24.05.2007

Superstabile Nanoblasen

Winzige Bläschen im Wasser existieren überraschenderweise mehrere Stunden lang und können extremer Zugspannung widerstehen.



Winzige Bläschen im Wasser existieren überraschenderweise mehrere Stunden lang und können extremer Zugspannung widerstehen.

Die Nanowelt birgt manche Überraschung – auch im Bereich der Hydrodynamik. So weiß man aus zahlreichen Untersuchungen mit dem Rasterkraftmikroskop, dass auf Festkörperoberflächen in einer gashaltigen Flüssigkeit nanometergroße Bläschen sitzen können. Die Oberflächenspannung einer solchen Nanoblase, deren Krümmungsradius etwa 100 nm beträgt, ist dabei so groß, dass sich die Blase eigentlich sofort zusammenziehen und spurlos verschwinden sollte. Tatsächlich existieren Nanoblasen aber mehrere Stunden lang. Darüber hinaus können sie enorme Zugspannungen unbeschadet überstehen, wie jetzt bei Kavitationsexperimenten an der Universität Twente beobachtet wurde.

Eine Forschergruppe um Detlef Lohse hat die Stabilität von Nanoblasen untersucht, die sich unter Wasser auf fingernagelgroßen Plättchen aus Polyamid bzw. Silizium gebildet hatten. Dazu steckten sie solch ein Plättchen in einen Behälter, der mit extrem reinem Wasser gefüllt war, und tauchten den verschlossenen Behälter anschließend in ein Wasserbad. Dort wurde er heftigen Druckunterschieden ausgesetzt, die ein Stoßwellengenerator erzeugte. Druckmessungen mit einem Hydrophon ergaben, dass der Druck zunächst auf ca. 7 MPa anstieg, um dann innerhalb von 2 µs auf eine Zugspannung von –6 MPa abzufallen.

Bei einer solch großen Zugspannung bilden sich auf Substratoberflächen im Wasser Kavitationsblasen, die mehrere hundert Mikrometer groß werden. Wenn die Zugspannung abklingt und der Druck wieder positiv wird, dann kommt es zu einem heftigen Kollaps der Kavitationsblasen, der wie eine Explosion auf die Substratoberfläche wirkt. Deshalb verursacht die Kavitation z. B. an Schiffsschrauben und in Pumpen gefürchtete Schäden. Auf rauen Oberflächen sitzen im Wasser schon bei Normaldruck gasgefüllte Mikroblasen, die wenige µm groß sind und sich unter hoher Zugspannung zu Kavitationsblasen aufblähen. Könnten sich in ähnlicher Weise auch aus den Nanoblasen, die man auf sehr glatten Oberflächen beobachtet hat, unter hoher Zugspannung Kavitationsblasen entwickeln?

Die Experimente der Lohse-Gruppe zeigen, dass Nanoblasen wohl nicht als „Kondensationskeime“ für die Kavitation in Frage kommen, da sie auch unter extrem hoher Zugspannung stabil sind. Dazu haben die Forscher zunächst mit einer CCD-Kamera die Kavitationsblasen fotografiert, die sich auf den Polyamid- bzw. Siliziumplättchen unter hoher Zugspannung bildeten. Anschließend haben sie unter Normaldruck die im Wasser befindlichen Plättchen mit einem Rasterkraftmikroskop abgetastet und dadurch die vorhandenen Nanoblasen sichtbar gemacht.

Es zeigte sich, dass zwischen der Dichte der Nanoblasen und der Stärke der Kavitationsaktivität auf einer Oberfläche kein Zusammenhang bestand. Sowohl die Polyamid- als auch die Siliziumplättchen waren nach dem Kavitationsexperiment noch dicht mit Nanoblasen bedeckt: mit 10 bis 80 Blasen pro µm 2. Auf den Polyamidplättchen traten Kavitationsblasen jedoch nur an extrem feinen Rissen in der ansonsten glatten Oberfläche auf. Wurden die Polyamidplättchen mit Äthanol gespült, bevor sie für das Kavitationsexperiment ins Wasser getaucht wurden, so traten gar keine Kavitationsblasen auf, obwohl die Oberfläche nach wie vor dicht mit Nanoblasen bedeckt war. Auf den reinen und extrem glatten Siliziumplättchen, die keine Risse hatten, trat ebenfalls keine Kavitation auf, obwohl auch sie zahllose Nanoblasen aufwiesen.

Die Nanoblasen überstanden also die hohe Zuspannung während des Kavitationsexperiments unbeschadet. Das ist überraschend, da die gemessene Zugspannung eigentlich ausreichen sollte, um Nanoblasen mit einem Krümmungsradius von 8 nm und mehr zu Kavitationsblasen aufzublähen. Wegen dieser „Superstabilität“ scheiden die Nanoblasen als mögliche Kondensationskeime für die Kavitation auf glatten Oberflächen aus. Solche Keime sind vielmehr Verunreinigungen auf oder Risse in den Oberflächen. Dass die Nanoblasen, die nach der herkömmlichen „makroskopischen“ Theorie gar nicht stabil sein dürften, sogar superstabil sind, ist ein weiteres Rätsel der Nanowelt, das noch gelöst werden muss.

Rainer Scharf

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