22.09.2003

Strom aus Gülle

Greifswalder Chemiker haben jetzt eine Vorstufe für eine Fäkalienbatterie entwickelt. Sie fütterten Escherichia coli-Bakterien mit einer Zuckerlösung und steckten Elektroden in das wohltemperierte Gebräu.

Strom aus Gülle

Greifswalder Chemiker haben jetzt eine Vorstufe für eine Fäkalienbatterie entwickelt. Sie fütterten Escherichia coli-Bakterien – den Paradeorganismus der Fäkalflora – mit einer Zuckerlösung und steckten Elektroden in das wohltemperierte Gebräu. Dank eines verbesserten Elektroden-Designs konnten sie Rekordwerte messen: Der elektrische Strom war mehr als zehnmal stärker als bei früheren Biozellen.

Die Idee, aus Fäkalien Strom zu erzeugen, ist nicht neu. Mitte der 80er-Jahre spendierte die NASA Geld für die Erforschung von Biobatterien. Damals waren Solarzellen für Raumfähren noch nicht weit entwickelt, sodass selbst Raumfahrer-Exkremente als mögliche Energiequelle in Betracht gezogen wurden.

Lebende Brennstoffzelle: E. Coli-Bakterien liefern Strom beim Gären (Quelle: Schröder)

Die bakteriellen Stromquellen funktionieren ähnlich wie Brennstoffzellen: Die Mikroorganismen nutzen für ihren Stoffwechsel biochemische Reaktionen. Indem man aus diesem Stoffwechsel Elektronen abzweigt und zum Minuspol transportiert, lässt sich eine elektrische Spannung erzeugen. Dazu mussten dem Bakterienschlamm bislang jedoch giftige Chemikalien hinzugefügt werden, die als „Fähren“ für die geladenen Teilchen dienten.

Ein zweites Verfahren, das ohne giftige Zusätze auskommt, beruht auf Bakterien mit „Eisenatmung“ – Mikroorganismen wie Shewanella putrefaciens, die in Tiefsee-Sedimenten vorkommen. Die Meeresbakterien versorgen Eisenoxide zur besseren Verdauung mit Elektronen und wandeln Fe 3+-Ionen in Fe 2+-Ionen um. In einer Brennstoffzelle verteilen die Bakterien ihre Elektronen dagegen an die Platinelektrode – den Minuspol. Der Nachteil: Die Bakterien sind nicht die schnellsten, der Strom ist schwach. Außerdem bleiben Zellreste am Minuspol haften.

Uwe Schröder, Juliane Nießen und Fritz Scholz haben nun den Minuspol der Brennstoffzelle mit einem leitenden Polymer (Polyanilin) überzogen, an dem Zellreste weniger gut kleben bleiben. Außerdem säuberten sie die Pole alle paar Minuten mit einem Stromstoß.

Dadurch brachten es die gärenden Coli-Bakterien auf einen Strom von 20 mA. Die Leistung von 9 mW reichte aus, um einen kleinen Lüfter anzutreiben. Ohne Nährstoffzufuhr produzierten die Bakterien 17 Stunden lang Strom. In abgelegenen Gegenden könnten die lebenden Brennstoffzellen einmal Energie für Umweltsensoren liefern, sagt Projektleiter Schröder.

Max Rauner

Quelle: Physik Journal, September 2003, S. 14

Weitere Infos:

  • Originalveröffentlichung:
    U. Schröder, J. Nießen und F. Scholz, Angew. Chem. 115 (25), 2986

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