Studie: Sternentstehung findet größtenteils im Verborgenen statt
Deutsche und britische Physiker revidieren heute gültige Modelle der Galaxienentwicklung in weiten Bereichen.
Deutsche und bristische Physiker revidieren heute gültige Modelle der Galaxienentwicklung in weiten Bereichen.
Physiker der Universität Bonn und der University of St. Andrews, Schottland, haben jüngst die Messungen von Sternentstehungsraten in Galaxien völlig revidiert. Zum Testen ihrer Theorie machten sie eine Vorhersage, die nun von einer amerikanischen Studie bestätigt worden ist. Ihre Ergebnisse werfen alle heute gültigen Modelle der Galaxienentwicklung in weiten Bereichen über den Haufen.
Um die Entwicklung der Galaxien im Universum verstehen zu können, muss man wissen, wie viele Sterne in Galaxien gebildet werden. Nun kann man aufgrund der großen Entfernung die Sterne in anderen Galaxien nicht einfach zählen. Die Astronomen behelfen sich daher mit einem Trick.
Die Schwergewichte unter den jungen Sternen verraten ihre Existenz nämlich dadurch, dass sie das Gas in ihrer Galaxie zum Leuchten anregen - und zwar in einer streng definierten Farbe. Astronomen sprechen von der H-Alpha-Linie. Aus der Intensität dieser Linie können sie auf die Zahl der jungen Giganten schließen. Bislang nahm man an, dass das Zahlenverhältnis zwischen schweren und leichten "Jung-Sternen" stets gleich ist. Unter dieser Bedingung lässt sich leicht berechnen, wie viele Sterne insgesamt gebildet werden.
Einige Sternhaufen unserer eigenen Galaxie sind uns so nahe, dass die Astronomen in ihnen noch einzelne Sterne zählen können. Auf diese Weise konnten sie bestimmen, wie viele leichte auf einen schweren Sternenjüngling kommen. Diesen Wert haben sie dann einfach für andere Galaxien übernommen. "Und genau darin steckt der Wurm", erklärt Jan Pflamm-Altenburg vom Bonner Argelander-Institut.
Denn schwere Sterne werden nur in schweren Sternhaufen gebildet. Kleine Sternhaufen senden dagegen gar keine H-Alpha-Linie aus. Damit ließe sich ja noch leben, wenn kleine und große Sternhaufen immer im selben Mischungsverhältnis vorkämen. "Dem ist jedoch nicht so", betont Pflamm-Altenburg.
Schwere Sternhaufen entstehen nämlich nur in großen Galaxien mit hoher 'Geburtenrate' - also dort, wo jedes Jahr viele neue Sterne das Licht der Welt erblicken. Das heißt: Je geringer die Geburtenrate, desto weniger schwere Sternhaufen; je weniger schwere Sternhaufen, desto schwächer die H-Alpha-Linie. "Diesen Effekt hat bislang niemand berücksichtigt", sagt Pavel Kroupa vom Argelander-Institut. "Als Folge hat man die niedrigen Sternentstehungsraten der kleinen Galaxien bisher völlig unterschätzt."
Zunächst war dies nur eine Theorie. Um ihre Richtigkeit auf die Probe zu stellen, haben Pflamm-Altenburg und Kroupa in Zusammenarbeit mit Carsten Weidner von der schottischen St. Andrews-Universität einen Test entwickelt. Junge Sterne verraten ihre Anwesenheit nicht nur durch H-Alpha-Strahlung, sondern auch durch Aussendung von UV-Licht. An Entstehung dieser UV-Strahlung sind auch leichtere junge Sterne beteiligt. Nach der herkömmlichen Theorie ist das Verhältnis von H-Alpha- zu UV-Strahlung konstant (eben weil auf einen schweren Jungstern immer dieselbe Zahl leichter Sterne kommt). Stimmt jedoch die Annahme der drei Forscher, sollte sich diese Relation in kleineren Galaxien aber zu Gunsten der UV-Strahlung verschieben.
Genau diesen vorhergesagten Effekt haben amerikanische Astronomen nun beobachtet. "Bisher dachte man immer, dass die kleinen Galaxien viel ineffizienter Sterne bilden als die großen Galaxien. Sie enthalten zwar viel Gas, nutzen es aber nicht", sagt Jan Pflamm-Altenburg. "Tatsächlich ist die Geburtenrate in ihnen aber viel höher." Kombiniert man UV- und H-Alpha-Messung, kommt man zu einem sehr einfachen Zusammenhang: Hat eine Galaxie doppelt so viel Gas, bildet sie auch doppelt so viele Sterne.
Die Ergebnisse werfen alle heute gültigen Modelle der Galaxienentwicklung in weiten Bereichen über den Haufen. "Diese Modelle wurden geradezu darauf hin entwickelt, die niedrigen Sternentstehungseffizienzen der kleinen Galaxien zu erklären", sagt Kroupa. "Diese gibt es aber gar nicht. Wir stehen also eigentlich wieder komplett am Anfang."
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
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AL