Strom aus Hitze – thermoelektrisches Material erreicht Rekordeffizienz
Geschickte Strukturierung und Dotierung von Bleitellurid führt zu höheren Wirkungsgraden.
Thermoelektrika haben das Potenzial, nennenswerte Strommengen aus der Abwärme von heißen Abgasen zu gewinnen. Einzig die Wirkungsgrade von heute verfügbaren Materialien wie beispielsweise Wismuttellurid sind noch zu gering, um wirtschaftlich eingesetzt zu werden. Daher kommt einer ausgeklügelten Bearbeitung des lange bekannten Thermoelektrikums Bleitellurid durch amerikanische Materialforscher eine besondere Bedeutung zu. Ihnen gelang es, durch spezielle Sinterverfahren und Dotierungen den für Thermoelektrika zentralen ZT-Wert von 1,1 auf etwa 2,2 zu verdoppeln.
Abb.: Struktureller Aufbau des optimierten Thermoelektrikums PbTe (oben) und ein Foto des neuen Materials in der Form, wie er beispielsweise in kleine thermoelektrische Kraftwerke in Abgasrohren genutzt werden könnte (unten; Bild: M. Kanatzidis)
Für diesen Erfolg vereinten Mercouri Kanatzidis und seine Kollegen von der Northwestern University in Evanston eigentlich widersprüchliche Eigenschaften in einem einzigen Material. So veränderten sie den Halbleiter Bleitellurid derart, dass er in Kontakt zu einer Wärmequelle einerseits Ladungsträger für einen Stromfluss über den sogenannten Seebeck-Effekt freisetzen und gut leiten konnte. Andererseits blockierte das Material die Ausbreitung von Wärme über Phononen und zwischen den beiden Enden des Bleitellurids blieb lange eine hohe Temperaturdifferenz bestehen. Dieser Temperaturunterschied ist eine grundlegende Bedingung für den effizienten Betrieb von thermolektrischen Minikraftwerken.
Verantwortlich für die rekordverdächtigen thermoelektrischen Eigenschaften machten Kanatzidis und Kollegen den inneren Aufbau des kristallinen Bleitellurids sowohl in Nano- als auch im Mikrobereich. So ergänzten sie über ein Plasma unterstütztes Sinterverfahren kleine Nanopartikel aus Strontiumtellurid (Anteil: 4 Molprozent), um bei Wärmekontakt mehr Ladungsträger für eine höhere Stromausbeute erzeugen zu können. Zusätzlich dotierten sie diese Mischkristalle mit Natrium (Anteil: 2 Molprozent), wodurch die Wärmeleitfähigkeit reduziert werden konnte. Damit verdoppelten sie den thermoelektrischen Wirkungsgrad auf ZT = 2,2 bei einer Temperatur von 915 Kelvin. Die ersten Bleitellurid-Kraftwerken, die beispielsweise bei der Apollo-Mission zum Mond genutzt wurden und mit hoher Wahrscheinlichkeit noch heute auf der Oberfläche des Erdtrabantens elektrischen Strom erzeugen, erreichten gerade mal ZT = 1,1. Weitere heute verfügbaren Materialien rangieren ebenfalls tiefer bei ZT-Werten zwischen 1,5 und 1,8 für einen vergleichbaren Temperaturbereich.
„Das ist nicht nur ein großer Schritt für diese Arbeitsgruppe, sondern auch ein gigantischer Sprung für das Feld der Thermoelektrik“, beurteilt Tom Nilges von der TU München diese Ergebnisse in einem Kommentar. Denn mit den Fertigungsverfahren von Kanatzidis lässt sich der Kristallaufbau der Thermoelektrika sowohl auf der Nanoskala als auch über größere Bereiche der sogenannten Mesoskala kontrollieren. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, nun gezielt die Effizienz von anderen thermoelektrischen Substanzen, darunter auch weniger giftige als Bleitellurid, deutlich verbessern zu können.
Kanatzidis hält es sogar für möglich, mit ZT-Werten über 2 bis zu 20 Prozent der als Wärme verfügbaren Energie in elektrischen Strom umwandeln zu können. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob dieser Ansatz tatsächlich zu einem Durchbruch für thermoelektrische Module – idealerweise auch bei häufiger auftretenden niedrigeren Abgastemperaturen von 300 bis 400 Grad Celsius – führen werden. Dann wird schnell der Einsatz von kleinen thermoelektrischen Kraftwerken in Abgasschloten der Industrie oder an Autoauspuffen folgen. Laut verfügbaren Schätzungen ließe sich dann in einem PKW mit dem Abwärmestrom die Drehmaschine entlasten und der Treibstoffverbrauch um etwa zehn Prozent oder mehr senken.
Jan Oliver Löfken
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