Suprafluide Optomechanik
Quantenmechanisches Zusammenspiel von Licht und Supraflüssigkeit genutzt.
Ein neuartiges optomechanisches System koppelt die mechanischen Schwingungen in suprafluidem Helium mit den elektromagnetischen Schwingungen eines Lasers. Das eröffnet weitgehende Einblicke in die Supraflüssigkeit und neue Kontrollmöglichkeiten auf der Quantenebene.
Abb.: Zwischen den konkaven Enden zweier Glasfasern befindet sich der heliumgefüllte Hohlraum, in dem akustische und optische Schwingungen miteinander gekoppelt werden. (Bild: A. D. Kashkanova et al. / NPG)
Jack Harris von der Yale University und seine Mitarbeiter haben einen optomechanischen Hohlraumresonator hergestellt, der sich von bisherigen optomechanischen Systemen unterscheidet. Diese koppeln die mechanischen Schwingungen von festen Objekten oder von ultrakalten Atomwolken mit elektromagnetischen Schwingungen. Dabei beeinflussen die aufprallenden Photonen die Schwingungen des mechanischen Oszillators, während diese die optische Resonanzfrequenz des Hohlraums verstimmen.
Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel mikrometergroße schwingende Spiegel mit Laserlicht optisch auf extrem tiefe Temperaturen kühlen, bei denen der mechanische Oszillator fast im Grundzustand ist und nur noch wenige Schwingungsquanten enthält. Zudem kann man diese „makroskopischen“ Objekte auch in andere nichtklassische Zustände bringen, sodass sie sich an zwei Orten gleichzeitig aufhalten oder mit dem Licht quantenmechanisch verschränkt sind.
Der neue optomechanische Hohlraumresonator für Licht im nahen Infraroten (NIR) nutzt hingegen suprafluides Helium-4 als mechanisch schwingendes Medium. Das bietet einige Vorteile. So füllt die Supraflüssigkeit den Hohlraumresonator gänzlich aus, sodass sich die mechanischen und die NIR-Schwingungsmoden perfekt überlagern können. Zudem wird Helium-4 auch bei extrem tiefen Temperaturen nicht fest. Es hat verschwindende Viskosität, dämpft elektromagnetische Wellen nur geringfügig und leitet die Wärme hervorragend.
Der optische Hohlraum, der zwischen den einander zugewandten konkaven Enden zweier optischer Glasfasern lag, war weniger als 100 µm lang. Die Faserenden waren optische Bragg-Reflektoren, die aus abwechselnden Schichten von Silizium- und Tantaloxid bestanden. Eine Glashülse umschloss die Faserenden und den Hohlraum eng. Sie befand sich in einer Messingzelle, die mit suprafluidem Helium-4 gefüllt wurde, das daraufhin auch den Hohlraum zwischen den Faserenden ausfüllte.
Abb.: Wie im Lehrbuch: Die optisch gemessene Zahl der Phononen im Helium wächst linear mit der Temperatur. (A. D. Kashkanova et al. / NPG)
In diesem Hohlraum wurden die optischen Moden durch die konkaven, stark reflektierenden Faserenden eingeschlossen, während die akustischen Schwingungsmoden, die auf Dichteschwankungen im Helium beruhten, nur schlecht in die Glasfasern eindringen konnten. Die akustische Wellenlänge war halb so groß wie die Länge des Hohlraums und fünfzigmal so groß wie die IR-Wellenlänge.
Die Kopplung zwischen den mechanischen und den elektromagnetischen Wellen erfolgte über stimulierte Brillouin-Streuung: Das durch die Glasfasern in den Hohlraum geleitete Laserlicht übte durch Elektrostriktion mechanische Kräfte auf das Helium aus, die zu Dichtemodulationen führten, an denen das Licht wiederum gestreut wurde. Das Licht konnte also die mechanischen Schwingungen des Heliums verstärken, während die daraus resultierenden Dichteschwankungen die optische Länge des Hohlraums veränderten und somit den optischen Resonator verstimmten.
Mit ihrem suprafluiden optomechanischen System haben die Forscher erste Tests durchgeführt. So konnten sie anhand der Stärke der gemessenen Lichtstreuung im Helium ermitteln, dass die Zahl der Schwingungsquanten oder Phononen in der Supraflüssigkeit linear mit der Temperatur zunahm. Bei 200 mK waren nur noch elf Phononen vorhanden. Die mechanischen Schwingungen waren umso weniger gedämpft je tiefer die Temperatur und je schwächer das anregende Laserlicht war. Es wurde eine Güte von maximal 60.000 erreicht.
Noch gelingt es mit der suprafluiden Optomechanik nicht, die mechanischen Schwingungen mit Hilfe von Licht in den Grundzustand zu kühlen oder sie in gequetschte oder verschränkte Quantenzustände zu bringen. Dazu müsste die Übertragung der Quantenzustände des Lichts auf die mechanischen Schwingungen des Heliums abgeschlossen sein, bevor Dekohärenz einsetzt. Um das zu erreichen, muss die Erwärmung der Faserenden durch das Licht und deren Durchlässigkeit für die akustischen Schwingungen deutlich verringert werden. Die Forscher sind optimistisch, dass ihnen dies bald gelingen wird.
Rainer Scharf
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