06.03.2008

Supraschaum ist was Besonderes

In Magnetfeldern zeigen Supraleiter erster Art eine Zellenstruktur, die der Struktur von Seifenschaum ähnelt.



In Magnetfeldern zeigen Supraleiter erster Art eine Zellenstruktur, die der Struktur von Seifenschaum ähnelt.

Supraleitung und Magnetismus sind zwei einander feindliche Phänomene, deren Wettstreit bisweilen komplexe räumliche Strukturen entstehen lässt. Während schwache Magnetfelder aus einem Supraleiter herausgedrängt werden (Meißner-Effekt), bricht oberhalb einer kritischen Feldstärke die Supraleitung zusammen. Magnetfelder mittlerer Stärke können jedoch in einen Supraleiter lokal eindringen, indem sie normalleitende Bereiche erzeugen, gegen die sich das übrige, supraleitende Material abschirmt. So entsteht in einem Supraleiter zweiter Art der Wirbelzustand, bei dem magnetische Flussschläuche in regelmäßiger Anordnung den Supraleiter durchdringen. In einem Supraleiter erster Art tritt unter bestimmten Bedingungen ein Zwischenzustand auf, bei dem normalleitende Blasen von supraleitenden Wänden umgeben sind, sodass sie einen Schaum bilden können. Diesen Supraschaum haben jetzt Forscher am Ames Laboratory in Iowa, USA, untersucht.

Ruslan Prozorov und seine Kollegen haben Bleischeibchen von 1 mm Dicke und 5 mm Durchmesser in Magnetfelder von bis zu 500 Oe gebracht und unter die kritische Temperatur von 7 K abgekühlt, bei der Blei supraleitend wird. Der Magnetisierungszustand der Scheibchenoberflächen wurde magneto-optisch mithilfe eines aufliegenden ferrimagnetischen Indikatorfilms sichtbar gemacht. Linear polarisiertes Licht, das vom Film reflektiert wurde, änderte seine Polarisationsrichtung, wenn es auf die Stellen des Films fiel, die über magnetisierten und damit normalleitenden Bereichen des Bleischeibchens lagen. Auf den so gewonnenen Bildern und Videos erscheinen die normalleitenden Bereiche hell, die supraleitenden dunkel.

Auf einem der Videos ist deutlich zu erkennen, wie bei Erhöhung der Magnetfeldstärke das supraleitende Bleischeibchen normalleitend wird. Das geschieht jedoch nicht gleichförmig. Vielmehr entstehen an einigen Stellen des Scheibchenrandes normalleitende Bereiche, die wie Luftblasen aussehen und in das Innere des Scheibchens eindringen. Die Blasen sammeln sich dort und bilden nach kurzer Zeit einen Schaum. Die supraleitende Wand zwischen zwei Blasen hat dabei eine Dicke von etwa 14 µm. Mit weiter zunehmender Feldstärke altert der Schaum, indem kleine Blasen verschmelzen und dadurch größere entstehen. Schließlich verschwindet der Schaum restlos und mit ihm die Supraleitung.

Der schaumartige Zwischenzustand bildete sich, wenn das Magnetfeld an mindestens einer Stelle des Scheibenrandes die kritische Feldstärke überschritt und dort die Supraleitung zusammenbrechen ließ, während es andernorts so stark abgeschirmt war, dass es unterkritisch blieb. In einem Supraleiter erster Art ist die Grenzflächenenergie zwischen der normal- und der supraleitender Phase positiv, sodass solche Grenzflächen nach Möglichkeit vermieden werden. Deshalb haben isolierte, normalleitende Blasen kreisförmigen Querschnitt. Deshalb hat auch der entstehende Supraschaum die zelluläre Struktur von Seifenschaum, bei dem die Oberflächenspannung die Fläche der Seifenmembran zwischen aneinanderstoßenden Blasen so klein wie möglich hält.

Auch in quantitativer Hinsicht gab es Ähnlichkeiten zwischen dem Supraschaum und gewöhnlichem Seifenschaum. Mit einem Bilderkennungsprogramm analysierten die Forscher die Fläche und die Eckenzahl der zellulären Blasen im Supraschaum in Abhängigkeit von der Magnetfeldstärke und der Temperatur. Es zeigte sich, dass die überwiegende Zahl der Zellen sechs Ecken hatte, wie man das nach einem Theorem von Euler erwarten konnte. Demnach ist sechs die mittlere Eckenzahl für Polygone in einem zweidimensionalen Polygonnetz, wenn stets drei Polygone eine Ecke gemeinsam haben. Es traten jedoch auch Polygone mit Eckenzahlen von drei bis zehn auf. Dies findet man auch für herkömmlichen Schaum, wenn er auf zwei Raumdimensionen eingeschränkt ist.

Je mehr Ecken n eine Zelle des Supraschaums hatte, umso größer war ihre Fläche: A n wuchs linear mit n an, wobei die Proportionalitätskonstante wiederum linear von der Feldstärke H und der Temperatur T abhing. Demnach galt sowohl dA n /dH ~ (n–3) als auch dA n /dT ~ (n–3). Beide Gesetze zeigen, wie sich der Supraschaum bei zunehmendem H oder T vergröbert, indem Zellen mit großem n auf Kosten von Zellen mit kleinem n wachsen. Ein ähnliches Gesetz hatte John von Neumann 1952 für herkömmlichen Schaum hergeleitet, der sich mit zunehmender Zeit t vergröbert: dA n /dt ~ (n–6).

Während in herkömmlichem Schaum nur Zellen mit n > 6 wachsen, werden im Supraschaum aufgrund des magnetischen Drucks im normalleitenden Zelleninnern auch Zellen mit weniger Ecken aufgebläht. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass herkömmlicher Schaum unweigerlich altert, während man die Entwicklung von Supraschaum in Grenzen umkehren kann, indem man H oder T verringert. Dann zeigen vor allem die kleinzelligen Bereiche des Supraschaums reversibles Verhalten. Supraschaum ist also doch ein ganz besonderer Schaum.

Rainer Scharf

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