wellen­leiter durch Verschmelzen kommt für Hohlkern­fasern nicht infrage, da sich ihre Röhren­struktur beim Schmelz­vorgang verformen würde.

Deshalb bauen die Forscher miniatu­ri­sierte Kollimatoren auf: Die hoch­präzisen Linsen fangen das Licht an einem Faserausgang auf und lassen es parallel wieder austreten, noch bevor es sich zerstreut. Ist dieser Schritt einmal geschafft, kann das Licht mittels halb­reflek­tierender Spiegel aufgeteilt und in den Ring­resonator geführt werden. Am Ausgangs­punkt wird seine Leistungs­stärke gemessen und durch einen zweiten Kollimator zurück in die Faser geführt.

Die Herstellung einer Kopplung mit zwei Kollimatoren benötigt jedoch äußerst hohe Genauigkeit: In Laboren können die Bauteile durch präzise Positionierer ausgerichtet und geklebt werden, doch nicht alle industriellen Produktions­stätten verfügen über solche Anlagen, weshalb vor allem kleine und mittel­ständische Unternehmen diesen Prozess bislang nicht anbieten können. Um die Technologie dennoch in individuelle Anwendungen integrieren zu können, entwickelt ein deutsch-polnisches Konsortium eine passive Kopplungs­plattform. Ihre Geometrie ermöglicht es, die gefertigten Kolli­matoren wie in eine Passform einzusetzen, so dass eine haargenaue Justage bei Kunden obsolet wird.

Obwohl das Projekt noch bis zum Jahresende läuft, verzeichnen die Forscher bereits Erfolge: So ist es zwar unabdingbar, dass Kolli­matoren den Lichtstrahl krümmen, doch die optischen Bauteile vom Fraunhofer-IZM weisen einen maximalen Brechungs­winkel von 0,04 Grad auf und sind damit um ein Zehnfaches präziser als handels­übliche Lösungen. Somit ist es gelungen, die Kolli­matoren­paare ohne Justage auf der passiven Kopplungs­plattform einzusetzen und dabei eine Koppel­effizienz von über 85 Prozent zu demon­strieren. Im dritten und letzten Projekt­jahr gilt es nun, die Plattform auf ihre Zuverläs­sig­keit zu testen, mit weiteren optischen wie mechanischen Bauteilen auszu­statten und in ein Gyroskop einzusetzen. Ist der Rotations­sensor einmal aufgebaut, kann die Technologie im realen Umfeld getestet werden.

Die Montage-Plattform für Kolli­matoren könnte nicht nur optische Gyroskope in Flugzeugen und Satelliten robuster gegenüber Stör­faktoren machen. Darüber hinaus bietet sie eine hybride Ergänzung für integrierte optische Systeme, die zum Beispiel beim Einsatz eines optischen Elements eine Freistrahl-Auskopplung benötigen. Divergie­rendes, aus dem Wellen­leiter austretendes Licht kann somit paralle­lisiert und wieder verlustarm in Wellenleiter eingespeist werden. Die optische Lösung spielt zudem bei der präzisen Material­bearbeitung durch Licht­über­tragung mit Ultra-Hoch­leistung sowie der Über­tragung von Infrarot- und kurz­welligem UV-Licht eine Rolle. Ebenfalls bietet die Tele­kommu­nikation viel­ver­sprechende Anwendungs­szenarien.

Fh.-IZM / RK

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