26.11.2018

Teilchenbeschleuniger auf dem Mikrochip

Neues Konzept für lasergetriebenen Elektronenbeschleuniger ermöglicht starke Miniaturisierung.

Teilchenbeschleuniger sind üblicherweise groß und kosten­intensiv. Das soll sich nun ändern. Das von der amerikanischen Gordon-and-Betty-Moore-Stiftung geförderte „Accelerator on a Chip International Program“ (AChIP) hat sich zum Ziel gesetzt, einen Elektronen­beschleuniger auf einem Silizium­chip zu realisieren. Die grund­legende Idee hier ist, Beschleuniger­strukturen aus Metall durch Glas oder Silizium zu ersetzen und als Energie­quelle statt eines Mikro­wellen­generators einen Laser zu nutzen. Durch die höhere elektrische Feld­belastbar­keit von Glas lässt sich die Beschleunigungs­rate erhöhen und dadurch die gleiche Energie auf kürzerer Strecke auf die Teilchen übertragen, was den Beschleuniger um ungefähr einen Faktor zehn kürzer macht als herkömmliche Beschleuniger gleicher End­energie.

Abb.: Beschleuniger­chip auf der Finger­spitze und eine elektronen­mikroskopische Aufnahme des Chips (Bild: H. Schmidt / A. Ceballos)

Eine Herausforderung ist hierbei, dass der Vakuum­kanal für die Elektronen auf einem Chip nur sehr klein sein kann, was eine extrem starke Fokussierung des Elektronen­strahls erfordert. Die in konventionellen Beschleunigern eingesetzten magnetischen Fokussier­kanäle sind hierfür bei weitem zu schwach. Das bedeutet, dass für einen Beschleuniger auf einem Chip ein völlig neues Fokussier­konzept entwickelt werden muss.

Als Teil des Profilbereichs „Teilchenstrahlen und Materie“ der TU Darmstadt hat die AChIP-Gruppe am Fach­gebiet Beschleuniger­physik um den Nachwuchs­wissenschaftler Uwe Nieder­mayer kürzlich eine entscheidende Lösung vorgestellt. Zur Fokussierung der Elektronen im nur 420 Nanometer breiten Kanal sollen die Laser­felder selbst eingesetzt werden. Das Konzept basiert darauf, die relative Phase der Elektronen zum Laser sprunghaft zu ändern, was dazu führt, dass man alter­nierende Fokussierung und De­fokussierung in den zwei Richtungen der Ebene der Chip-Oberfläche erhält. Dadurch erhält man Stabilität in beiden Richtungen. Das Konzept ist vergleich­bar mit einer Kugel auf einem Sattel. Die Kugel wird herunterfallen, unabhängig davon, in welcher Richtung der Sattel steht. Dreht man den Sattel allerdings kontinuierlich, so bleibt die Kugel stabil auf dem Sattel. Das Gleiche tun die Elektronen im Kanal auf dem Chip.

Senkrecht zur Chip-Oberfläche ist nur eine schwächere Fokussierung not­wendig, und es kann ein einziger Quadrupol-Magnet verwendet werden, der den gesamten Chip umschließt. Dieses Konzept ist ähnlich dem eines konventionellen Linearbeschleunigers. Für den Beschleuniger auf dem Chip wurde allerdings die Elektronen­dynamik verändert, um ein zwei­dimensionales Design zu erzielen, welches sich mit litho­graphischen Techniken aus der Halbleiter­industrie realisieren lässt.

Niedermayer ist zurzeit als Gast­wissenschaftler an der amerikanischen Stanford Universität, die das AChIP-Programm zusammen mit der Universität Erlangen leitet. Er arbeitet dort mit den AChiP-Kollegen an der Realisierung des Beschleunigers auf dem Chip in einer Experimentier­kammer von der Größe eines Schuh­kartons. Als Laser­quelle kommt ein kommerziell verfügbares System zum Einsatz, welches durch eine komplizierte nicht­lineare Optik angepasst wird. Ziel des bis 2020 laufenden AChIP-Programms ist, aus dem Chip Elektronen mit einer Energie von einem Mega­elektronen­volt zu erhalten. Weiterhin sollen auch ultra­kurze Elektronen­pulse realisiert werden, wie sie für einen skalier­baren Beschleuniger auf dem Chip nach dem Konzept aus Darm­stadt notwendig sind.

Die Anwendungsmöglichkeiten eines solchen Beschleunigers liegen in der Industrie sowie in der Medizin. Ein wichtiges lang­fristiges Ziel ist, eine kompakte kohärente Röntgen­strahlungs­quelle zur Charakterisierungen von Materialien zu realisieren. Eine medizinische Anwendung wäre zum Beispiel ein Beschleuniger-Endoskop, mit dem man Tumore aus dem Inneren des Körpers mit Elektronen bestrahlen könnte. Ein besonderer Vorteil dieser neuen Beschleuniger­technologie ist, dass die Chips kosten­günstig in großen Stück­zahlen her­gestellt werden können, was den Beschleuniger für Jeder­mann oder das Beschleuniger­labor für jede Universität möglich macht. Weiterhin ergeben sich Möglich­keiten, kosten­günstige kohärente Röntgen­strahlungs­quellen in der Halb­leiter­industrie in Prozessen der Foto­litho­grapie ein­zusetzen, was eine Verkleinerung der Transistoren in Computer­prozessoren und eine höhere Integrations­dichte ermöglicht.

TU Darmstadt / DE

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