30.01.2020

Temperaturabhängiger Dimensionssprung

Oberflächenatome auf Siliziumkristall zeigen je nach Umgebungsbedingungen ein- oder zweidimensionales Verhalten.

Kein Volumen, nicht einmal Fläche: Ein eindimensionales Material ist wie ein Draht und hat Eigenschaften, die ganz anders sind als bei seiner 3D-Variante. Forscher der Universität Duisburg-Essen (UDE) haben nun ein System entdeckt, das bei wärmeren Temperaturen selbst­organisiert Drähte ausbildet, die aus nur einer Reihe einzelner Atome bestehen. 
 

Abb.: Nach sorgsamer Politur ergeben sich gleichmäßige Stufen, genau ein Atom...
Abb.: Nach sorgsamer Politur ergeben sich gleichmäßige Stufen, genau ein Atom hoch – wie beim Versuch, eine Schräge nur mit gleich großen Legosteinen zu bauen. (Bild: UDE)

„Niedrigdimensionale Systeme sind en vogue“, meint Michael Horn-von Hoegen, Experimental­physiker im UDE-Sonder­forschungs­bereich 1242 „Nicht­gleich­gewichts­dynamik kondensierter Materie in der Zeitdomäne“. Denn ein System von drei Dimensionen auf nur eine zu beschränken, schafft die Möglichkeit, neue Eigenschaften im Material zu entdecken.

Die Wissenschaftler nutzten gestufte Flächen, um Atomdrähte selbst­organisiert entstehen zu lassen: Dazu sägten sie einen Silizium­kristall im Winkel von zwölf Grad. Dabei ergeben sich nach sorgsamer Politur gleichmäßige Stufen, genau ein Atom hoch – wie beim Versuch, eine Schräge nur mit gleich großen Legosteinen zu bauen. Die Stufenkanten bilden Siliziumatome, dahinter werden zwei Reihen Goldatome aufgedampft.

Jedes dritte Siliziumatom in dieser Kantenreihe ist es nun, das die Forscher interessiert, denn es hat besondere Eigenschaften: Bei sehr niedrigen Temperaturen sind diese Atome – über die Stufen hinweg gesehen – in einem regelmäßigen Gitter angeordnet, d.h. in einer flächigen, also zwei­dimensionalen Kristallstruktur. Und nun kommt die Wärme hinzu: Von zuvor -223 Grad Celsius wird das System nun auf rund -123 Grad Celsius erwärmt. Diese Wärmeenergie sorgt dafür, dass die regelmäßigen Abstände zwischen den besonderen Silizium­atomen aufgebrochen werden und diese nun mal zwei, mal vier Atome voneinander entfernt liegen.

Auf diese Weise bilden sich voneinander unabhängige Atomketten, die entlang der Stufenkanten über die Treppe laufen. Dass die Physiker dieses Phänomen heute im Detail erklären können, daran hat Theoretiker Björn Sothmann großen Anteil: Seine Berechnungen erklärten, was das reine Experiment nicht erkennen ließ. 

„Hier entsteht etwas Neues quasi aus dem Nichts heraus“, fasst Horn-von Hoegen zusammen. Und das Ergebnis widerspricht zudem vorherigen Erwartungen: „2D-Ordnung bei tiefen Temperaturen, eindimensionale Strukturen, wenn es wärmer wird; sowas kennt man von keinem anderen Material. Jetzt wollen wir herausfinden, ob dies auch für andere Systeme gilt – möglicherweise sogar bei Zimmertemperatur.“

UDE / DE
 

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