10.04.2014

Thermoelektrik am praktischen Limit

Quantenmechanische Bedingungen für Wärmetransport können erstaunliche makroskopische Effekte bewirken.

Thermoelemente sind ein praktisches Mittel, Strom und Wärmefluss wechselseitig zu manipulieren. Dank ihrer kompakten Bauweise finden sie in unterschiedlichsten Gerätschaften Anwendung: Sie können Strom aus der Hitze von Abgasen gewinnen oder in astronomischen Kameras bei langen Aufnahmen für die Kühlung der CCDs sorgen, um das Bildrauschen zu verringern. Sie halten Kühltaschen oder Computerchips kalt oder dienen als Sensoren. Deshalb sind sie etwa auch beim Marsrover Curiosity in die Bordsysteme integriert. Doch obwohl der thermoelektrische Effekt schon seit fast zwei Jahrhunderten bekannt ist, sind einige seiner grundlegenden thermodynamischen Eigenschaften bislang nicht abschließend erforscht.

Abb.: Typische Thermoelemente (a und b); der Wärmefluss von links nach rechts hängt jedoch von der Anzahl N an transversalen Moden der Elektronenzustände im schmalsten Teil des Quantensystems (c) ab. (Bild: R. S. Whitney)

Wie Robert Whitney vom Laboratoire de Physique et Modélisation des Milieux Condensés in Grenoble nun in einer Untersuchung feststellte, können die quantenphysikalischen Eigenschaften von Elektronen zu erstaunlichen makroskopischen Konsequenzen beim Wärmetransport führen. Nach der klassischen Theorie der Wirkungsgrade können thermodynamische Systeme gleich welcher Art nicht mehr zugeführte Wärme in mechanische oder elektrische Energie umsetzen, als es dem Carnot-Wirkungsgrad entspricht. Dieses Limit gilt allerdings nur für reversible Prozesse, also für den Grenzfall verschwindender Leistung.

Reale Systeme sind jedoch grundlegend anders konstruiert: Üblicherweise baut man ein thermoelektrisches System ausgehend von einer bestimmten benötigten Leistung und versucht, die beste Effizienz zu erreichen, also das beste Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangsleistung. Effiziente System – gleich ob als Kühl- oder Wärmemaschine oder als thermoelektrischer Generator – operieren häufig weit entfernt von reversiblen Bedingungen. Auch Thermoelemente arbeiten nicht zuletzt aus diesen Gründen meist ein gutes Stück unterhalb des maximal erreichbaren Carnot-Wirkungsgrades.

Gerade für Einsätze in Weltraummissionen oder in anderen Situationen mit begrenztem Raum oder Gewichtsbeschränkungen ist es aber wichtig zu wissen, wie solche Elemente dimensioniert sein müssen, bzw. wo die Grenzen der Miniaturisierung liegen. Robert Whitney hat deshalb den Wärmefluss durch Thermoelemente mit Hilfe der nichtlinearen Landauer-Büttiker-Streutheorie untersucht, die die quantentheoretischen Anforderungen an den Transport von Elektronen beschreibt. Die Untersuchung von Whitney beschränkt sich hierbei auf den Wärmetransport von Elektronen – der Einfluss von Löchern blieb unberücksichtigt. Whitney hat auch die inelastischen Wechselwirkungen zwischen Phononen und Elektronen sowie zwischen mehreren Elektronen nicht in seine Berechnungen aufgenommen. Für kleine Quantensysteme spielen sie keine größere Rolle.

Je mehr Wärmeenergie von einem warmen zu einem kalten Reservoir strömen soll, desto größer muss der Querschnitt des leitenden Materials sein. Zu dieser klassischen Sichtweise treten typische Quantenphänomene hinzu: Der Energietransport durch Elektronen unterschiedlicher Energie hängt auch davon ab, ob diese Elektronen mit ihrer spezifischen Wellenlänge ungehindert durch den Leiter fließen können. Nach einem 1983 von John Pendry aufgestellten Theorem gibt es deshalb eine Grenze für die Menge an Wärmeenergie, die Elektronen durch eine bestimmten Querschnitt transportieren können. Dies beschränkt bei Thermoelementen auch die elektrische Leistung, die sich durch den Wärmefluss gewinnen lässt. Nach Whitneys Ergebnissen fließt die Wärmeenergie dann am effizientesten durch den Leiter, wenn die Elektronen eine wohldefinierte höchste und niedrigste Energie besitzen – ähnlich einem unteren und oberen Tempolimit auf Autobahnen.

Um etwa eine elektrische Leistung von 100 Watt zwischen zwei Wärmereservoirs von 300 und 700 Kelvin abgreifen zu können, benötigt man nach Whitneys Ansatz einen Leiterdurchmesser von wenigstens vier Quadratmillimetern. Will man diese Leistung überdies noch bei mindestens neunzig Prozent des Carnotschen Wirkungsgrads erzielen, so erhöht sich dieser Durchmesser noch einmal um den Faktor zehn auf etwa einen halben Quadratzentimeter. Im Vergleich zu den Elektrizitätsverbrauchern ist dies beachtlich, so Whitney: „Der Glühfaden einer 100-Watt-Birne hat nur den Querschnitt eines Haares.“

Diese makroskopischen Größen verdanken sich einem reinen Quanteneffekt: Da jeder „Übertragungskanal“ von der Wellenlänge der entsprechenden Elektronen abhängt und sich die Kanäle nicht überlappen dürfen, darf ein bestimmter Leiterquerschnitt nicht unterschritten werden. Der Miniaturisierung thermoelektrischer Geräte sind also naturgesetzliche Grenzen gesetzt, die vom zu erzielenden Energieumsatz abhängen. Bei einer gewünschten Leistung von nur einem Watt kann der Leiterquerschnitt auch um einen Faktor 100 geringer sein. „Wenn wir unsere Stromgeneratoren miniaturisieren wollen, müssen wir folglich unseren Energieumsatz reduzieren“, sagt Whitney hierzu.

Dirk Eidemüller

PH

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