28.01.2022

Stoppuhr für Auger-Elektronen

Überlagerungszustände von Elektronen im Detail gemessen.

Elektronen können sich in einem Überlagerungs­zustand befinden, in dem sie sich abgestimmt aufeinander verstärken oder auslöschen. Die Beobachtung dieses Phänomens muss im Bereich von Attosekunden stattfinden. Zur Beobachtung solch ultraschneller Prozesse hat das Team um Wolfram Helml von der Fakultät Physik der TU Dortmund eine Art Stoppuhr genutzt. Dabei beobachteten sie den Auger-Meitner-Effekt, einen Abregungs­prozess, der bei allen leichteren Elementen und somit auch bei organischen Molekülen vorkommt.

Abb.: Illustration von Elektronen in einem Überlagerungs­zustand. (Bild: G....
Abb.: Illustration von Elektronen in einem Überlagerungs­zustand. (Bild: G. Stewart, SLAC)

Das Forschungsteam richtete Röntgenstrahlung auf das Gas Stickstoff­monoxid. Ein Elektron in einer kernnahen Schale wird dadurch in einen hochenergetischen Zustand gehoben und bleibt gerade noch an das Atom gebunden – von diesem Zwischenzustand gibt es verschiedene Varianten, die der Röntgenstrahl alle zur selben Zeit im Molekül auslösen kann. „Damit kein Schaden entsteht, beispielsweise das Molekül in seine Bestandteile Stickstoff und Sauerstoff zerfällt, möchte es sich schnell wieder abreagieren“, erklärt Helml. Um dies zu tun, füllt ein anderes Elektron die entstandene Lücke und wird näher an den Kern gezogen. Dadurch wird zusätzliche Energie frei, die von einem Auger-Elektron aufgenommen wird und das Atom verlässt. 

Mit der „Stoppuhr“ konnten die Physikerinnen und Physiker nun messen, wie viele Auger-Elektronen zu welchem Zeitpunkt in welchem Winkel emittiert werden und welche Energie sie dabei besitzen. Dabei entsteht eine exponentielle Verlaufs­kurve, bei der am Anfang sehr viele und im zeitlichen Verlauf immer weniger Elektronen emittiert werden. In dem Experiment konnte das Forschungsteam diese Messung zum ersten Mal in Stickstoff­monoxid vornehmen. Bei der Auswertung machten die Forscher zudem eine ungewöhnliche Entdeckung: Zu einem Zeitpunkt, in dem die Zahl der emittierten Elektronen eigentlich abnehmen sollte, stieg sie für wenige Attosekunden erneut an; die Verlaufskurve zeigte also eine Zwischen­erhöhung. Bei einer Änderung der Photonen­energie des Röntgenpulses konnten die Forscher ;eine Modulation der Erhöhung messen, was ein Anzeichen eines kohärenten Energiezustands ist.

„Indem wir die Photonen­energie durchstimmen, können wir die Kohärenz bewusst verstärken oder abschwächen. Dadurch können wir den Zerfall des angeregten Zustandes zeitlich kontrol­lieren“, erklärt Helml. „Die zeitaufgelösten Energien der emittierten Auger-Elektronen sind außerdem sehr sensible Sonden für kurzlebige Übergangs­zustände des Moleküls und können viel über seine grundlegenden Eigenschaften verraten.“

Die Messungen fanden unter Federführung der Stanford-Wissenschaftler Siqi Li, Taran Driver und James P. Cryan am SLAC National Accelerator Labora­tory statt. Dort steht einer von weltweit nur fünf Röntgenlasern, die den benötigten hoch­energetischen Bereich abdecken. Die Beobachtungen der Forscher könnten zukünftig ermöglichen, solche Überlagerungs­zustände gezielt herzustellen und genauer zu untersuchen. Dies könnte beispiels­weise Rückschlüsse auf die genauen Abläufe bei der Beschädigung biologischer Proben wie Proteinen oder DNA erlauben oder auch die gezielte Kontrolle von Bindungs­stellen in Molekülen ermöglichen. 

TU Dortmund / JOL

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