Suprafluider Hall-Effekt beobachtet
Mit Hilfe fingierter Magnetfelder ließen sich die Transporteigenschaften ultrakalter Atome messen.
Fließt ein elektrischer Strom längs einer leitenden Schicht, auf der ein Magnetfeld senkrecht steht, so werden die bewegten Ladungsträger von der Lorentz-Kraft abgelenkt, und es baut sich eine elektrische Spannung senkrecht zum Magnetfeld und zur Stromrichtung auf. Dieser Hall-Effekt wird u. a. dazu genutzt, die Dichte und die Ladung der Ladungsträger zu ermitteln. Jetzt haben Forscher am NIST in Gaithersburg den Hall-Effekt an einem Bose-Einstein-Kondensat aus Atomen beobachtet, die sich in einem fingierten Magnetfeld bewegten.
Abb.: Das schwingende Bose-Einstein-Kondensat wird im fingierten Magnetfeld (D-F) aufgrund des Hall-Effekts periodisch geringfügig verdreht, während es im feldfreien Fall (A-C) längs der x-Achse ausgerichtet bleibt. (Bild : L. J. LeBlanc et al., PNAS)
An ultrakalten Gasen aus Atomen hat man viele interessante Aspekte des Quantenverhaltens von elektronischen Vielteilchensystemen studiert. Dabei spielen die Atome die Rolle der Elektronen. Auch den Einfluss von Magnetfeldern, die sich auf die Bewegungen der ungeladenen Atome nicht direkt auswirken, hat man mit Hilfe von fingierten Feldern simuliert. Sie gaben den atomaren Wellenfunktionen eine ähnliche Phase wie sie die Elektronenwellen in einem realen Magnetfeld haben. So hatten Ian Spielman und seine Kollegen vom NIST in Bose-Einstein-Kondensaten Wirbel erzeugt und Spin-Bahn-Kopplung nachgewiesen.
Jetzt haben Forscher um Lindsey LeBlanc und Ian Spielman an einem Bose-Einstein-Kondensat aus etwa 200.000 Rubidium-86-Atomen in einem fingierten Magnetfeld den Hall-Effekt beobachtet. Wie bei elektronischen Systemen so eröffnet der Hall-Effekt auch im Falle der ultrakalten atomaren Gase wertvolle Einblicke in die Transporteigenschaften des Teilchenkollektivs.
Dazu haben die Forscher das Bose-Einstein-Kondensat in einer Dipolfalle festgehalten. Es konnte in der x-y-Ebene harmonische Schwingungen ausführen, während seine Beweglichkeit in z-Richtung stark eingeschränkt war. Das etwa 40 Mikrometer lange und 20 Mikrometer breite Atomwölkchen hatte die Form eines in z-Richtung abgeplatteten Pfannkuchens mit elliptischem Umriss in der x-y-Ebene.
Das Kondensat befand sich in zwei Laserstrahlen, die längs der x-Achse liefen und einander entgegen gerichtet waren. Über den Raman-Effekt koppelten die Laser verschiedene Spinzustände der Atome im Kondensat. Dadurch entstanden neue „bekleidete“ Zustände, in denen sich die Spin- und die Impulszustände der Atome überlagerten. Brachte man die so präparierten neutralen Atome in einen realen Magnetfeldgradienten, der in y-Richtung zeigte, so verhielten sie sich wie geladene Teilchen in einem fingierten Magnetfeld, das parallel zur z-Achse ausgerichtet war.
Wollten die Forscher an den Atomen den Hall-Effekt beobachten, so mussten sie die Teilchen im fingierten Magnetfeld in Bewegung setzen. Das erreichten sie dadurch, dass sie die Kraftkonstante des harmonischen Potentials der Dipolfalle in x-Richtung periodisch veränderten. Die Modulationsfrequenz stimmten sie so ab, dass sie mit der Frequenz einer Quadrupolschwingung des Kondensats in Resonanz war. Die sich daraufhin periodisch längs der x-Achse bewegenden Atome wurden vom fingierten Magnetfeld in y-Richtung abgelenkt. Das führte dazu, dass sich das elliptische Atomwölkchen periodisch gegen die x-Achse verdrehte.
Der Hall-Effekt wurde noch deutlicher sichtbar, als die Forscher für die Dichteverteilung der Atome im Kondensat das quadratische Moment
Ausgehend von den Gesetzen der wirbelfreien, suprafluiden Hydrodynamik berechneten Lindsey LeBlanc und ihre Kollegen das Verhalten des Kondensats im fingierten Magnetfeld. War das Feld nicht zu stark, so stimmten die Vorhersagen der Theorie hervorragend mit den experimentellen Ergebnissen überein. Doch mit zunehmender Feldstärke zeigte sich in den gemessenen Oszillationen von
Rainer Scharf
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