Superhart und doch metallisch leitfähig
Neuartiges Material mit Hightech-Perspektiven entwickelt.
Die Existenz einer Verbindung, die metallisch leitfähig, superhart und ultra-inkompressibel ist, wurde in der Forschung lange Zeit für unwahrscheinlich gehalten: Diese Eigenschaften könnten nicht gleichzeitig in demselben Material vorkommen und seien daher inkompatibel. Dieses Vorurteil konnte jetzt ein internationales Forscherteam widerlegen: Das von den Wissenschaftlern hergestellte neuartige Material Rhenium-Nitrid-Pernitrid erwies sich superharter metallischer Leiter, der wie ein Diamant extrem hohen Drücken standhält. Damit ist das Material für technologische Anwendungen hochattraktiv.
Zunächst haben die Wissenschaftler das Rhenium-Nitrid-Pernitrid bei Hochdruck-Experimenten in einem Labor der Uni Bayreuth synthetisiert und am Deutschen Elektronen-Synchrotron chemisch und strukturell charakterisiert. Unter einem Kompressionsdruck von vierzig bis neunzig Gigapascal entstanden in einer Diamantstempelzelle geringe Mengen des Materials Re₂(N₂)(N)₂. „Die Kristallstruktur, die wir am DESY an der Röntgenquelle PETRA III entdeckt haben, hat uns sehr überrascht“, sagt Maxim Bykov von der Uni Bayreuth. „Sie enthält einerseits einzelne Stickstoffatome und andererseits die Stickstoffhanteln N-N, in denen zwei Stickstoffatome besonders eng aneinander gebunden sind. Dieser innere Aufbau bewirkt offensichtlich eine sehr hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Drücken, die von außen auf die Kristalle einwirken: Rhenium-Nitrid-Pernitrid ist ultra-inkompressibel.“
An der Uni Bayreuth gelang es anschließend, das neue Material auch in einer Großvolumenpresse bei einem deutlich geringeren Druck von 33 Gigapascal herzustellen. „Anwendungen der Großvolumenpressen-Technologie für die Materialsynthese sind für die Materialwissenschaft von großer Bedeutung“, betont Tomoo Katsura von der Uni Bayreuth. Kern des neuen Verfahrens ist eine Reaktion von Rhenium mit Ammoniumazid. Das auf diesem Weg synthetisierte Rhenium-Nitrid-Pernitrid kann bei normalen Umgebungsbedingungen erforscht werden. Das Verfahren lässt sich für die Synthese von weiteren Nitriden anwenden, insbesondere von Nitriden der Übergangsmetalle, die ebenfalls technologisch attraktive Eigenschaften aufweisen können.
Die Forschungsarbeiten zeigen daher exemplarisch, welche innovativen Impulse von der materialwissenschaftlichen Hochdruckforschung ausgehen können. „Obwohl der genaue Anwendungsbereich des neuen Materials derzeit schwer zu definieren ist, ist Rhenium-Nitrid-Pernitrid aufgrund seiner außergewöhnlichen Kombination attraktiver Eigenschaften ein Material, das dazu beitragen kann, die technologischen Herausforderungen der Zukunft zu meistern“, sagt Natalia Dubrovinskaia von der Uni Bayreuth.
„Wichtig an unserer neuen Studie sind aber nicht nur die Ergebnisse als solche und die technologischen Anwendungen, die sich eines Tages daraus ergeben könnten“, sagt Leonid Dubrovinsky von der Uni Bayreuth. „Spannend ist vor allem, dass die Entwicklung und Synthese des neuen Materials bisherigen Auffassungen, die in der Materialwissenschaft fest etabliert waren, zuwiderläuft und sie klar widerlegt. Uns ist etwas gelungen, was früheren Vorhersagen zufolge gar nicht möglich gewesen wäre. Dies sollte weitere theoretische und experimentelle Arbeiten auf dem Gebiet der Hochdruckmaterialsynthese anregen und ermutigen.“
U. Bayreuth / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Bykov et al.: High-pressure synthesis of ultraincompressible hard rhenium nitride pernitride Re₂(N₂)(N)₂ lautet stable at ambient conditions, Nat. Commun. 10, 2994 (2019); DOI: 10.1038/s41467-019-10995-3 - Bayerisches Geoinstitut, Universität Bayreuth