03.09.2015

Superlinse für Schallwellen

Akustisches Metamaterial mit negativem Brechungsindex aus Getränkedosen aufgebaut.

Linkshändige Metamaterialien mit negativem Brechungsindex, die Licht- oder Schallwellen in die falsche Richtung brechen, lassen sich womöglich viel einfacher herstellen als gedacht. Das zeigen Forscher aus Frankreich mit 124 Getränkedosen, die sie zu einer linkshändigen akustischen Superlinse angeordnet haben.

Abb.: Die von oben gesehene Dosenbatterie wird von links mit einem Lautsprecher beschallt. Bewegliche Mikrophone nehmen den Schall dicht über den Dosen auf. (Bild : N. Kaina et al. / NPG)

Substanzen mit negativem Brechungsindex brechen einen Lichtstrahl nicht nur zum Lot hin sondern noch weiter, über das Lot hinaus, sodass einfallender und ausgehender Strahl in derselben Hälfte der Einfallsebene liegen. Aus solchen linkshändigen Materialien könnte man Superlinsen herstellen, die das Licht jenseits der Beugungsgrenze fokussieren. Mit ihnen erhielte man Brennflecken, die viel kleiner sind als die benutzte Lichtwellenlänge.

In der Natur kommen keine Substanzen mit negativem Brechungsindex vor. Dazu müsste bei derselben Frequenz sowohl die elektrische Permittivität als auch die magnetische Perme­abilität negativ sein. Doch künstliche Meta­materialien, die sowohl Bauelemente mit negativer elektrischer Permittivität als auch solche mit negativer magnetischer Permeabilität enthalten, können auf elektromagnetische Wellen mit hinreichend großer Wellenlänge wie eine homogene Substanz mit negativem Brechungsindex wirken. So hat man schon für verschiedene Lichtwellenlängen linkshändige Metamaterialien hergestellt.

Das Team um Geoffroy Lerosey vom Institut Langevin in Paris hat nun einen einfacheren Weg zu einem Metamaterial mit negativem Brechungsindex gefunden. Zunächst führten sie Berechnungen für periodisch strukturierte ein- und zweidimensionale Materialien durch, die aus winzigen Kugeln bestehen, die das Licht bei einer bestimmten Frequenz resonant streuen. Der Abstand der Kugeln beträgt dabei jeweils ein Zwölftel der verwendeten Lichtwellenlänge. Das Metamaterial weist, so zeigen die Berechnungen, eine Bandlücke um die Resonanzfrequenz auf und hat einen positiven Brechungsindex.

Dann verringerten die Forscher die Symmetrie des Metamaterials, indem sie entweder die Kugeln zu Paaren zusammenrücken ließen oder der Hälfte der Kugeln eine geringfügig geänderte Resonanzfrequenz gaben. In beiden Fällen taucht in der Bandlücke ein neues Frequenzband auf. Bei Frequenzen aus diesem Band hat das Metamaterial einen negativen Brechungsindex. Die Wissenschaftler machen dafür Mehrfachstreuung der elektromagnetischen Wellen an den Kugeln verantwortlich. Berücksichtigt man nämlich nur un­ab­hängige Streuvorgänge, wie es normalerweise bei der Berechnung der Eigenschaften von Metamaterialien geschieht, so ist der Brechungsindex positiv. Es ist also entscheidend, dass die Wellen von Strukturen im Meta­material mehrfach gestreut werden, deren Abstand viel kleiner als die Wellenlänge ist.

Abb.: Die rekonstruierte Schallausbreitung in der Superlinse: Der Schall eines Laufsprechers wird in der Mitte der Linse fokussiert, dann entsteht am Linsenrand ein Bild der Schallquelle (oben). Zwei Schallquellen werden getrennt abgebildet, wobei die Auflösung ein Siebtel der Schallwellenlänge beträgt (unten, Bild: N. Kaina et al. / NPG).

Was für optische Metamaterialien gilt, sollte auch für akustische zutreffen. Dabei werden elektrische Permittivität und magnetische Permeabilität durch Dichte und die Kompres­sibilität ersetzt. Wird eine regelmäßige An­ordnung von akustischen Resonatoren asymmetrisch gemacht, so sollte in der Bandlücke um die Resonanzfrequenz ein akustisches Frequenzband auftauchen, sodass Schallwellen mit den entsprechenden Frequenzen negativ gebrochen werden.

Lerosey und seine Kollegen bauten eine solche Anordnung von akustischen Resonatoren, indem sie 124 Getränkedosen mit einer Resonanzfrequenz von 420 Hertz in mehreren Reihen in einem leicht asymmetrischen Bienenwabenmuster aufstellten. Ein Laut­sprecher beschallte die rechteckige Dosen­batterie unmittelbar von einer Seite her mit 417,5 Hertz, während auf den drei anderen Seiten Schalldämpfer standen. Dicht über den Dosen schwebend nahmen bewegliche Mikrophone die Schallstärke auf. Wurde die von den Dosen verursachte Dämpfung der Schallwellen rechnerisch rückgängig gemacht, so trat die Ausbreitung der Wellen deutlich zutage.

Es zeigte sich, dass die rechteckige Dosen­batterie einen negativen Brechungsindex von -3 hatte und als akustische Superlinse wirkte. Die Linse bündelte die vom Lautsprecher aus­gehenden Schallwellen in einem Brennpunkt, der in ihr lag. Anschließend liefen die Schall­wellen erneut auseinander, wurden dann aber wieder zusammengeführt, sodass ein akustisches Bild des Lautsprechers am Rande der Linse entstand. Bild und Brennpunkt waren wesentlich kleiner als die Schallwellenlänge. Zwei gegenphasig tönende Lautsprecher, die dicht nebeneinander an einer Seite der Superlinse standen, wurden getrennt abgebildet, wobei die Auflösung ein Siebtel der Wellenlänge betrug.

Da die von dem Team vorgestellte Methode allgemeingültig ist, könnte sie die Herstellung von linkshändigen Materialien revolutionieren. So wären zum Beispiel auch künstliche Kristalle mit negativem Brechungsindex denkbar.

Rainer Scharf

RK

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